Drittes Kapitel: Die formelle Selbständigkeit der individuellen Besonderheiten
Blicken wir auf das zurück, was hinter uns liegt, so haben wir zuerst die Subjektivität in ihrem absoluten Kreise betrachtet: das Bewußtsein in seiner Vermittlung mit Gott, den allgemeinen Prozeß des sich in sich versöhnenden Geistes. Die Abstraktion bestand hier darin, daß sich das Gemüt vom Weltlichen, Natürlichen und Menschlichen als solchem, auch wenn dasselbe sittlich und dadurch berechtigt war, aufopfernd in sich zurückzog, um sich nur in dem reinen Himmel des Geistes zu befriedigen. - Zweitens wurde sich zwar die menschliche Subjektivität - ohne die Negativität, welche in jener Vermittlung lag, darzustellen - für sich und andere affirmativ; der Inhalt dieser weltlichen Unendlichkeit als solcher war jedoch nur die persönliche Selbständigkeit der Ehre, die Innigkeit der Liebe und Dienstbarkeit der Treue - ein Inhalt, welcher zwar in vielfachen Verhältnissen, in einer großen Mannigfaltigkeit und Gradation der Empfindung und Leidenschaft unter einem großen Wechsel äußerer Umstände zur Anschauung kommen kann, innerhalb dieser Fälle jedoch nur eben jene Selbständigkeit des Subjekts und seine Innigkeit darstellt. - Der dritte Punkt, der uns deshalb jetzt noch zu betrachten übrigbleibt, ist die Art und Weise, wie der anderweitige Stoff des menschlichen Daseins seinem Inneren und Äußeren nach, die Natur und deren Auffassung und Bedeutsamkeit für das Gemüt in die romantische Kunstform einzutreten vermag. Hier ist es also die Welt des Besonderen, Daseienden überhaupt, welche für sich frei wird und, insofern sie nicht von der Religion und dem Zusammenfassen zur Einheit des Absoluten durchdrungen erscheint, sich auf ihre eigenen Füße stellt und in ihrem eigenen Bereiche selbständig ergeht.
In diesem dritten Kreise der romantischen Kunstform sind deshalb die religiösen Stoffe und das Rittertum mit seine aus dem Innern erzeugten hohen Anschauungen und Zwecken, denen in der Gegenwart und Wirklichkeit nichts unmittelbar entspricht, verschwunden. Was sich dagegen neu befriedigt, ist der Durst nach dieser Gegenwart und Wirklichkeit selbst, das Sichbegnügen mit dem, was da ist, die Zufriedenheit mit sich selbst, mit der Endlichkeit des Menschen und dem Endlichen, Partikulären, Porträtartigen überhaupt. Der Mensch will in seiner Gegenwart das Gegenwärtige selber, wenn auch mit Aufopferung der Schönheit und Idealität des Inhalts und der Erscheinung, in präsenter Lebendigkeit von der Kunst wiedergeschaffen als sein eigenes geistiges menschliches Werk vor sich sehen. - Die christliche Religion ist, wie wir gleich anfangs sahen, nicht aus dem Boden der Phantasie, wie die orientalischen und griechischen Götter, dem Inhalt und der Gestalt nach auferwachsen. Wenn nun die Phantasie es ist, welche aus sich heraus die Bedeutung erschafft, um die Einigung des wahrhaften Inneren mit der vollendeten Gestalt desselben zu vollbringen, und in der klassischen Kunst diese Verknüpfung wirklich vollbringt, so finden wir in der christlichen Religion dagegen die weltliche Eigentümlichkeit der Erscheinung sogleich von Hause aus, wie sie geht und steht, als ein Moment in dem Ideellen aufgenommen und das Gemüt in der Gewöhnlichkeit und Zufälligkeit des Äußeren ohne die Forderung der Schönheit befriedigt. Dennoch aber ist der Mensch zunächst nur an sich, der Möglichkeit nach, mit Gott versöhnt; alle zwar sind berufen zur Seligkeit, wenige auserwählt, und