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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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C. Mangelhaftigkeit des Naturschönen

Unser eigentlicher Gegenstand ist die Kunstschönheit als die der Idee des Schönen allein gemäße Realität. Bisher galt das Naturschöne als die erste Existenz des Schönen, und es fragt sich deshalb jetzt, worin denn das Naturschöne vom Kunstschönen sich unterscheide.

Man kann abstrakt sagen, das Ideal sei das in sich vollkommene Schöne und die Natur dagegen das unvollkommene.
Mit solchen leeren Prädikaten jedoch ist nichts getan, denn es handelt sich gerade um eine bestimmte Angabe dessen, was diese Vollkommenheit des Kunstschönen und die Unvollkommenheit des nur Natürlichen ausmacht.
Wir müssen deshalb unsere Frage so stellen: warum ist die Natur notwendig unvollkommen in ihrer Schönheit, und woran tritt diese Unvollkommenheit heraus?
Erst dann wird sich uns die Notwendigkeit und das Wesen des Ideals näher ergeben.

Indem wir bisher bis zur tierischen Lebendigkeit emporgestiegen sind und gesehen haben,
wie die Schönheit hier sich kann dartun, so ist das Nächste, was vorliegt, daß wir dies Moment der Subjektivität und Individualität am Lebendigen bestimmter ins Auge fassen.

Wir sprachen vom Schönen als Idee in gleichem Sinne, als man von dem Guten und Wahren als Idee spricht, in dem Sinne nämlich,
daß die Idee das schlechthin Substantielle und Allgemeine, die absolute - nicht etwa sinnliche - Materie, der Bestand der Welt sei.
Bestimmter gefaßt ist aber, wie wir bereits sahen, die Idee nicht nur Substanz und Allgemeinheit, sondern gerade die Einheit des Begriffs und seiner Realität, der innerhalb seiner Objektivität als Begriff hergestellte Begriff. Platon war es, welcher, wie schon in der Einleitung berührt ist, die Idee als das allein Wahre und Allgemeine hervorhob, und zwar als das in sich konkret Allgemeine.
Die Platonische Idee jedoch ist selber noch nicht das wahrhaft Konkrete, denn in ihrem
Begriffe und ihrer Allgemeinheit aufgefaßt, gilt sie schon für das Wahrhaftige.
In dieser Allgemeinheit genommen, ist sie jedoch noch nicht
verwirklicht und das in ihrer Wirklichkeit für sich selbst Wahre. Sie bleibt beim bloßen Ansich stehen.
Wie aber der Begriff nicht ohne seine Objektivität wahrhaft Begriff ist, so ist auch die Idee nicht ohne ihre Wirklichkeit und außerhalb derselben wahrhaft Idee.
Die Idee muß deshalb zur Wirklichkeit fortgehen und erhält dieselbe nur erst durch die an sich selbst begriffsgemäße wirkliche Subjektivität und deren ideelles Fürsichsein.
So ist die Gattung z. B. nur erst als freies konkretes Individuum wirklich; das
Leben existiert nur als einzelnes Lebendiges, das Gute wird von den einzelnen Menschen verwirklicht, und alle Wahrheit ist nur als wissendes Bewußtsein, als für sich seiender Geist.
Denn nur die konkrete Einzelheit ist wahrhaft und wirklich, die abstrakte Allgemeinheit und Besonderheit nicht.
Dieses Fürsichsein, diese Subjektivität ist der Punkt, den wir deshalb wesentlich festzuhalten haben. Die Subjektivität nun aber liegt in der negativen Einheit, durch welche sich die Unterschiede in ihrem realen Bestehen zugleich als ideell gesetzt erweisen.
Die Einheit der Idee und ihrer Wirklichkeit deshalb ist die
negative Einheit der Idee als solcher und ihrer Realität, als Setzen und Aufheben des Unterschiedes beider Seiten. Nur in dieser Tätigkeit ist sie affirmativ fürsichseiende, sich auf sich beziehende unendliche Einheit und Subjektivität.
Wir haben daher auch die Idee des Schönen in ihrem wirklichen Dasein wesentlich als konkrete Subjektivität und somit Einzelheit aufzufassen, indem sie nur als wirklich Idee ist und ihre Wirklichkeit in der konkreten Einzelheit hat.

