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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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3. Die verschiedenen Bauarten der klassischen Architektur

Werfen wir zum Schluß noch einen Blick auf die verschiedenen Bauformen, die in der klassischen Architektur den durchgreifenden Typus abgeben, so können wir folgende Unterschiede als die wichtigeren hervorheben.

 

a. Die dorische, ionische und korinthische Säulenordnung

Das nächste, was sich in dieser Rücksicht bemerklich macht, sind diejenigen Bauarten, deren Verschiedenheit am auffallendsten an den Säulen hervortritt, weshalb ich mich auch darauf beschränken will, hier nur die vornehmlich charakteristischen Kennzeichen der Säulenarten anzugeben.

Die bekanntesten Säulenordnungen sind die dorische, ionische und korinthische, über deren architektonische Schönheit und Zweckmäßigkeit hinaus früher und später nichts mehr erfunden ist. Denn die toskanische oder nach Hirt (Geschichte der Baukunst, Bd. I, S. 251 ) auch altgriechische Bauart gehört in ihrer schmucklosen Dürftigkeit wohl dem ursprünglich einfachen Holzbau, doch nicht der schönen Architektur an, und die sogenannte römische Säulenordnung ist, als eine bloß vermehrte Verzierung der korinthischen, unwesentlich.

Die Hauptpunkte nun, auf welche es ankommt, betreffen das Verhältnis der Höhe der Säulen zu ihrer Dicke, die verschiedene Art der Basis und des Kapitells und endlich die größeren oder geringeren Abstände der Säulen voneinander.
Was den ersten Punkt angeht, so erscheint die Säule plump und gedrückt, wenn sie nicht die vierfache Höhe ihres Durchmessers erreicht; übersteigt sie indessen die zehnfache Höhe desselben, so erscheint sie dem Auge zu dünn und schlank für die Zweckmäßigkeit des Tragens. Hiermit aber steht die Entfernung der Säulen voneinander in engem Verhältnis; denn sollen die Säulen dicker erscheinen, so müssen sie einander näher gestellt werden, sollen sie dagegen schmächtiger und schmaler aussehen, so können die Abstände weiter sein.
Von gleicher Wichtigkeit ist es, ob die Säule ein Fußgestell hat oder nicht, ob das Kapitell höher ist oder niedriger, schmucklos oder verzierter, indem sich dadurch ihr ganzer Charakter verändert.
In Ansehung des Schaftes aber gilt die Regel, daß derselbe glatt und unverziert gelassen werden muß, obschon er nicht in durchgängig gleicher Dicke aufsteigt, sondern nach oben hin um ein weniges schmaler wird als unten und in der Mitte, so daß dadurch eine Schwellung entsteht, die, wenn auch fast unmerklich, dennoch vorhanden sein muß. Nun hat man zwar später, zur Zeit des scheidenden Mittelalters, bei der Wiederanwendung der alten Säulenformen auf die christliche Architektur die glatten Säulenschäfte zu kahl gefunden und deshalb Blumenkränze umhergeschlungen oder die Säulen auch wohl spiralförmig sich heraufwinden lassen; doch dies ist unstatthaft und gegen den wahren Geschmack, weil die Säule  nichts erfüllen soll als das Geschäft des Tragens und in diesem Geschäft fest, gerade und selbständig emporzusteigen hat. Das einzige, was die Alten beim Säulenschaft anbrachten, war die Kannelierung, wodurch die Säulen, wie schon Vitruv sagt, breiter erscheinen, als wenn sie ganz glatt gehalten sind. Solche Kannelierungen finden sich im größten Maßstabe.

Von den näheren Unterschieden nun der dorischen, ionischen und korinthischen Säulenordnung und Bauart will ich nur folgende Hauptpunkte anführen.

