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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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Drittes Kapitel: Die romantische Architektur

Die gotische Baukunst des Mittelalters, welche hier den charakteristischen Mittelpunkt des eigentlich Romantischen bildet, ist lange Zeit hindurch, besonders seit der Verbreitung und Herrschaft des französischen Kunstgeschmackes, für etwas Rohes und Barbarisches gehalten worden.
In neuerer Zeit hat sie hauptsächlich Goethe zuerst in der Jugendfrische seiner den Franzosen und ihren Prinzipien entgegenstrebenden Natur- und Kunstanschauung wieder zu Ehren gebracht,
und man ist nun mehr und mehr bemüht gewesen, in diesen großartigen Werken das eigentümlich Zweckmäßige für den christlichen Kultus sowie das Zusammenstimmen der architektonischen Gestaltung mit dem inneren Geist des Christentums schätzen zu lernen.

 

1. Allgemeiner Charakter

Was den allgemeinen Charakter dieser Bauten betrifft, in welchen die religiöse Architektur das besonders Hervorzuhebende ist, so sahen wir schon in der Einleitung, daß sich hier die selbständige und die dienende Baukunst vereinige. Doch besteht die Vereinigung nicht etwa in einer Verschmelzung der architektonischen Formen des Orientalischen und  Griechischen,
sondern ist nur darin zu suchen,
daß auf der einen Seite mehr noch als im griechischen Tempelbau das Haus, die Umschließung den Grundtypus abgibt, während auf der anderen Seite die bloße Dienstbarkeit und Zweckmäßigkeit sich ebensosehr aufhebt und das Haus sich unabhängig davon frei für sich erhebt.
So erweisen sich denn diese Gotteshäuser und Bauwerke überhaupt für den Kultus und anderweitigen Gebrauch, wie schon gesagt ist, als schlechthin zweckgemäß, aber ihr eigentlicher Charakter liegt gerade darin, über jeden bestimmten Zweck fortzugehen und als in sich abgeschlossen für sich selber dazusein. Das Werk steht da für sich, fest und ewig.
Deshalb gibt kein bloß verständiges Verhältnis mehr dem Ganzen seinen Charakter;
im Inneren fällt das Schachtelwesen unserer protestantischen Kirchen fort, die nur erbaut sind,
um von Menschen ausgefüllt zu werden, und nichts als Kirchenstühle - wie Ställe - haben;
und im Äußeren steigt und gipfelt sich der Bau frei empor, so daß die Zweckmäßigkeit,
wie sehr sie auch vorhanden ist, dennoch wieder verschwindet und dem Ganzen den Anblick einer selbständigen Existenz läßt.
Durch nichts wird solches Gebäude vollständig ausgefüllt, alles geht in die Großheit des Ganzen auf;
es hat und zeigt einen bestimmten Zweck, aber es erhebt sich in seiner Grandiosität und erhabenen Ruhe über das bloß Zweckdienliche zur Unendlichkeit in sich selber hinaus.
Diese Erhebung über das Endliche und die einfache Festigkeit macht die eine charakteristische Seite aus. Auf der anderen gewinnt gerade hier erst die höchste Partikularisation, Zerstreuung und Mannigfaltigkeit den vollsten Spielraum, ohne jedoch die Totalität zu bloßen Besonderheiten und zufälligen Einzelheiten zerfallen zu lassen.
Die Großartigkeit der Kunst nimmt hier im Gegenteil dies Geteilte, Zerstückelte durchgängig wieder in jene Einfachheit zurück.
Es ist die Substanz des Ganzen, welche sich in unendliche Teilungen einer Welt individueller Mannigfaltigkeiten auseinanderstellt und zerschlägt, aber diese unübersehbare Vielheit einfach sondert, regelmäßig gliedert, symmetrisch verteilt, zu befriedigendster Eurhythmie ebenso bewegt als fest hinstellt und diese Weite und Breite bunter Einzelheiten zu sicherster Einheit und klarstem Fürsichsein ungehindert zusammenfaßt.

 

2. Besondere architektonische Gestaltungsweise

Gehen wir nun zu den besonderen Formen über, in welchen die romantische Baukunst ihren spezifischen Charakter ausbildet, so haben wir hier, wie schon oben ist berührt worden,
nur von der eigentlich gotischen Architektur und hauptsächlich von dem christlichen Kirchenbau im Unterschiede vom griechischen Tempel zu sprechen.

a. Das ganz geschlossene Haus als Grundform

Als Hauptform liegt hier das ganz geschlossene Haus zugrunde.

