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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

   Inhalt - Übersicht       

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<<<Die Arten der eigentlichen Lyrik           [Die Ode]

β) Auf einem zweiten Standpunkte stehen diejenigen Arten der lyrischen Poesie, welche sich durch den allgemeinen Namen Ode, im neueren Sinne des Worts, bezeichnen lassen. Hier tritt im Unterschiede der vorigen Stufe sogleich die für sich herausgehobene Subjektivität des Dichters als eine Hauptseite an die Spitze und kann sich gleichfalls in zwiefacher Beziehung geltend machen.

αα) Einerseits nämlich erwählt sich der Dichter auch innerhalb dieser neuen Form und Äußerungsweise wie bisher einen in sich selbst gewichtigen Inhalt, den Ruhm und Preis der Götter, Helden, Fürsten, Liebe, Schönheit, Kunst, Freundschaft usf., und zeigt sein Inneres von diesem Gehalt und dessen konkreter Wirklichkeit so durchdrungen, erfüllt und hingerissen, daß es scheint, als habe der Gegenstand sich in diesem Schwunge der Begeisterung der ganzen Seele bemächtigt und walte in ihr als die einzig bestimmende Macht. Wäre dies nun vollständig der Fall, so könnte die Sache sich für sich objektiv zu einem epischen Skulpturbilde plastisch ausgestalten, bewegen und abschließen. Umgekehrt aber ist es gerade seine eigene Subjektivität und deren Größe, welche der Dichter für sich auszusprechen uns objektiv zu machen hat, so daß er sich nun seinerseits des Gegenstandes bemächtigt, ihn innerlich verarbeitet, sich selbst in ihm zur Äußerung bringt und deshalb in freier Selbständigkeit den objektiven Entwicklungsgang durch seine eigene Empfindung oder Reflexion unterbricht, subjektiv beleuchtet, verändert und somit nicht die Sache, sondern die von ihr erfüllte subjektive Begeisterung zum Meister werden läßt.
Hiermit haben wir jedoch zwei verschiedene, ja entgegengesetzte Seiten: die hinreißende Macht des Inhalts und die subjektive poetische Freiheit, welche im Kampf mit dem Gegenstande, der sie bewältigen will, hervorbricht. Der Drang nun dieses Gegensatzes vornehmlich ist es, welcher den Schwung und die Kühnheit der Sprache und Bilder, das scheinbar Regellose des inneren Baues und Verlaufs, die Abschweifungen, Lücken, plötzlichen Übergänge usf. notwendig macht und die innere poetische Höhe des Dichters durch die Meisterschaft bewährt, mit welcher er in künstlerischer Vollendung diesen Zwiespalt zu lösen und ein in sich selber einheitsvolles Ganzes zu produzieren mächtig bleibt, das ihn, als sein Werk, über die Größe seines Gegenstandes hinaushebt.

Aus dieser Art lyrischer Begeisterung sind viele der Pindarischen Oden hervorgegangen, deren siegende innere Herrlichkeit sich dann ebenso in dem vielfach bewegten und doch zu festem Maß geregelten Rhythmus kundgibt. Horaz dagegen ist besonders da, wo er sich am meisten erheben will, sehr kühl und nüchtern und von einer nachahmenden Künstlichkeit, welche die mehr nur verständige Feinheit der Komposition vergebens zu verdecken sucht. Auch Klopstocks Begeisterung bleibt nicht jedesmal echt, sondern wird häufig zu etwas Gemachtem, obschon manche seiner Oden voll wahrer und wirklicher Empfindung und von einer hinreißenden männlichen Würde und Kraft des Ausdrucks sind.

ββ) Andererseits aber braucht der Inhalt nicht schlechthin gehaltvoll und wichtig zu sein, sondern der Dichter zweitens wird sich selbst in seiner Individualität von solcher Wichtigkeit, daß er nun auch unbedeutenderen Gegenständen, weil er sie zum Inhalte seines Dichtens macht, Würde, Adel oder doch wenigstens überhaupt ein höheres Interesse verleiht. Von dieser Art ist vieles in Horazens Oden, und auch Klopstock und andere haben sich auf diesen Standpunkt gestellt. Hier ist es dann nicht das Bedeutende des Gehalts, womit der Dichter kämpft, sondern er hebt im Gegenteil das für sich Bedeutungslose in äußeren Anlässen, kleinen Vorfällen usf. zu der Höhe hinauf, auf welcher er selbst sich empfindet und vorstellt.

