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c. Das Gleichnis
Von dieser letzteren Art der Bilder können wir unmittelbar zum Gleichnis fortgehen. Denn in ihr beginnt bereits, indem das Subjekt des Bildes genannt ist, das selbständige und bildlose Aussprechen der Bedeutung. Der Unterschied liegt jedoch darin, daß im Gleichnis alles dasjenige, was das Bild ausschließlich in bildlicher Form darstellt, auch in seiner Abstraktion als Bedeutung, welche dadurch neben ihr Bild tritt und mit demselben verglichen wird, für sich eine selbständige Ausdrucksweise erhalten kann. Metapher und Bild veranschaulichen die Bedeutungen, ohne sie auszusprechen, so daß nur der Zusammenhang, in welchem Metaphern und Bilder vorkommen, offen anzeigt, was eigentlich mit ihnen gesagt sein soll. Im Gleichnis dagegen sind beide Seiten, Bild und Bedeutung - wenn zwar mit geringerer oder größerer Ausführlichkeit bald des Bildes, bald der Bedeutung - vollständig geschieden, jede für sich hingestellt und dann erst in dieser Trennung aufeinander der Ähnlichkeiten ihres Inhalts wegen bezogen.
In dieser Beziehung kann man das Gleichnis teils eine bloß müßige Wiederholung nennen, insofern ein und derselbe Inhalt in doppelter, ja in dreifacher und vierfacher Form zur Darstellung kommt, teils einen häufig langweiligen Überfluß, da die Bedeutung schon für sich da ist und keiner weiteren Gestaltungsweise, um verstanden zu werden, bedarf. Mehr noch als bei dem Bilde und der Metapher fragt es sich deshalb bei der Vergleichung als solcher nach einem wesentlichen Interesse und Zweck in dem Gebrauch vereinzelter oder gehäufter Gleichnisse. Denn der bloßen Lebendigkeit wegen, wie man gewöhnlich meint, sind sie ebensowenig als der größeren Deutlichkeit willen anzuwenden. Im Gegenteil machen Gleichnisse ein Gedicht nur allzuoft matt und schwerfällig, und ein bloßes Bild oder eine Metapher kann gleiche Klarheit haben, ohne erst die Bedeutung noch außerdem danebenzustellen.
Den eigentlichen Zweck des Gleichnisses müssen wir deshalb darein setzen, daß die subjektive Phantasie des Dichters, wie sehr sie sich auch den Inhalt, den sie aussprechen will, für sich seiner abstrakteren Allgemeinheit nach zum Bewußtsein gebracht hat und ihn in dieser Allgemeinheit ausdrückt, sich dennoch gleichmäßig gedrungen findet, eine konkrete Gestalt dafür aufzusuchen und sich das seiner Bedeutung nach Vorgestellte auch in sinnlicher Erscheinung anschaubar zu machen. Nach dieser Seite hin drückt daher das Gleichnis, wie das Bild und die Metapher, die Kühnheit aus, daß die Phantasie, wenn sie irgendeinen Gegenstand - sei es ein einzelnes sinnliches Objekt, ein bestimmter Zustand, eine allgemeine Bedeutung - vor sich hat, in der Beschäftigung mit demselben die Kraft beweist, zusammenzubinden, was dem äußerlichen Zusammenhange nach entferntliegt, und somit in das Interesse für den einen Inhalt das Mannigfaltigste hineinzureißen und durch die Arbeit des Geistes an den gegebenen Stoff eine Welt vielgestaltiger Erscheinungen zu fesseln. Diese Gewalt der Gestalten erfindenden und durch sinnreiche Beziehungen und Verknüpfungen auch das Heterogene bändigenden Phantasie überhaupt ist es, welche auch dem Gleichnis zugrunde liegt.
α) Erstens nun kann sich die Lust des Vergleichens nur ihrer selbst wegen befriedigen, ohne in dieser Pracht der Bilder etwas anderes als die Kühnheit der Phantasie selber darzutun. Es ist dies gleichsam die Schwelgerei der Einbildungskraft, die sich besonders bei den Orientalen in südlicher Ruhe und Müßigkeit an dem Reichtum und Glanz ihrer Gebilde ohne weiteren Zweck ergötzt und den Hörer verlockt, sich derselben Müßigkeit hinzugeben, oft aber durch die wunderbare Macht überrascht, mit der sich der Dichter in den buntesten Vorstellungen ergeht und einen Witz bekundet, der geistreicher als ein bloßer Witz ist. Auch Calderon hat viele Vergleiche dieser Art, besonders wenn er große, prächtige Aufzüge und Feierlichkeiten schildert, die Schönheit der Rosse, der Reiter beschreibt oder wenn er von Schiffen spricht, die dann jedesmal "Vogel ohne Schwingen, Fisch ohne Flossen" heißen.
