b. Das Sprichwort
Eine Mittelstufe nun dieses Kreises bildet das Sprichwort. Ausgeführt nämlich lassen sich Sprichwörter bald zu Fabeln, bald zu Apologen umwandeln. Sie geben einen einzelnen Fall größtenteils aus der Alltäglichkeit des Menschlichen, der dann aber in allgemeiner Bedeutung zu nehmen ist. Zum Beispiel: "Eine Hand wäscht die andere", oder "Jeder kehre vor seiner Tür", "Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein", "Brätst du mir eine Wurst, so lösch ich dir den Durst" usf. Hierher gehören auch die Sinnsprüche, deren wiederum Goethe in neuerer Zeit eine Menge von unendlicher Anmut und oft voll großer Tiefe gemacht hat.
Es sind dies keine Vergleichungen in der Weise, daß die allgemeine Bedeutung und die konkrete Erscheinung auseinander- und sich gegenübertreten, sondern unmittelbar ist mit dieser jene ausgedrückt.
c. Der Apolog
Der Apolog drittens kann für eine Parabel angesehen werden, welche den einzelnen Fall nicht nur gleichnisweise zur Veranschaulichung einer allgemeinen Bedeutung gebraucht, sondern in dieser Einkleidung selbst den allgemeinen Satz herbeiführt und ausspricht, indem derselbe wirklich in dem einzelnen Falle enthalten ist, der jedoch nur als ein einzelnes Beispiel erzählt wird. In diesem Sinne genommen, ist Goethes "Der Gott und die Bajadere" ein Apolog zu nennen. Wir finden hier die christliche Geschichte der büßenden Magdalena in indische Vorstellungsweisen eingekleidet: die Bajadere zeigt dieselbe Demut, die gleiche Stärke des Liebens und Glaubens, der Gott stellt sie auf die Probe, die sie vollständig besteht, so daß es nun zur Erhebung und Versöhnung kommt. - In dem Apolog wird die Erzählung so weitergeleitet, daß ihr Ausgang die Lehre selber ohne bloße Vergleichung gibt, wie z. B. im "Schatzgräber":
Tages Arbeit, abends Gäste, Saure Wochen, frohe Feste Sei dein künftig Zauberwort.
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