γ) Die ganze unendliche Mannigfaltigkeit der lyrischen Stimmung und Reflexion breitet sich endlich auf der Stufe des Liedes auseinander, in welchem deshalb auch die Besonderheit der Nationalität und dichterischen Eigentümlichkeit am vollständigsten zum Vorschein kommt. Das Allerverschiedenartigste kann hierunter begriffen werden, und eine genaue Klassifikation wird höchst schwierig. Im allgemeinsten lassen sich etwa folgende Unterschiede sondern.

αα) Erstens das eigentliche Lied, das zum Singen oder auch nur zum Trällern für sich und in Gesellschaft bestimmt ist. Da braucht's nicht viel Inhalt, innere Größe und Hoheit; im Gegenteil, Würde, Adel, Gedankenschwere würden der Lust, sich unmittelbar zu äußern, nur hinderlich werden. Großartige Reflexionen, tiefe Gedanken, erhabene Empfindungen nötigen das Subjekt, aus seiner unmittelbaren Individualität und deren Interesse und Seelenstimmung schlechthin herauszutreten.
Diese Unmittelbarkeit der Freude und des Schmerzes, das Partikuläre in ungehemmter Innigkeit soll aber gerade im Liede seinen Ausdruck finden. In seinen Liedern ist sich jedes Volk daher auch am meisten heimisch und behaglich.

Wie grenzenlos sich nun dies Gebiet in seinem Umfange des Inhalts und seiner Verschiedenheit des Tones ausdehnt, so unterscheidet sich doch jedes Lied von den bisherigen Arten sogleich durch seine Einfachheit in Ansehung des Stoffs, Ganges, Metrums, der Sprache, Bilder usf. Es fängt von sich im Gemüte an und geht nun nicht etwa in begeisterndem Fluge von einem Gegenstande zum andern fort, sondern haftet überhaupt beschlossener in ein und demselben Inhalte fest, sei derselbe nun eine einzelne Situation oder irgendeine bestimmte Äußerung der Lust oder Traurigkeit, deren Stimmung und Anschauungen uns durchs Herz ziehen. In dieser Empfindung oder Situation bleibt das Lied ohne Ungleichheit des Fluges und Affekts, ohne Kühnheit der Wendungen und Übergänge ruhig und einfach stehen und bildet nur dieses Eine in leichtem Flusse der Vorstellung bald abgebrochener und konzentrierter, bald ausgebreiteter und folgerechter sowie in sangbaren Rhythmen und leicht faßlichen, ohne mannigfaltige Verschlingung wiederkehrenden Reimen zu einem Ganzen aus.
Weil es nun aber meist das an und für sich Flüchtigere zu seinem Inhalte hat, muß man nicht etwa meinen, daß eine Nation hundert und tausend Jahre hindurch die nämlichen Lieder singen müßte.
Ein irgend sich weiterentwickelndes Volk ist nicht so arm und dürftig, daß es nur einmal Liederdichter unter sich hätte; gerade die Liederpoesie stirbt, im Unterschiede der Epopöe, nicht aus, sondern erweckt sich immer von frischem. Dies Blumenfeld erneuert sich in jeder Jahreszeit, und nur bei gedrückten, von jedem Vorschreiten abgeschnittenen Völkern, die nicht zu der immer neubelebten Freudigkeit des Dichtens kommen, erhalten sich die alten und ältesten Lieder. Das einzelne Lied wie die einzelne Stimmung entsteht und vergeht, regt an, erfreut und wird vergessen.
Wer kennt und singt z. B. noch die Lieder, welche vor fünfzig Jahren allgemein bekannt und beliebt waren. Jede Zeit schlägt ihren neuen Liederton an, und der frühere klingt ab, bis er gänzlich verstummt.
Dennoch aber muß jedes Lied nicht sowohl eine Darstellung der Persönlichkeit des Sängers als solchen als eine Gemeingültigkeit haben, welche vielfach anspricht, gefällt, die gleiche Empfindung anregt und so nun auch von Munde zu Munde geht. Lieder, die nicht allgemein in ihrer Zeit gesungen werden, sind selten echter Art.