β) Näher aber zweitens sind die Vergleichungen ein Verweilen bei ein und demselben Gegenstande, der dadurch zum substantiellen Mittelpunkte von einer Reihe anderer entfernter Vorstellungen gemacht wird, durch deren Andeutung oder Ausmalung das größere Interesse für den verglichenen Inhalt objektiv wird.
Dies Verweilen kann mehrfache Gründe haben.
αα) Als ein erster Grund ist das Sichvertiefen des Gemüts in den Inhalt anzugeben, von dem es beseelt ist und der so fest im Innern haftet, daß es sich nicht von dem dauernden Interesse für denselben loszusagen vermag. In dieser Beziehung läßt sich sogleich ein wesentlicher Unterschied zwischen orientalischer und okzidentalischer Poesie, den wir oben bei Gelegenheit des Pantheismus schon berührt haben, wieder geltend machen. Der Orientale ist in seiner Vertiefung weniger selbstsüchtig und dadurch ohne Schmachten und Sehnsucht; sein Verlangen bleibt eine objektivere Freude an dem Gegenstande seiner Vergleichungen und dadurch theoretischer. Mit freiem Gemüt blickt er um sich her, um in allem, was ihn umgibt, was er kennt und liebt, ein Bild desjenigen zu sehen, womit sein Sinn und Geist beschäftigt und wovon er voll ist. Die von aller bloß subjektiven Konzentration befreite, von aller Krankhaftigkeit gesundete Phantasie befriedigt sich in der vergleichenden Vorstellung des Gegenstandes selbst, hauptsächlich wenn derselbe durch Vergleichung mit dem Glänzendsten und Schönsten soll gepriesen, erhoben und verklärt werden. Der Okzident dagegen ist subjektiver und in Klage und Schmerz schmachtender und verlangender.
Dies Verweilen ist dann vornehmlich ein Interesse der Empfindungen, besonders der Liebe, welche sich an dem Gegenstande ihrer Leiden und ihrer Lust erfreut und, wie sie innerlich nicht von diesen Empfindungen loskommen kann, nun auch nicht ermüdet, das Objekt derselben sich immer von neuem wieder vorzumalen. Verliebte sind vorzüglich an Wünschen, Hoffnungen und wechselnden Einfällen reich. Solchen Einfällen lassen sich auch die Gleichnisse zurechnen, zu welchen die Liebe überhaupt um so eher kommt, je mehr die Empfindung die ganze Seele einnimmt und durchzieht und für sich selber vergleichend ist. Was sie erfüllt, ist z. B. ein einzelner schöner Gegenstand, der Mund, das Auge, das Haar der Geliebten. Nun ist der menschliche Geist tätig, unruhig, und besonders sind Freude und Schmerz nicht tot und ruhend, sondern rastlos und bewegt: ein Hinundhergehen, das aber allen anderweitigen Stoff auf die eine Empfindung, welche das Herz zum Mittelpunkte seiner Welt macht, in Beziehung bringt. Hier liegt das Interesse der Vergleichung in der Empfindung selbst, welcher sich die Erfahrung aufdrängt, andere Gegenstände in der Natur seien gleichfalls schön oder verursachten Schmerz, weshalb sie nun diese gesamten Gegenstände in den Kreis ihres eigenen Inhalts vergleichend hineinzieht und denselben dadurch erweitert und verallgemeinert.
