b. Die römische Konstruktion der Bogenwölbung
Als eine Mittelform nun zweitens zwischen der griechischen und christlichen Baukunst kann man die römische ansehen, insofern in ihr hauptsächlich die Anwendung von Bogen und Wölbungen beginnt.
Die Zeit, in welcher die Bogenkonstruktion zuerst ist erfunden worden, läßt sich mit Bestimmtheit nicht angeben; doch scheint es gewiß zu sein, daß weder die Ägypter, wie weit sie es auch in der Kunst des Bauens gebracht haben, den Kreisbogen und das Überwölben kannten noch auch die Babylonier, Israeliten und Phönizier. Die Denkmäler ägyptischer Architektur wenigstens zeigen nur, daß die Ägypter, wenn es darauf ankam, im Innern der Gebäude Decken tragen zu lassen, nichts als massenhafte Säulen aufzuwenden wußten, auf welche sodann Steinplatten als Balken waagerecht gelegt wurden. Sollten aber breite Eingänge oder Brückenbogen zugewölbt werden, so verstanden sie keine andere Aushilfe, als von beiden Seiten einen Stein hervorragen zu lassen, der wieder einen vorgerückteren trug, so daß sich nach oben hin die Seitenwände mehr und mehr verengten, bis es endlich nur noch eines Steines bedurfte, um die letzte Öffnung zu schließen. Wo sie sich dieses Auskunftsmittels nicht bedienten, überdeckten sie die Räume mit großen Steinen, welche sie sparrenähnlich gegeneinanderrichteten.
Bei den Griechen finden sich wohl Monumente, in welchen die Bogenkonstruktion schon angewendet ist, doch selten; und Hirt, der über die Baukunst und Geschichte der Baukunst bei den Alten das Bedeutendste geschrieben hat, gibt an, daß unter diesen Denkmälern keines sei, welches man als vor dem Zeitalter des Perikles erbaut mit Sicherheit annehmen könnte. In der griechischen Architektur nämlich ist die Säule und das waagerecht aufliegende Gebälk das Charakteristische und Ausgebildete, so daß hier die Säule außerhalb ihrer eigentlichen Bedeutung, Balken zu tragen, wenig gebraucht wird. Der über zwei Pfeiler oder Säulen hingewölbte Kreisbogen aber und das Kuppenförmige enthält bereits etwas Weiteres, indem die Säule schon anfängt, die Bestimmung des bloßen Tragens zu verlassen. Denn der Kreisbogen in seinem Aufsteigen, seiner Krümmung und Senkung bezieht sich auf einen Mittelpunkt, der nichts mit der Säule und deren Tragen zu tun hat. Die verschiedenen Teile des Kreises tragen sich gegenseitig, stützen und setzen sich fort, so daß sie sich der Hilfe der Säule weit mehr als ein aufgelegter Balken entziehen.
In der römischen Architektur nun ist, wie gesagt, die Bogenkonstruktion und das Wölben sehr gewöhnlich, ja es gibt einige Überreste, welche man, wenn den späteren Zeugnissen vollkommen Glauben zu schenken wäre, schon in die Zeit der römischen Könige setzen müßte. Von dieser Art sind die Katakomben, Kloaken, die Wölbungen hatten, doch wohl als Werke einer späteren Restauration angesehen werden müssen.
Die Erfindung des Wölbens schreibt man am wahrscheinlichsten dem Demokritos (Seneca, Epistolae, 9056) ) zu, der sich auch vielfach mit mathematischen Gegenständen beschäftigte und für den Erfinder des Steinschnitts gehalten wird.
Als eins der vornehmlichsten Gebäude der römischen Baukunst, in welchem die Kreisform als Haupttypus erscheint, ist das dem Jupiter Ultor geweihte Pantheon des Agrippa anzuführen, das außer der Statue des Jupiter noch in sechs anderen Nischen kolossale Götterbilder enthalten sollte: Mars, Venus und den vergötterten Julius Cäsar sowie drei andere, die sich nicht genau bestimmen lassen. Zu jeder Seite dieser Nischen standen je zwei korinthische Säulen, und über das Ganze hin wölbte sich die majestätische Decke in Form einer Halbkugel, als Nachbildung des Himmelsgewölbes. In Rücksicht auf das Technische ist zu bemerken, daß diese Decke nicht aus Stein gewölbt ist. Die Römer nämlich machten bei den meisten ihrer Gewölbe erst eine Holzkonstruktion in Form der Wölbung, die sie bauen wollten, und darüber hin gossen sie nun eine Mischung von Kalk und Puzzolanmörtel, der aus Bruchsteinen einer leichten Tuffart und aus geschlagenen Ziegelstücken bestand. Wenn diese Mischung getrocknet war, bildete das Ganze eine Masse, so daß die Holzrüstung konnte fortgenommen werden und das Gewölbe, bei der Leichtigkeit des Materials und der Festigkeit des Zusammenhangs, auf die Wände nur einen geringen Druck ausübte.
56) Briefe an Lucilius, Brief 90, 32 f.
c. Allgemeiner Charakter der römischen Architektur
Die Baukunst der Römer hatte nun, abgesehen von dieser neuen Bogenkonstruktion, überhaupt eine ganz andere Ausdehnung und einen anderen Charakter als die griechische. Die Griechen zeichneten sich bei durchgängiger Zweckmäßigkeit dennoch durch künstlerische Vollendung in dem Adel, der Einfachheit sowie in der leichten Zierlichkeit ihrer Zieraten aus; die Römer dagegen sind künstlich zwar im Mechanischen, doch reicher, prunkender und von geringerem Adel und Anmutigkeit. Außerdem tritt für ihre Architektur eine Mannigfaltigkeit von Zwecken ein, welche die Griechen nicht kannten. Denn wie ich schon anfangs sagte, verwendeten die Griechen die Pracht und Schönheit der Kunst nur für das Öffentliche; ihre Privatwohnungen blieben unbedeutend. Bei den Römern aber vermehrt sich nicht nur der Kreis der öffentlichen Bauten, deren Zweckmäßigkeit der Konstruktion sich mit grandioser Pracht in Theatern, Räumen zu Tiergefechten und anderen Lustbarkeiten verband, sondern die Architektur nimmt auch eine Richtung gegen die Privatseite hin. Besonders nach den bürgerlichen Kriegen wurden Villen, Bäder, Gänge, Treppen usw. mit dem höchsten Luxus einer großartigen Verschwendung gebaut und dadurch ein neues Gebiet für die Baukunst eröffnet, das auch die Gartenkunst in sich hineinzog und in sehr geistreicher und geschmackvoller Weise vervollkommnet ward. Die Villa des Lucullus ist hierfür ein glänzendes Beispiel.
Dieser Typus der römischen Architektur hat vielfach den späteren Italienern und Franzosen zum Vorbilde gedient. Bei uns ist man lange teils den Italienern, teils den Franzosen gefolgt, bis man sich endlich den Griechen wieder zugewendet und sich die Antike in ihrer reineren Form zum Muster genommen hat.
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