Als den wesentlichen Unterschied nun in der Ausdrucksweise des Liedes will ich nur zwei Hauptseiten herausheben, welche ich schon früher berührt habe. Einesteils nämlich kann der Dichter sein Inneres und dessen Bewegungen ganz offen und ausgelassen aussprechen, besonders die freudigen Empfindungen und Zustände, so daß er alles, was in ihm vorgeht, vollständig mitteilt; anderenteils aber kann er im entgegengesetzten Extrem gleichsam nur durch sein Verstummen ahnen lassen, was in seinem unaufgeschlossenen Gemüte sich zusammendrängt.
Die erste Art des Ausdrucks gehört hauptsächlich dem Orient und besonders der sorglosen Heiterkeit und begierdefreien Expansion der mohammedanischen Poesie an, deren glänzende Anschauung sich in sinniger Breite und witzigen Verknüpfungen herüber und hinüber zu wenden liebt.
Die zweite dagegen sagt mehr der nordisch in sich konzentrierten Innerlichkeit des Gemüts zu, das in gedrungener Stille oft nur nach ganz äußerlichen Gegenständen zu greifen und in ihnen anzudeuten vermag, daß das in sich gepreßte Herz sich nicht aussprechen und Luft machen könne, sondern wie das Kind, mit dem der Vater im "Erlkönig" durch Nacht und Wind reitet, in sich verglimmt und erstickt.
Dieser Unterschied, der auch sonst schon im Lyrischen sich in allgemeiner Weise als Volks- und Kunstpoesie, Gemüt und umfassendere Reflexion geltend macht, kehrt auch hier innerhalb des Liedes mit vielfachen Nuancen und Mittelstufen wieder.

Was nun endlich einzelne Arten betrifft, die sich hierher zählen lassen, so will ich nur folgende erwähnen.

Erstlich Volkslieder, welche ihrer Unmittelbarkeit wegen hauptsächlich auf dem Standpunkte des Liedes stehenbleiben und meist sangbar sind, ja des begleitenden Gesanges bedürfen. Sie erhalten teils die nationalen Taten und Begebnisse, in welchen das Volk sein eigenstes Leben empfindet, in der Erinnerung wach, teils sprechen sie die Empfindungen und Situationen der verschiedenen Stände, das Mitleben mit der Natur und den nächsten menschlichen Verhältnissen unmittelbar aus und stimmen die verschiedenartigsten Töne der Lustigkeit oder Trauer und Wehmut an.
- Ihnen gegenüber zweitens stehen die Lieder einer schon in sich vielfach bereicherten Bildung, welche sich zu geselliger Erheiterung an den mannigfaltigsten Scherzen, anmutigen Wendungen, kleinen Vorfällen und sonstigen galanten Einkleidungen ergötzt oder empfindsamer sich an die Natur und an Situationen des engeren menschlichen Lebens wendet und diese Gegenstände sowie die Gefühle dabei und darüber beschreibt, indem der Dichter in sich zurückgeht und sich an seiner eigenen Subjektivität und deren Herzensregungen weidet. Bleiben dergleichen Lieder bei der bloßen Beschreibung, besonders von Naturgegenständen, stehen, so werden sie leicht trivial und zeugen von keiner schöpferischen Phantasie.
Auch mit dem Beschreiben der Empfindungen über etwas geht es häufig nicht besser.
Vor allem muß der Dichter bei solcher Schilderung der Gegenstände und Empfindungen nicht mehr in der Befangenheit der unmittelbaren Wünsche und Begierden stehen, sondern in theoretischer Freiheit sich schon ebensosehr darüber erhoben haben, so daß es ihm nur auf die Befriedigung ankommt, welche die Phantasie als solche gibt.
Diese unbekümmerte Freiheit, diese Ausweitung des Herzens und Befriedigung im Elemente der Vorstellung gibt z. B. vielen der Anakreontischen Lieder sowie den Gedichten des Hafis und dem Goetheschen West-östlichen Divan den schönsten Reiz geistiger Freiheit und Poesie.
- Drittens nun aber ist auch auf dieser Stufe ein höherer allgemeiner Inhalt nicht etwa ausgeschlossen.
Die meisten protestantischen Gesänge für kirchliche Erbauung z. B. gehören zur Klasse der Lieder.
Sie drücken die Sehnsucht nach Gott, die Bitte um seine Gnade, die Reue, Hoffnung, Zuversicht, den Zweifel, Glauben usf. des protestantischen Herzens zwar als Angelegenheit und Situation des einzelnen Gemüts aus, aber auf allgemeine Weise, in welcher diese Empfindungen und Zustände zugleich mehr oder weniger Angelegenheit eines jeden sein können oder sollen.