Ist der Gegenstand des Gleichnisses nun aber ganz vereinzelt und sinnlich und wird er mit ähnlich sinnlichen Erscheinungen in Zusammenhang gesetzt, so gehören besonders gehäufte Vergleichungen dieser Art einer noch sehr wenig tiefen Reflexion und einem wenig ausgebildeten Empfinden an, so daß die Mannigfaltigkeit, welche sich bloß in äußerem Stoffe umherbewegt, uns leicht matt erscheint und nicht sehr interessieren kann, weil keine geistige Bezüglichkeit darin zu finden ist. So heißt es z. B. im vierten Kapitel des Hohenliedes: "Siehe, meine Freundin, du bist schön! siehe, schön bist du! Deine Augen sind wie Taubenaugen. Dein Haar ist wie die Ziegenherden, die beschoren sind auf dem Berge Gilead. Deine Zähne sind wie die Herden mit beschnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, die allzumal Zwillinge tragen, und ist keiner unter ihnen unfruchtbar. Deine Lippen sind wie eine rosinfarbene Schnur und deine Rede lieblich, deine Wangen sind wie der Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. Dein Hals ist wie der Turm Davids mit Brustwehr gebaut, daran tausend Schilde hangen und allerlei Waffen der Starken. Deine zwo Brüste sind wie zwo junge Rehzwillinge, die unter Rosen weiden, bis der Tag kühle werde und die Schatten weichen."
Dieselbe Naivität findet sich in vielen der Gedichte, die Ossians Namen tragen, wie es z. B. darin heißt: "Du bist wie Schnee in der Heide; dein Haar wie ein Nebel auf dem Kromla, wenn er sich auf dem Felsen kräuselt und gegen den Strahl in Westen schimmert; deine Arme gleich zweien Pfeilern in der Halle des mächtigen Fingal."
In der ähnlichen Art, nur durchaus oratorisch, läßt Ovid den Polyphem sprechen (Metamorphosen, XIII, v. 789 - 807): "Weißer bist du, o Galathea, als das Blatt der schneeigten Rainweide; blühender als Wiesen, schlanker als die lange Ulme; glänzender als Glas, mutwilliger als das zarte Geißböckchen; glatter als die vom Meer immer abgeriebene Muschel; lieblicher als die Wintersonne, als die Sommerschatten; edler als Obst, ansehnlicher als die hohe Platane" - und so geht es alle neunzehn Hexameter hindurch, rednerisch schön, aber als Schilderung einer wenig interessanten Empfindung selber von geringem Interesse.
Auch im Calderon lassen sich vielfache Beispiele von dieser Art der Vergleichungen finden, obschon ein solches Verweilen sich mehr für die lyrische Empfindung als solche paßt und den dramatischen Fortschritt, wenn es nicht gehörig durch die Sache selbst motiviert ist, allzusehr hemmt. So beschreibt z. B. Don Juan in den Verwicklungen des Zufalls weitläufig die Schönheit einer verschleierten Dame, der er gefolgt war, und sagt unter anderem:
Obwohl dennoch manches Mal Durchbrach durch die schwarzen Schranken Jener undurchsicht'gen Hülle Eine Hand von hellstem Glanze, Die der Lilien und der Rosen Fürstin war und der als Sklave Huldigte des Schnees Glanz Ein beschmutzter Afrikaner.
Anders dagegen verhält es sich, wenn ein tiefer bewegtes Gemüt sich in Bildern und Gleichnissen ausdrückt, in denen sich innerliche, geistige Bezüge der Empfindung kundgeben, indem das Gemüt sich entweder selber gleichsam zu einer äußerlichen Naturszene oder solche Naturszene zum Widerschein eines geistigen Inhalts macht. - Auch in dieser Beziehung kommen in den sogenannten Ossianschen Gedichten viele Bilder und Vergleichungen vor, obschon das Gebiet der Gegenstände, die hier zu Gleichnissen gebraucht werden, arm ist und sich meist auf Wolken, Nebel, Sturm, Baum, Strom, Quelle, Sonne, Distel oder Gras beschränkt. So sagt er z. B.: "Angenehm ist die Gegenwart, o Fingal! Sie ist wie die Sonne auf dem Kromla, wenn der Jäger eine Jahreszeit lang ihre Abwesenheit betrauert hat und sie jetzt zwischen den Wolken gewahr wird." Und an einer anderen Stelle: "Hörte nicht Ossian jetzt eine Stimme? oder ist es die Stimme der Tage, die nicht mehr sind? Oft kommt wie die Abendsonne das Gedächtnis vergangener Zeiten in meine Seele." Ebenso erzählt Ossian: "Angenehm sind die Worte des Gesanges, sagte Kuthullin, und lieblich sind die Geschichten vergangener Zeiten. Sie sind wie der stille Tau des Morgens auf dem Rehhügel, wenn die Sonne schwach auf seiner Seite schimmert und der Teich unbewegt und blau in dem Tale steht." - Dies Verweilen bei denselben Empfindungen und deren Gleichnissen ist in diesen Gedichten von der Art, daß es ein in Trauer und schmerzlicher Erinnerung ermüdetes und ermattendes Greisenalter ausdrückt. Der schwermütigen, weichen Empfindung liegt es überhaupt nahe, zu Vergleichungen überzugehen. Was solche Seele will, was ihr Interesse ausmacht, ist fern und vergangen, und so ist sie im allgemeinen schon, statt sich zu ermannen, dazu aufgefordert, sich in anderes zu versenken. Die vielen Vergleiche entsprechen dadurch ebensosehr dieser subjektiven Stimmung als auch den größtenteils traurigen Vorstellungen und dem engen Kreise, in welchem sie sich aufzuhalten genötigt ist.
