II. Die Handlung
Der Bestimmtheit als solcher kommt als idealer die freundliche Unschuld engelgleicher himmlischer Seligkeit, die tatlose Ruhe, die Hoheit selbständig auf sich beruhender Macht wie die Tüchtigkeit und Beschlossenheit überhaupt des in sich selbst Substantiellen zu. Das Innere jedoch und Geistige ist ebensosehr nur als tätige Bewegung und Entfaltung. Entfaltung aber ist nicht ohne Einseitigkeit und Entzweiung. Der volle totale Geist, in seine Besonderheiten sich auseinanderbreitend, tritt aus seiner Ruhe sich selbst gegenüber mitten in den Gegensatz des verworrenen Weltwesens hinein und vermag sich in dieser Zerspaltung nun auch dem Unglück und Unheil des Endlichen nicht mehr zu entziehen.
Selbst die ewigen Götter des Polytheismus leben nicht in ewigem Frieden. Sie gehen zu Parteiungen und Kämpfen mit entgegenstrebenden Leidenschaften und Zwecken fort und müssen sich dem Schicksal unterwerfen. Selbst der christliche Gott ist dem Übergange zur Erniedrigung des Leidens, ja zur Schmach des Todes nicht entnommen und wird von dem Seelenschmerze nicht befreit, in welchem er rufen muß: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"; seine Mutter leidet die ähnliche herbe Pein, und das menschliche Leben überhaupt ist ein Leben des Streits, der Kämpfe und Schmerzen. Denn die Größe und Kraft mißt sich wahrhaft erst an der Größe und Kraft des Gegensatzes, aus welchem der Geist sich zur Einheit in sich wieder zusammenbringt; die Intensität und Tiefe der Subjektivität tut sich um so mehr hervor, je unendlicher und ungeheurer die Umstände auseinandergezogen und je zerreißender die Widersprüche sind, unter denen sie dennoch fest in sich selber zu bleiben hat. In dieser Entfaltung allein bewährt sich die Macht der Idee und des Idealen, denn Macht besteht nur darin, sich im Negativen seiner zu erhalten.
Indem nun aber die Besonderheit des Ideals durch solche Entwicklung in das Verhältnis nach außen tritt und dadurch sich in eine Welt hineinbegibt, welche, statt das ideale freie Zusammenstimmen des Begriffs und seiner Realität an sich selber darzustellen, vielmehr ein Dasein zeigt, das schlechthin nicht ist, wie es sein soll, so haben wir bei der Betrachtung dieses Verhältnisses aufzufassen, inwiefern die Bestimmtheiten, in welche das Ideal eingeht, entweder für sich selbst die Idealität unmittelbar enthalten oder derselben mehr oder weniger fähig werden können.
In dieser Beziehung fordern drei Hauptpunkte unsere nähere Aufmerksamkeit:
erstlich der allgemeine Weltzustand, welcher die Voraussetzung für die individuelle Handlung und deren Charaktere ist;
zweitens die Besonderheit des Zustandes, dessen Bestimmtheit in jene[r] substantielle[n] Einheit die Differenz und Spannung hervorbringt, die das Anregende für die Handlung wird, - die Situation und deren Konflikte;
drittens die Auffassung der Situation von seiten der Subjektivität und die Reaktion, durch welche der Kampf und die Auflösung der Differenz zum Vorschein kommt, - die eigentliche Handlung.
1. Der allgemeine Weltzustand
Die ideale Subjektivität trägt als lebendiges Subjekt die Bestimmung in sich, zu handeln, sich überhaupt zu bewegen und zu betätigen, insofern sie, was in ihr ist, auszuführen und zu vollbringen hat. Dazu bedarf sie einer umgebenden Welt als allgemeinen Bodens für ihre Realisationen. Wenn wir in dieser Beziehung von Zustand sprechen, so ist hierunter die allgemeine Art und Weise verstanden, in welcher das Substantielle vorhanden ist, das als das eigentlich Wesentliche innerhalb der geistigen Wirklichkeit alle Erscheinungen derselben zusammenhält. Man kann in diesem Sinne z. B. von einem Zustande der Bildung, der Wissenschaften, des religiösen Sinnes oder auch der Finanzen, der Rechtspflege, des Familienlebens und anderer sonstiger Lebens[ein]richtungen sprechen. Alle diese Seiten sind dann aber in der Tat nur Formen von ein und demselben Geiste und Gehalt, der sich in ihnen expliziert und verwirklicht. - Insofern nun hier näher von dem Weltzustande der geistigen Wirklichkeit die Rede ist, so haben wir denselben von der Seite des Willens aufzunehmen. Denn durch den Willen ist es, daß der Geist überhaupt ins Dasein tritt, und die unmittelbaren substantiellen Bande der Wirklichkeit zeigen sich in der bestimmten Art, in welcher die Willensbestimmungen, die Begriffe des Sittlichen, Gesetzlichen, überhaupt dessen zur Tätigkeit gelangen, was wir im allgemeinen die Gerechtigkeit nennen können.
Da fragt es sich nun, wie solch ein allgemeiner Zustand beschaffen sein müsse, um sich der Individualität des Ideals gemäß zu erweisen.
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