α) Wie nämlich der christliche Geist sich in die Innerlichkeit zusammenzieht,
so wird das Gebäude der in sich allseitig begrenzte Ort für die Versammlung der christlichen Gemeinde und deren innere Sammlung.
Es ist die Sammlung des Gemüts in sich, welche sich räumlich abschließt.
Die Andacht des christlichen Herzens aber ist ebensosehr zugleich eine Erhebung über das Endliche, so daß nun diese Erhebung den Charakter des Gotteshauses bestimmt.
Die Baukunst gewinnt dadurch die Erhebung in das Unendliche zu ihrer von der bloßen Zweckmäßigkeit unabhängigen Bedeutung, welche sie durch räumliche architektonische Formen auszudrücken sich getrieben findet.
Der Eindruck, welchen deshalb die Kunst jetzt hervorzubringen hat, ist im Unterschiede der heiteren Offenheit griechischer Tempel einerseits der Eindruck dieser Stille des Gemüts, das, losgelöst von der äußeren Natur und Weltlichkeit überhaupt, sich in sich zusammenschließt, andererseits der Eindruck einer feierlichen Erhabenheit, die über das verständig Begrenzte hinausstrebt und hinwegragt.
Wenn daher die Bauten der klassischen Architektur im ganzen sich breit hinlagern, so besteht der entgegengesetzte romantische Charakter christlicher Kirchen in dem Herauswachsen aus dem Boden und Emporsteigen in die Höhe.

β) Bei diesem Vergessen der äußeren Natur und der zerstreuenden Betriebsamkeiten und Interessen der Endlichkeit, das durch die Abschließung bewirkt werden soll,
fallen nun ferner die offenen Vorhallen, Säulengänge usw., die mit der Welt zusammenhängen, notwendig fort und erhalten statt dessen in ganz veränderter Weise ihre Stelle im Innern der Gebäude.
Ebenso wird das Licht der Sonne abgehalten oder schimmert nur getrübter durch die Glasmalereien der Fenster, welche um der vollständigen Abscheidung vom Äußeren willen notwendig sind.
Was der Mensch hier bedarf, ist nicht durch die äußere Natur gegeben,
sondern eine durch ihn und für ihn allein, für seine Andacht und die Beschäftigung des Inneren gemachte Welt.

γ) Als den durchgreifenden Typus aber, den das Gotteshaus im allgemeinen und seinen besonderen Teilen nach annimmt, können wir das freie Emporsteigen und Auslaufen in Spitzen, seien dieselben durch Bogen oder gerade Linien gebildet, feststellen.
Die klassische Architektur, in welcher die Säulen oder Pfosten mit übergelegten Balken die Grundform abgeben, macht die Rechtwinkligkeit und damit das Tragen zur Hauptsache.
Denn die im rechten Winkel ruhende Überlage zeigt bestimmt an, daß sie getragen werde.
Und wenn nun auch die Balken selbst wieder die Bedachung tragen, so neigen sich doch die Flächen derselben in einem stumpfen Winkel zueinander.
Von einem eigentlichen Sichzuspitzen und Emporsteigen ist hier nicht zu sprechen,
sondern von Ruhen und Tragen. Ebenso ruht auch ein Rundbogen, der in einer fortgesetzten, gleichmäßig gekrümmten Linie von einer Säule zur anderen geht und aus ein und demselben Mittelpunkte beschrieben wird, auf seinen tragenden Unterlagen.
In der romantischen Baukunst aber gibt das Tragen als solches und damit die Rechtwinkligkeit nicht mehr die Grundform ab, sondern hebt sich im Gegenteil dadurch auf,
daß die Umschließungen im Inneren und Äußeren für sich emporschießen und ohne den festen, ausdrücklichen Unterschied des Lastens und Tragens in eine Spitze zusammengehen.
Dies überwiegend freie Aufstreben und gipfelnde Zueinanderneigen macht hier die wesentliche Bestimmung aus, durch welche teils spitzwinklige Dreiecke mit schmalerer oder breiterer Basis,
teils Spitzbogen entstehen, die am auffallendsten den Charakter der gotischen Bauart bezeichnen.

 

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>b. Die Gestalt des Inneren und Äußeren

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