Umgekehrt aber kann sich auch die Leidenschaft, insofern sie sich, ihrer Unruhe unerachtet, auf einen Inhalt konzentriert, mannigfach in Bildern und Vergleichungen, welche alle nur Einfälle über ein und denselben Gegenstand sind, hin und her bewegen, um in der umgebenden äußeren Welt ein Gegenbild ihres Innern zu finden. Von dieser Art z. B. ist in Romeo und Julia jener Monolog Julias, in welchem sie sich zu der Nacht wendet und ausruft:
Komm, Nacht! - Komm, Romeo, du Tag in Nacht! Denn du wirst ruhn auf Fittichen der Nacht Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken. - Komm, milde, liebevolle Nacht! Komm, gib Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst, Nimm ihn, zerteil in kleine Stücke ihn: Er wird des Himmels Antlitz so verschönen, Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt Und niemand mehr der eiteln Sonne huldigt. - Usf.
ββ) Diesen durchgängig fast lyrischen Gleichnissen einer sich in ihren Inhalt vertiefenden Empfindung stehen die epischen gegenüber, wie wir sie z. B. bei Homer häufig finden. Hier hat der Dichter, wenn er vergleichend bei einem bestimmten Gegenstande verweilt, einerseits das Interesse, uns über die gleichsam selber praktische Neugierde, Erwartung, Hoffnung und Furcht, die wir in Rücksicht auf den Ausgang der Begebenheiten, in betreff auf einzelne Situationen und Taten der Helden hegen, über den Zusammenhang von Ursache, Wirkung und Folge wegzuheben und unsere Aufmerksamkeit bei Gebilden festzuhalten, die er als ruhende, plastische zu theoretischer Betrachtung gleich Werken der Skulptur vor uns hinstellt. Diese Ruhe, dies Abziehen von dem bloß praktischen Interesse für das, was er vor unseren Augen vorüberführt, läßt sich dann um so mehr bewirken, je mehr alles, womit der Gegenstand verglichen wird, aus einem anderen Felde hergenommen ist. Andererseits hat das Verweilen bei Gleichnissen den weiteren Sinn, einen bestimmten Gegenstand durch dies gleichsam doppelte Schildern als wichtig auszuzeichnen und nicht nur flüchtig mit dem Strom des Gesanges und der Begebenheiten fortrauschen zu lassen. So sagt Homer z. B. (Ilias, XX, v. 164 -175) vom Achilles, der zum Kampfe entbrannt sich gegen Äneas erhebt: "Er naht wie ein verderbender Löwe, den die Männer zu erlegen trachten, das ganze Volk dazu versammelt; er zuerst, wie verachtend, schreitet einher, aber wenn einer der streitgierigen Jünglinge mit dem Spieße ihn trifft, so wendet er sich mit weitem Rachen um, die Zähne voll Schaums, in der Brust stöhnt sein starkes Herz, mit dem Schweif schlägt er seine Seiten und Hüften auf beiden Seiten und treibt sich selbst zum Kämpfen. Drohenden Blicks geradeaus führt ihn sein Mut, ob er einen treffe der Männer oder selber getötet werde im ersten Gewühl: so trieb den Achilleus die Kraft und der großherzige Mut, dem beherzten Helden Äneas entgegenzugehen." - Ähnlich sagt Homer (Ilias, IV, v. 130 f.) von der Pallas, als sie den Pfeil ablenkte, den Pandaros auf Menelaos abgeschnellt hatte: "Sie vergaß ihn nicht und wehrte den tödlichen Pfeil ab, wie die Mutter vom Sohne eine Fliege abwehrt, wenn er in süßem Schlafe liegt." Und weiterhin, als der Pfeil den Menelaos dennoch verwundet, heißt es (v. 141 - 146): "Wie wenn eine Frau aus Möonien oder Karien Elfenbein mit Purpur färbt zum Gebiß der Pferde, es liegt aber verwahrt in der Kammer, und viele Reiter haben es gewünscht zu tragen, doch für einen König liegt es bewahrt als Schmuck, beides, eine Zierde dem Roß und dem Reiter ein Ruhm: so floß über den Schenkel dem Menelaos das Blut" usf.