α) In den ersten Konstruktionen ist die Sicherheit des Baues die Grundbestimmung, bei welcher die Architektur stehenbleibt und deshalb noch keine schlanken Verhältnisse und deren kühnere Leichtigkeit wagt, sondern sich mit schwerfälligen Formen zufrieden erweist.
Dies ist in der dorischen Bauart der Fall. In ihr behält das Materielle in seiner lastenden Schwere noch die meiste Einwirkung und kommt besonders in dem Verhältnis der Breite und Höhe zum Vorschein. Erhebt sich ein Gebäude leicht und frei, so scheint das Lasten schwerer Massen überwunden, lagert es sich dagegen breiter und niedriger hin, so gibt sich, wie im dorischen Baustil, die Festigkeit und Solidität, welche unter der Herrschaft der Schwere steht, als die Hauptsache zu erkennen.

In diesem Charakter sind die dorischen Säulen, den übrigen Ordnungen gegenüber, die breitesten und niedrigsten. Die älteren reichen nicht über die sechsfache Höhe ihres unteren Durchmessers hinaus und sind häufig nur vierfach so hoch als ihr Diameter, wodurch sie in ihrer Schwerfälligkeit den Anblick einer ernsten, einfachen, zierdelosen Männlichkeit gewähren, wie die Tempel zu Pästum und Korinth sie zeigen. Doch bringen es die späteren dorischen Säulen bis auf die Höhe von sieben Durchmessern, und für andere Gebäude als Tempel gibt Vitruv noch einen halben Diameter zu.
Überhaupt aber zeichnet sich die dorische Bauart dadurch aus, daß sie der ursprünglichen Einfachheit des Holzbaues  noch nähersteht, obschon sie empfänglicher für Zieraten und Ausschmückungen ist als die toskanische. Die Säulen haben jedoch fast durchgängig keine Basis, sondern stehen unmittelbar auf dem Unterbau, und das Kapitell ist in einfachster Weise nur aus Wulst und Platte zusammengesetzt. Der Schaft wurde bald glatt gelassen, bald mit zwanzig Streifen kanneliert, die häufig im unteren Drittel flach, in den oberen aber ausgehöhlt waren. (Hirt, Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten, S. 54.) Was den Abstand der Säulen anbelangt, so beträgt derselbe bei den älteren Denkmälern die Weite der zweifachen Säulendicke, und nur wenige haben die Weite zwischen zwei und zweieinhalb Durchmesser.

Eine andere Eigentümlichkeit der dorischen Bauart, in welcher sie sich dem Typus des Holzbaues nähert, besteht in den Triglyphen und Metopen. Die Triglyphen nämlich deuten im Fries die auf dem Architrav aufliegenden Balkenköpfe des Dachgebälks durch prismatische Einschnitte an, während die Metopen die Raumausfüllung von einem Balken zum anderen bilden und in der dorischen Bauweise noch die Form des Quadrats behalten. Zur Auszierung wurden sie häufig mit Reliefs bedeckt, während unter den Triglyphen am Architrav und oberwärts auf der Unterfläche der Kranzleiste sechs kleine konische Körperchen, die Tropfen, als Schmuck dienten.

β) Wenn nun bereits der dorische Stil bis zum Charakter einer gefälligen Solidität fortgeht, so steigert sich die ionische Architektur zum Typus der wenn auch noch einfachen Schlankheit, Anmut und Zierlichkeit. Die Höhe der Säulen schwankt zwischen dem siebenfachen bis zehnfachen Maß ihres unteren Diameters und bestimmt sich nach Vitruvs Annahme vornehmlich aus den Zwischenweiten der Abstände, indem bei größeren Zwischenräumen die Säulen dünner und dadurch schlanker, bei engeren aber dicker und niedriger erscheinen und der Architekt deshalb, um das allzu Dünne oder Schwerfällige zu vermeiden, genötigt wird, in dem ersten Falle die Höhe zu verringern,
im zweiten  aber zu vermehren. Wenn deshalb die Säulenabstände mehr als drei Diameter übersteigen, so soll die Höhe der Säulen nur deren acht betragen, achteinhalb Durchmesser dagegen bei einer Zwischenweite von zweieinviertel bis drei Diametern; stehen die Säulen aber nur in der Weite von zwei Diametern auseinander, so erhebt sich die Höhe auf neuneinhalb Durchmesser und auf zehn sogar bei dem engsten Abstande von anderthalb Diametern. Doch kamen diese letzteren Fälle wohl nur sehr selten vor, und nach den Monumenten, die uns von ionischer Bauart erhalten sind, zu urteilen, haben sich die Alten der höheren Säulenverhältnisse nur wenig bedient.

