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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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b. Die komische Behandlung der Zufälligkeit

Was wir somit überhaupt, besonders auf dem Gebiete des Weltlichen, im Rittertum und in jenem Formalismus der Charaktere, vor uns haben, ist mehr oder weniger die Zufälligkeit sowohl der Umstände, innerhalb welcher gehandelt wird, als auch des wollenden Gemüts. Denn jene einseitigen individuellen Figuren können das ganz Zufällige zu ihrem Inhalt nehmen, das nur durch die Energie ihres Charakters getragen und unter von außen her bedingten Kollisionen durchgeführt wird oder mißlingt.
Ebenso ergeht es dem Rittertum, das in der Ehre, Liebe und Treue eine höhere, dem wahrhaft Sittlichen ähnliche Berechtigung in sich enthält. Einerseits wird es durch die Einzelheit der Umstände, auf welche es reagiert, direkt eine Zufälligkeit, indem statt eines allgemeinen Werkes nur partikulare Zwecke zu vollbringen sind und an und für sich seiende Zusammenhänge fehlen; andererseits findet eben damit auch in Ansehung des subjektiven Geistes der Individuen Willkür oder Täuschung in betreff auf Vorhaben, Pläne und Unternehmungen statt. Konsequent durchgeführt, erweist sich deshalb diese ganze Abenteuerei in ihren Handlungen und Begebenheiten wie in deren Erfolg als eine sich in sich selbst auflösende und dadurch komische Welt der Ereignisse und Schicksale.

Diese Auflösung des Rittertums in sich selbst ist sich vornehmlich in Ariost und Cervantes und jener in ihrer Besonderheit individuellen Charaktere in Shakespeare zum Bewußtsein und zur gemäßesten Darstellung gekommen.

α) In Ariosto ergötzen besonders die unendlichen Verwicklungen der Schicksale und Zwecke, die märchenhafte Verschlingung phantastischer Verhältnisse und närrischer Situationen, mit denen der Dichter bis zur Leichtfertigkeit hin abenteuerlich spielt. Es ist lauter blanke Torheit und Tollheit, mit der es den Helden Ernst sein soll.
Hauptsächlich ist die Liebe von der göttlichen Liebe des Dante, von der phantastischen Zärtlichkeit des Petrarca häufig zu sinnlich-obszönen Geschichten und lächerlichen Kollisionen heruntergesunken, während die Heldenschaft und Tapferkeit bis zu einer Spitze heraufgeschraubt erscheint, auf welcher sie nicht mehr zu einem gläubigen Erstaunen, sondern nur zu einem Lächeln über die Fabelhaftigkeit der Taten erregt.
Bei der Gleichgültigkeit aber in Rücksicht auf die Art und Weise, wie die Situationen zustande kommen, wunderbare Verzweigungen und Konflikte herbeiführen, angefangen, abgebrochen, wieder verflochten, durchschnitten und endlich überraschend gelöst werden, sowie bei der komischen Behandlung der Ritterlichkeit weiß dennoch Ariosto das Edle und Große, das in der Ritterschaft, dem Mut, der Liebe, Ehre und Tapferkeit liegt, ganz ebenso zu sichern und herauszuheben, als er andere Leidenschaften, Verschmitztheit, List, Geistesgegenwart und so vieles Sonstige noch treffend zu schildern versteht.

β) Wenn sich nun Ariosto mehr gegen das Märchenhafte der Abenteuerlichkeit hinwendet, so bildet Cervantes dagegen das Romanhafte aus.
In seinem Don Quijote ist es eine edle Natur, bei der das Rittertum zur Verrücktheit wird, indem wir die Abenteuerlichkeit desselben mitten in den festen, bestimmten Zustand einer ihren äußeren Verhältnissen  nach genau geschilderten Wirklichkeit hineingesetzt finden.
Dies gibt den komischen Widerspruch einer verständigen, durch sich selbst geordneten Welt und eines isolierten Gemütes, das sich diese Ordnung und Festigkeit erst durch sich und das Rittertum, durch das sie nur umgestürzt werden könnte, erschaffen will.
Dieser komischen Verirrung zum Trotz ist aber im Don Quijote ganz das erhalten, was wir vorhin bei Shakespeare rühmten. Auch Cervantes hat seinen Helden zu einer ursprünglich edlen, mit vielseitigen Geistesgaben ausgestatteten Natur gemacht, die uns immer zugleich wahrhaft interessiert. Don Quijote ist ein in der Verrücktheit seiner selbst und seiner Sache vollkommen sicheres Gemüt, oder vielmehr ist nur dies die Verrücktheit, daß er seiner und seiner Sache so sicher ist und bleibt. Ohne diese reflexionslose Ruhe in Rücksicht auf den Inhalt und Erfolg seiner Handlungen wäre er nicht echt romantisch, und diese Selbstgewißheit, in Ansehung des Substantiellen seiner Gesinnung, ist durchaus groß und genial mit den schönsten Charakterzügen geschmückt.
Ebenso ist das ganze Werk einerseits eine Verspottung des romantischen Rittertums, durch und durch eine wahrhafte Ironie, während bei Ariosto die Abenteuerlichkeit gleichsam nur ein leichtfertiger Spaß bleibt; andererseits aber werden die Begebenheiten Don Quijotes nur der Faden, auf dem sich aufs lieblichste eine Reihe echt romantischer Novellen hinschlingt, um das in seinem wahren Wert erhalten zu zeigen, was der übrige Teil des Romans komisch auflöst.