Hier ist nun sogleich eine gedoppelte Form der Einzelheit zu unterscheiden, die unmittelbare natürliche und die geistige.
In beiden Formen gibt die Idee sich Dasein, und so ist in beiden der substantielle Inhalt, die Idee und in unserem Gebiet die Idee als Schönheit, dasselbe.
In dieser Beziehung steht zu behaupten,
das Schöne der Natur habe mit dem Ideal den
gleichen Inhalt.
Auf der entgegengesetzten Seite aber bringe die angegebene Zwiefachheit der Form, in welcher die Idee Wirklichkeit erlangt, der Unterschied der natürlichen und geistigen Einzelheit, in den Inhalt selbst, der in der einen oder anderen Form erscheint, einen
wesentlichen Unterschied herein.
Denn es fragt sich, welche Form die der Idee wahrhaft entsprechende ist, und nur in der ihr wahrhaft gemäßen Form expliziert die Idee die
ganze wahrhafte Totalität ihres Inhalts.

Dies ist der nähere Punkt, den wir jetzt zu betrachten haben, insofern in diesen Formunterschied der Einzelheit auch der Unterschied des Naturschönen und des Ideals fällt.

Was zunächst die unmittelbare Einzelheit angeht, so gehört sie sowohl dem Natürlichen als solchem als auch dem Geiste an, da der Geist erstens seine äußere Existenz im Körper hat und zweitens auch in geistigen Beziehungen zunächst nur eine Existenz in der unmittelbaren Wirklichkeit gewinnt.
Wir können deshalb die unmittelbare Einzelheit hier in
dreifacher Rücksicht betrachten.

1. Das Innere im Unmittelbaren als nur Inneres

a) Wir sahen bereits, der tierische Organismus erhalte sein Fürsichsein nur durch steten Prozeß in sich selbst und gegen eine ihm unorganische Natur, welche er verzehrt, verdaut, sich assimiliert,
das Äußere in Inneres verwandelt und dadurch erst sein Insichsein wirklich macht.
Zugleich fanden wir, daß dieser stete Prozeß des Lebens ein System von Tätigkeiten sei, welches sich zu einem System von Organen verwirklicht, in denen jene Tätigkeiten vor sich gehen.
Dies in sich beschlossene System hat zu seinem einzigen Zwecke die Selbsterhaltung des Lebendigen durch diesen Prozeß, und das tierische Leben besteht deshalb nur in einem Leben der Begierde, deren Verlauf und Befriedigung sich an dem erwähnten Systeme der Organe realisiert.
Das Lebendige in dieser Weise ist nach der Zweckmäßigkeit gegliedert; alle Glieder dienen nur als Mittel für den einen Zweck der Selbsterhaltung.
Das Leben ist ihnen immanent; sie sind an das Leben, das Leben an sie gebunden.
Das Resultat nun jenes Prozesses ist das Tier als Sichempfindendes, Beseeltes,
wodurch es den Selbstgenuß seiner als Einzelnen erhält. Vergleichen wir in dieser Beziehung das Tier mit der Pflanze, so ist schon angedeutet, daß der Pflanze eben das Selbstgefühl und die Seelenhaftigkeit abgeht, indem sie nur immer neue Individuen an sich selber produziert, ohne sie zu dem negativen Punkt zu konzentrieren, welcher das einzelne Selbst ausmacht.
Was wir nun aber vom tierischen Organismus in seiner Lebendigkeit vor uns sehen, ist nicht dieser
Einheitspunkt des Lebens, sondern nur die Mannigfaltigkeit der Organe; das Lebendige hat noch die Unfreiheit, sich nicht als einzelnes punktuelles Subjekt gegen das Ausgelassensein in die äußere Realität seiner Glieder zur Erscheinung bringen zu können.
Der eigentliche Sitz der Tätigkeiten des organischen Lebens bleibt uns verhüllt, wir sehen nur die äußeren Umrisse der Gestalt, und diese ist wieder durchweg mit Federn, Schuppen, Haaren, Pelz, Stacheln, Schalen überzogen.
Dergleichen Bedeckung gehört freilich dem Animalischen an, doch als animalische Produktionen in Form des Vegetabilischen.
Hierin liegt sogleich ein Hauptmangel der Schönheit im Tierisch-Lebendigen.
Was uns vom Organismus sichtbar wird, ist nicht die Seele; was sich nach außen kehrt und allenthalben erscheint, ist nicht das innere Leben, sondern es sind Formationen einer niedrigeren Stufe als die eigentliche Lebendigkeit.
Das Tier ist
nur in sich lebendig; d. h. das Insichsein wird nicht in der Form der Innerlichkeit selber real, und deshalb ist diese Lebendigkeit nicht überall zu erblicken.
Weil das Innere ein
nur Inneres bleibt, erscheint auch das Äußere nur als ein Äußeres und nicht an jedem Teil von der Seele völlig durchdrungen.