γ) Ein dritter Grund für Gleichnisse, dem bloßen Schwelgen der Phantasie sowie der sich vertiefenden Empfindung oder der bei wichtigen Gegenständen vergleichend verweilenden Einbildungskraft gegenüber, ist hauptsächlich für die dramatische Poesie hervorzuheben. Das Drama hat kämpfende Leidenschaften, Tätigkeit, Pathos, Handeln, Vollbringen des innerlich Gewollten zu seinem Inhalte; den stellt es nicht etwa wie das Epos in Form vergangener Begebenheiten dar, sondern bringt uns die Individuen selber zur Anschauung und läßt sie ihre Empfindungen als ihre eigenen äußern und ihre Handlungen vor unseren Augen ausführen, so daß sich also der Dichter nicht als Mittelsperson dazwischenschiebt. In dieser Beziehung nun scheint es, als fordere die dramatische Poesie die meiste Natürlichkeit im Aussprechen der Leidenschaften, deren Heftigkeit im Schmerz, Schreck, Freude um dieser Natürlichkeit willen Gleichnisse nicht zugeben könne. Die handelnden Individuen im Sturme der Empfindung, im Fortstreben zum Handeln viel in Metaphern, Bildern, Gleichnissen reden zu lassen, ist im gewöhnlichen Sinne des Worts als durchaus unnatürlich und deshalb als störend anzusehen. Denn durch Vergleiche werden wir von der gegenwärtigen Situation und den in ihr handelnden und empfindenden Individuen ab-, in Äußeres, Fremdes, nicht unmittelbar zur Situation selbst Gehöriges fortgeführt, und besonders erleidet der Ton des konversierenden Gesprächs dadurch eine hemmende, lästige Unterbrechung. Und so hat man denn auch in Deutschland zur Zeit, als sich jugendliche Gemüter von der Fessel des französischen rhetorischen Geschmacks zu befreien suchten, die Spanier, Italiener und Franzosen als bloße Künstler angesehen, welche ihre subjektive Einbildungskraft, ihren Witz, ihren konventionellen Anstand und elegante Beredsamkeit den dramatischen Personen auch dann in den Mund legten, wenn die heftigste Leidenschaft und deren Naturausdruck allein herrschen dürfe. Wir finden deshalb diesem Prinzip der Natürlichkeit gemäß in vielen Dramen aus jener Zeit den Schrei der Empfindung, die Ausrufungszeichen und Gedankenstriche an die Stelle einer edlen, gehobenen, bilderreichen und gleichnisvollen Diktion gesetzt. In dem ähnlichen Sinne haben auch englische Kritiker vielfach an Shakespeare die gehäuften und bunten Vergleiche getadelt, die er seinen Personen oft im höchsten Drange des Schmerzes zuteilt, wo die Heftigkeit des Gefühls am wenigsten Raum für die Ruhe der Reflexion zu vergönnen scheint, die zu jedem Gleichnis gehört. Allerdings ist das Bildern und Vergleichen bei Shakespeare hin und wieder schwerfällig und gehäuft; im ganzen aber ist den Gleichnissen auch im Dramatischen eine wesentliche Stelle und Wirkung einzuräumen.