Fernere Unterschiede des ionischen vom dorischen Stil sind darin zu finden, daß die ionischen Säulen nicht wie die dorischen unmittelbar mit dem Schaft aus dem Unterbau herausgehoben, sondern auf eine vielgegliederte Basis gestellt wurden und nun mit tieferer Aushöhlung und einer breiten vierundzwanzigstreifigen Kannelierung in leiser Verjüngung leicht in schlanker Höhe zum Kapitell emporstiegen. Hierin zeichnete sich besonders der ionische Tempel zu Ephesos dem dorischen zu Pästum gegenüber aus. In derselben Weise gewinnt das ionische Kapitell an Mannigfaltigkeit und Anmut. Es hat nicht nur einen geschnittenen Wulst, Stäbchen und Platte, sondern erhält noch rechts und links eine schneckenförmige Windung und an den Seiten eine polsterähnliche Zierde, von welcher es auch die Benennung des Polsterkapitells trägt. Die Schneckenwindungen am Polster deuten das Ende der Säule an, die aber noch höher steigen könnte, doch sich in diesem möglichen Weitergehen hier in sich selber krümmt.

Bei dieser schlanken Gefälligkeit und Ausschmückung der Säulen fordert die ionische Bauart nun auch ein weniger schwerfällig lastendes Gebälk und befleißigt sich auch in dieser Rücksicht einer vermehrten Anmut. In derselben Weise bezeichnet sie nicht mehr wie die dorische die Herkunft vom Holzbau und läßt deshalb in dem glatten Fries die Triglyphen und Metopen fortfallen, wogegen als Hauptverzierungen von Opfertieren, durch Blumengewinde verbunden, eintreten und statt der hängenden Dielenköpfe die Zahnschnitte eingeführt werden.
(Hirt, Geschichte der Baukunst, Bd. I, S. 254)

γ) Was endlich die korinthische Bauart angeht, so behält sie die Grundlage der ionischen bei, die sich jetzt bei der gleichen Schlankheit zu geschmackvoller Pracht herausarbeitet und den letzten Reichtum des Schmucks und der Auszierung entfaltet. Gleichsam zufrieden, vom Holzbau die bestimmten, vielfachen Teilungen erhalten zu haben, hebt sie dieselben, ohne den ersten Ursprung vom Holzbau hindurchscheinen zu lassen, durch Zieraten hervor und drückt in den mannigfaltigen Leisten und Leistchen an Gesimsen und Balken, in Traufgesimsen, Rinnleisten, vielfältig gegliederten Basen und reicheren Kapitellen eine Vielgeschäftigkeit in gefälligen Unterschieden aus.

Die korinthische Säule übersteigt zwar die Höhe der ionischen nicht, indem sie sich gewöhnlich bei gleichartiger Kannelierung nur achtmal oder neuneinhalbmal so hoch als die untere Säulendicke erhebt, doch erscheint sie durch ein höheres Kapitell schlanker und vor allem reicher.
Denn das Kapitell beträgt ein und ein Achtel des unteren Diameters und hat auf allen vier Ecken schlankere Schnecken mit Hinweglassung der Polster, während der untere Teil mit Akanthusblättern geziert ist. Die Griechen haben hierüber eine anmutige Geschichte.
Ein Mädchen von besonderer Schönheit, so wird erzählt, sei gestorben; da habe die Amme in ein Körbchen das Spielzeug gesammelt und aufs Grab gesetzt, wo eine Akanthuspflanze emporsproßte. Die Blätter hätten sich bald um das Körbchen umhergezogen, und daher sei der Gedanke zum Kapitell einer Säule genommen.

Von anderweitigen Unterschieden des korinthischen Stils vom ionischen und dorischen will ich nur noch die zierlich geschweiften Sparrenköpfe unter der Kranzleiste anführen sowie den Vorsprung der Traufe und die Zahneinschnitte und Kragsteine am Hauptgesims. 14

 

 

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