γ) Ähnlich wie wir hier das Rittertum, selbst in seinen wichtigsten Interessen, zur Komik umschlagen sehen, stellt nun auch Shakespeare entweder neben seine festen individuellen Charaktere und tragischen Situationen und Konflikte komische Figuren und Szenen oder hebt jene Charaktere durch einen tiefen Humor über sich selbst und ihre schroffen, beschränkten und falschen Zwecke hinaus. Falstaff z. B., der Narr im Lear, die Musikantenszene in Romeo und Julia sind von der ersten, Richard III. von der zweiten Art

 

c. Das Romanhafte

An diese Auflösung des Romantischen, seiner bisherigen Gestalt nach, schließt sich drittens endlich das Romanhafte im modernen Sinne des Wortes, dem der Zeit nach die Ritter- und Schäferromane vorangehen.
- Dies Romanhafte ist das wieder zum Ernste, zu einem wirklichen Gehalte gewordene Rittertum. Die Zufälligkeit des äußerlichen Daseins hat sich verwandelt in eine feste, sichere Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft und des Staats, so daß jetzt Polizei, Gerichte, das Heer, die Staatsregierung an die Stelle der chimärischen Zwecke treten, die der Ritter sich machte. Dadurch verändert sich auch die Ritterlichkeit der in neueren Romanen agierenden Helden. Sie stehen als Individuen mit ihren subjektiven Zwecken der Liebe, Ehre, Ehrsucht oder mit ihren Idealen der Weltverbesserung dieser bestehenden Ordnung und Prosa der Wirklichkeit gegenüber, die ihnen von allen Seiten Schwierigkeiten in den Weg legt.
Da schrauben sich nun die subjektiven Wünsche und Forderungen in diesem Gegensatze ins Unermeßliche in die Höhe; denn jeder findet vor sich eine bezauberte, für ihn ganz ungehörige Welt, die er bekämpfen muß, weil sie sich gegen ihn sperrt und in ihrer spröden Festigkeit seinen Leidenschaften nicht nachgibt, sondern den Willen eines Vaters, einer Tante, bürgerliche Verhältnisse usf. als ein Hindernis vorschiebt. Besonders sind Jünglinge diese neuen Ritter, die sich durch den Weltlauf, der sich statt ihrer Ideale realisiert, durchschlagen müssen und es nun für ein Unglück halten, daß es überhaupt Familie, bürgerliche Gesellschaft, Staat, Gesetze, Berufsgeschäfte usf. gibt, weil diese substantiellen Lebensbeziehungen sich mit ihren Schranken grausam den Idealen und dem unendlichen Rechte des Herzens entgegensetzen.
Nun gilt es, ein Loch in diese Ordnung der Dinge hineinzustoßen, die Welt zu verändern, zu verbessern oder ihr zum Trotz sich wenigstens einen Himmel auf Erden herauszuschneiden: das Mädchen, wie es sein soll, sich zu suchen, es zu finden und es nun den schlimmen Verwandten oder sonstigen Mißverhältnissen abzugewinnen, abzuerobern und abzutrotzen.
Diese Kämpfe nun aber sind in der modernen Welt nichts Weiteres als die Lehrjahre, die Erziehung des Individuums an der vorhandenen Wirklichkeit, und erhalten dadurch ihren wahren Sinn.
Denn das Ende solcher Lehrjahre besteht darin, daß sich das Subjekt die Hörner abläuft, mit seinem Wünschen und Meinen sich in die bestehenden Verhältnisse und die Vernünftigkeit derselben hineinbildet, in die Verkettung der Welt eintritt und in ihr sich einen angemessenen Standpunkt erwirbt.
Mag einer auch noch soviel sich mit der Welt herumgezankt haben, umhergeschoben worden sein, zuletzt bekommt er meistens doch sein Mädchen und irgendeine Stellung, heiratet und wird ein Philister so gut wie die anderen auch; die Frau steht der Haushaltung vor, Kinder bleiben nicht aus, das angebetete Weib, das erst die Einzige, ein Engel war, nimmt sich ungefähr ebenso aus wie alle anderen, das Amt gibt Arbeit und Verdrießlichkeiten, die Ehe Hauskreuz, und so ist der ganze Katzenjammer der übrigen da. - Wir sehen hier den gleichen Charakter der Abenteuerlichkeit, nur daß dieselbe ihre rechte Bedeutung findet und das Phantastische daran die nötige Korrektion erfahren muß.

 

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