b) Der menschliche Körper dagegen steht in dieser Beziehung auf einer höheren Stufe,
indem sich an ihm durchgehend vergegenwärtigt, daß der Mensch ein beseeltes, empfindendes Eins ist. Die Haut ist nicht mit pflanzenhaft unlebendigen Hüllen verdeckt, das Pulsieren des Blutes scheint an der ganzen Oberfläche, das klopfende Herz der Lebendigkeit ist gleichsam allgegenwärtig und tritt auch in die äußere Erscheinung als eigentümliche Belebtheit, als
turgor vitae, als dieses schwellende Leben hinaus.
Ebenso erweist sich die Haut als durchweg empfindlich und zeigt die
morbidezza, die Fleisch- und Nervenfarbe des Teints, dies Kreuz für die Künstler. Wie sehr nun aber auch der menschliche Körper im Unterschiede des tierischen seine Lebendigkeit nach außen hin erscheinen läßt, so drückt sich an dieser Oberfläche dennoch ebensosehr die Bedürftigkeit der Natur in der Vereinzelung der Haut, in den Einschnitten, Runzeln, Poren, Härchen, Äderchen usw. aus.
Die Haut selbst, welche das innere Leben durch sich hindurchscheinen läßt, ist eine Bedeckung für die Selbsterhaltung nach außen, ein nur zweckmäßiges Mittel im Dienste natürlicher Bedürftigkeit.
Der ungeheure Vorzug jedoch, welcher der Erscheinung des menschlichen Körpers bleibt,
besteht in der Empfindlichkeit, die, wenn auch nicht durchweg wirkliches Empfinden,
doch wenigstens die Möglichkeit desselben überhaupt dartut. Zugleich aber tritt auch hier wieder der Mangel ein, daß dies Empfinden sich nicht als innerlich in sich konzentriertes zur Gegenwart in allen Gliedern herausarbeitet, sondern daß im Körper selbst ein Teil der Organe und deren Gestalt nur animalischen Funktionen gewidmet ist, während ein anderer näher den Ausdruck des Seelenlebens, der Empfindungen und Leidenschaften in sich aufnimmt.
Von dieser Seite scheint die Seele mit ihrem inneren Leben auch nicht durch die ganze Realität der leiblichen Gestalt hindurch.

c) Derselbe Mangel tut sich gleichfalls höher hinauf in der geistigen Welt und deren Organismen kund, wenn wir sie in ihrer unmittelbaren Lebendigkeit betrachten.
Je größer und reicher ihre Gebilde sind, desto mehr bedarf der
eine Zweck, der dies Ganze belebt und dessen innere Seele ausmacht, mithandelnder Mittel. In der unmittelbaren Wirklichkeit nun erweisen sich diese allerdings als zweckmäßige Organe, und was geschieht und hervorgebracht wird, kommt nur durch Vermittlung des Willens zustande; jeder Punkt in solchem Organismus, wie ein Staat, eine Familie, d. h. jedes einzelne Individuum will und zeigt sich auch wohl im Zusammenhange mit den übrigen Gliedern desselben Organismus, aber die eine innere Seele dieses Zusammenhangs, die Freiheit und Vernunft des einen Zwecks tritt nicht als diese eine freie und totale innere Beseelung in die Realität hinaus und macht sich nicht an jedem Teile offenbar.

Dasselbe findet bei besonderen Handlungen und Begebenheiten statt, die in ähnlicher Weise in sich ein organisches Ganzes sind. Das Innere, dem sie entspringen, steigt nicht überall bis an die Oberfläche und Außengestalt ihrer unmittelbaren Verwirklichung heraus. Was erscheint, ist nur eine reale Totalität, deren innerlichst zusammengefaßte Belebung aber als innere zurückbleibt.

Das einzelne Individuum endlich gibt uns in dieser Rücksicht denselben Anblick.
Das geistige Individuum ist eine Totalität in sich, zusammengehalten durch einen geistigen Mittelpunkt. In seiner unmittelbaren Wirklichkeit erscheint es in Leben, Tun, Lassen, Wünschen und Treiben nur fragmentarisch, und doch ist sein Charakter nur aus der ganzen Reihe seiner Handlungen, seines Leidens zu erkennen.
In dieser Reihe, welche seine Realität ausmacht, ist der konzentrierte Einheitspunkt nicht als zusammenfassendes Zentrum sichtbar und erfaßbar.

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