Wenn die Empfindung sich aufhält, weil sie sich in ihren Gegenstand vertieft und nicht von ihm freimachen kann, so haben in dem praktischen Bezirk des Handelns die Gleichnisse den Zweck, zu zeigen, daß sich das Individuum nicht nur unmittelbar in seine bestimmte Situation, Empfindung, Leidenschaft versenkt habe, sondern auch als eine hohe und edle Natur darüberstehe und sich davon loslösen könne. Die Leidenschaft beschränkt und fesselt die Seele in sich selbst, beengt sie zu einer begrenzten Konzentration und läßt sie dadurch verstummen, einsilbig werden oder ins Blaue und Wilde hinein toben und rasen. Aber die Größe des Gemüts, die Kraft des Geistes erhebt sich über solche Beschränktheit und schwebt in schöner, stiller Ruhe über dem bestimmten Pathos, von dem sie bewegt wird. Diese Befreiung der Seele ist es, welche die Gleichnisse zunächst ganz formell ausdrücken, indem nur die tiefe Gefaßtheit und Stärke, sich auch seinen Schmerz, seine Leiden zum Objekt zu machen, sich mit anderem zu vergleichen und dadurch in fremden Gegenständen theoretisch sich anzuschauen imstande ist oder sich im fürchterlichsten Spotte über sich selbst auch seine eigene Vernichtung wie ein äußeres Dasein gegenüberstellen und dabei ruhig und fest in sich selber bleiben kann. Im Epischen war es, wie wir sahen, der Dichter, welcher durch verweilende, ausmalende Gleichnisse dem Zuhörer die theoretische Ruhe, welche die Kunst erfordert, mitzuteilen beflissen ist; im Dramatischen erscheinen dagegen die handelnden Personen selber als die Dichter und Künstler, indem sie sich ihr Inneres zu einem Gegenstande machen, den sie zu bilden und zu gestalten kräftig bleiben, und uns dadurch den Adel ihrer Gesinnung und die Macht ihres Gemüts kundtun. Denn diese Versenkung in Anderes und Äußeres ist hier die Befreiung des Inneren von dem bloß praktischen Interesse oder der Unmittelbarkeit der Empfindung zum freien theoretischen Gestalten, wodurch sich jenes Vergleichen des Vergleichens wegen, wie wir es auf der ersten Stufe finden, in vertiefterer Weise wiederherstellt, insofern es jetzt nur als Überwindung der bloßen Befangenheit und als Entfesselung von der Gewalt der Leidenschaft auftreten kann.
In dem Verlauf dieser Befreiung lassen sich noch folgende Hauptpunkte unterscheiden, zu denen besonders Shakespeare die meisten Belege liefert.
αα) Haben wir ein Gemüt vor uns, dem ein großes Unglück, wodurch es im Innersten zerrüttet wird, begegnen soll, und der Schmerz dieses unabweisbaren Schicksals tritt nun wirklich ein, so wäre es die Art einer gemeinen Natur, den Schreck, den Schmerz, die Verzweiflung unmittelbar herauszuschreien und sich dadurch Luft zu machen. Ein kräftiger, adliger Geist preßt die Klage als solche zurück, hält den Schmerz gefangen und bewahrt sich dadurch die Freiheit, in dem tiefen Gefühl des Leidens selber sich noch mit Weitabliegendem in der Vorstellung zu tun zu machen und in diesem Entfernten sich sein eigenes Schicksal im Bilde auszusprechen. Der Mensch steht dann über seinem Schmerz, mit welchem er nicht seinem ganzen Selbst nach eins, sondern von dem er ebensosehr unterschieden ist und deshalb noch bei anderem verweilen kann, das sich auf seine Empfindung als eine verwandte Objektivität derselben bezieht. So ruft z. B. in Shakespeares Heinrich IV. der alte Northumberland, nachdem er den Boten, der ihm Percys Tod zu verkünden kommt, um das Befinden seines Sohnes und Bruders befragt und keine Antwort erhalten hat, in der Fassung des herbsten Schmerzes:
Du zitterst, und die Blässe deiner Wangen Sagt deine Botschaft besser als dein Mund. Ganz solch ein Mann, so matt, so atemlos, So trüb, so tot im Blick, so hin vor Weh, Zog Priams Vorhang auf in tiefster Nacht Und wollt ihm sagen, halb sein Troja brenne; Doch Priam fand das Feuer, eh er die Zunge - Ich meines Percy Tod, eh du ihn meldest.