ββ) Zu einer zweiten Gruppe dieser umfassenden Stufe lassen sich die Sonette, Sestinen, Elegien, Episteln usf. rechnen. Diese Arten treten aus dem bisher betrachteten Kreise des Liedes schon heraus.
Die Unmittelbarkeit des Empfindens und Äußerns nämlich hebt sich hier zur Vermittlung der Reflexion und vielseitig umherblickenden, das Einzelne der Anschauung und Herzenserfahrung unter allgemeinere Gesichtspunkte zusammenfassenden Betrachtung auf; Kenntnis, Gelehrsamkeit, Bildung überhaupt darf sich geltend machen, und wenn auch in allen diesen Beziehungen die Subjektivität, welche das Besondere und Allgemeine in sich verknüpft und vermittelt, das Herrschende und Hervorstechende bleibt, so ist doch der Standpunkt, auf den sie sich stellt, allgemeiner und erweiterter als im eigentlichen Liede.
Besonders die Italiener z. B. haben in ihren Sonetten und Sestinen ein glänzendes Beispiel einer feinsinnig reflektierenden Empfindung gegeben, die in einer Situation nicht bloß die Stimmungen der Sehnsucht, des Schmerzes, Verlangens usf. oder die Anschauungen von äußeren Gegenständen mit inniger Konzentration unmittelbar ausdrückt, sondern sich vielfach herumwindet, mit Besonnenheit weit in Mythologie, Geschichte, Vergangenheit und Gegenwart umherblickt und doch immer in sich wiederkehrt und sich beschränkt und zusammenhält. Dieser Art der Bildung ist weder die Einfachheit des Liedes vergönnt noch die Erhebung der Ode gestattet, wodurch denn einerseits die Sangbarkeit fortfällt, andererseits aber als Gegenteil des begleitenden Singens die Sprache selbst in ihrem Klingen und künstlichen Reimen zu einer tönenden Melodie des Wortes wird. Die Elegie dagegen kann in Silbenmaß, Reflexionen, Aussprüchen und beschreibender Darstellung der Empfindungen epischer gehalten sein.

γγ) Die dritte Stufe in dieser Sphäre wird durch eine Behandlungsweise ausgefüllt, deren Charakter neuerdings unter uns Deutschen am schärfsten in Schiller hervorgetreten ist. Die meisten seiner lyrischen Gedichte, wie die "Resignation",

"Die Ideale", "Das Reich der Schatten", "Die Künstler", "Das Ideal und das Leben", sind ebensowenig eigentliche Lieder als Oden oder Hymnen, Episteln, Sonette oder Elegien im antiken Sinne; sie nehmen im Gegenteil einen von allen diesen Arten verschiedenen Standpunkt ein. Was sie auszeichnet, ist besonders der großartige Grundgedanke ihres Inhalts, von welchem der Dichter jedoch weder dithyrambisch fortgerissen erscheint noch im Drange der Begeisterung mit der Größe seines Gegenstandes kämpft, sondern desselben vollkommen Meister bleibt und ihn mit eigener poetischer Reflexion, in ebenso schwungreicher Empfindung als umfassender Weite der Betrachtung mit hinreißender Gewalt in den prächtigsten, volltönendsten Worten und Bildern, doch meist ganz einfachen, aber schlagenden Rhythmen und Reimen nach allen Seiten hin vollständig expliziert. Diese großen Gedanken und gründlichen Interessen, denen sein ganzes Leben geweiht war, erscheinen deshalb als das innerste Eigentum seines Geistes; aber er singt nicht still in sich oder in geselligem Kreise wie Goethes liederreicher Mund, sondern wie ein Sänger, der einen für sich selbst würdigen Gehalt einer Versammlung der Hervorragendsten und Besten vorträgt.
So tönen seine Lieder, wie er selbst von seiner Glocke sagt:

Hoch überm niedern Erdenleben
Soll sie in blauem Himmelszelt,
Die Nachbarin des Donners, schweben
Und grenzen an die Sternenwelt,
Soll eine Stimme sein von oben
Wie der Gestirne helle Schar,
Die ihren Schöpfer wandelnd loben
Und führen das bekränzte Jahr.
Nur ewigen und ernsten Dingen
Sei ihr metallner Mund geweiht,
Und stündlich mit den schnellen Schwingen
Berühr im Fluge sie die Zeit.

 

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