Besonders aber ist Richard II., als er den Jugendleichtsinn seiner glücklichen Tage büßen muß, solch ein Gemüt, das, wie sehr es sich auch in seinen Schmerz einspinnt, dennoch die Kraft behält, ihn sich stets in neuen Vergleichungen vor sich hinzustellen. Und dies gerade ist das Rührende und Kindliche in Richards Trauer, daß er sie sich stets in treffenden Bildern objektiv ausspricht und den Schmerz in dem Spiel dieser Entäußerung um so tiefer beibehält. Als Heinrich z. B. die Krone von ihm fordert, erwidert er: "Hier, Vetter, nimm die Krone. Hier an dieser Seite sei meine Hand, an jener deine. Nun ist die goldne Krone gleich einem tiefen Brunnen, aus dem zwei Eimer wechselsweise das Wasser schöpfen; der eine immer tanzend in der Luft, der andere tief unten, ungesehen und voll Wassers; dieser Eimer unten, voll von Tränen, bin ich, trunken von meinem Gram, indes du oben in der Höhe schwebst."
ββ) Die andere Seite hierzu besteht darin, daß sich ein Charakter, der bereits eins mit seinen Interessen, seinem Schmerz und Schicksal ist, durch Vergleiche von dieser unmittelbaren Einheit zu befreien sucht und die Befreiung wirklich dadurch offenbar macht, daß er sich noch zu Gleichnissen fähig zeigt. In Heinrich VIII. z. B. ruft die Königin Katharine, von ihrem Gemahl verlassen, in tiefster Betrübnis aus: "Ich bin die unglückseligste Frau von der Welt, gescheitert an einem Königreiche, wo nicht Mitleid, noch Freund, noch Hoffnung für mich ist! Wo kein Verwandter um mich weint! Beinahe kein Grab mir vergönnt wird! Gleich der Lilie, die vordem Königin des Feldes war und blühte, will ich mein Haupt hinsenken und sterben."
Vortrefflicher noch sagt Brutus im Julius Cäsar in seinem Zorn zum Cassius, den er sich vergebens anzuspornen gestrebt hat:
O Cassius! einem Lamm seid Ihr gepaart, Das so nur Zorn hegt, wie der Kiesel Feuer, Der vielgeschlagen flücht'ge Funken zeigt Und gleich drauf wieder kalt ist.
Daß Brutus an dieser Stelle den Übergang zu einem Gleichnis finden kann, erweist schon, er selber habe den Zorn in sich zurückzudrängen und sich davon freizumachen angefangen.
Hauptsächlich seine verbrecherischen Charaktere hebt Shakespeare durch Größe des Geistes im Verbrechen wie im Unglück zugleich wieder über ihre schlechte Leidenschaft hinaus und läßt sie nicht wie die Franzosen in der Abstraktion, daß sie sich selbst nur immer vorsagen, sie wollten Verbrecher sein, sondern er gibt ihnen diese Kraft der Phantasie, durch welche sie sich ebensosehr als eine andere fremde Gestalt zur Anschauung kommen. Macbeth z. B., als seine Stunde geschlagen hat, sagt die berühmten Worte: "Aus, aus, kurzes Licht! Leben ist nur ein wandelnder Schatten, ein armer Schauspieler, der auf der Bühne seine Stunde trotzt und pocht und dann gehört nicht mehr wird; es ist ein Märchen, erzählt von einem Tropf, voll von Schall und Lärmen, bedeutend gar nichts." - Ebenso ist es in Heinrich VIII. mit dem Kardinal Wolsey, der, von seiner Höhe herabgestürzt, am Ende seiner Laufbahn ausruft: "Lebewohl sag ich dir, ein langes Lebewohl, alle meine Hoheit! Das ist das Schicksal des Menschen: heute sprossen die zarten Blüten der Hoffnung; morgen blüht er und ist ganz mit dem rötlichen Schmucke bedeckt; den dritten Tag kommt ein Frost, und wenn er, der gute sichere Mann, jetzt gewiß denkt, sein Glück wächst zur Reife, verwundet der Frost die Wurzel, und dann fällt er, wie ich."
γγ) In diesem Objektivieren und vergleichenden Aussprechen liegt dann zugleich die Ruhe und Fassung des Charakters in sich selbst, durch welche er sich in seinem Schmerz und Untergang beschwichtigt. So sagt die Kleopatra, als sie die tödliche Natter schon an die Brust gesetzt hat, zur Charmian: "Still, still! Siehst du nicht meinen Säugling an meiner Brust, der seine Amme im Schlaf saugt? So süß wie Balsam, so sanft wie Luft, so freundlich" - der Biß der Schlange löst die Glieder so sanft, daß der Tod sich selbst täuscht und sich für Schlaf hält. - Dies Bild kann selber als ein Bild für die milde, beruhigende Natur dieser Vergleichungen gelten.
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