das Gemüt, dem sowohl das Himmelreich als auch das Reich dieser Welt ein Jenseits bleibt, muß im Geistlichen der Weltlichkeit und der selbstischen Gegenwärtigkeit in ihr entsagen. Es geht von einer unendlichen Ferne aus, und daß ihm das zunächst nur Aufgeopferte ein affirmatives Diesseits sei, dieses positive Sichfinden und -wollen in seiner Gegenwart, was sonst der Anfang ist, macht erst den Schluß in der Fortbildung der romantischen Kunst aus und ist das Letzte, zu dem der Mensch sich in sich vertieft und punktualisiert
Was die Form für diesen neuen Inhalt betrifft, so fanden wir die romantische Kunst von ihrem Beginn an mit dem Gegensatze behaftet, daß die in sich unendliche Subjektivität für sich selber unvereinbar mit dem äußerlichen Stoffe ist und unvereinigt bleiben soll. Dies selbständige Gegenüberstehen beider Seiten und die Zurückgezogenheit des Innern in sich macht selber den Inhalt des Romantischen aus. Sich in sich hineinbildend, trennen sie sich immer von neuem wieder, bis sie am Ende ganz auseinanderfallen und dadurch zeigen, es sei in einem anderen Felde als in dem der Kunst, daß sie ihre absolute Vereinigung zu suchen haben. Durch dieses Auseinanderfallen werden die Seiten in Rücksicht auf die Kunst formell, indem sie nicht als ein Ganzes in jener vollen Einheit auftreten können, welche ihnen das klassische Ideal gibt. Die klassische Kunst steht in einem Kreise von festen Gestalten, in einer durch die Kunst vollendeten Mythologie und deren unauflösbaren Gebilden; die Auflösung des Klassischen ist deshalb, wie wir beim Übergange zur romantischen Kunstform sahen, außer dem im ganzen beschränkteren Gebiete des Komischen und Satirischen, eine Ausbildung zum Angenehmen hin oder eine Nachbildung, die sich in die Gelehrsamkeit, ins Tote und Kalte verliert und zuletzt in eine nachlässige und schlechte Technik ausartet. Die Gegenstände bleiben aber im ganzen dieselben und tauschen nur die früher geistvolle Produktionsweise mit einer immer geistloseren Darstellung und handwerksmäßigen, äußerlichen Tradition. Der Fortgang und Schluß der romantischen Kunst dagegen ist die innere Auflösung des Kunststoffs selber, der in seine Elemente auseinandergeht, ein Freiwerden seiner Teile, mit welchem umgekehrt die subjektive Geschicklichkeit und Kunst der Darstellung steigt und, je loser das Substantielle wird, um desto mehr sich vervollkommnet.
Die bestimmtere Einteilung nun dieses letzten Kapitels können wir folgendermaßen machen:
Zunächst haben wir die Selbständigkeit des Charakters vor uns, der aber ein besonderer ist, ein bestimmtes, in sich mit seiner Welt, seinen partikulären Eigenschaften und Zwecken abgeschlossenes Individuum.
Diesem Formalismus der Besonderheit des Charakters steht zweitens die äußere Gestalt der Situationen, Begebenheiten, Handlungen gegenüber. Da nun die romantische Innigkeit überhaupt gleichgültig gegen das Äußere ist, so tritt die reelle Erscheinung hier frei für sich - als von dem Inneren der Zwecke und Handlungen weder durchdrungen, noch demselben adäquat gestaltet - auf und macht in ihrer ungebundenen, losen Erscheinungsweise die Zufälligkeit der Verwicklungen, Umstände, Folge der Begebnisse, Art der Ausführung usf. als die Abenteuerlichkeit geltend.
Drittens endlich zeigt sich das Zerfallen der Seiten, deren vollständige Identität den eigentlichen Begriff der Kunst abgibt, und dadurch die Zerfallenheit und Auflösung der Kunst selbst. Auf der einen Seite geht die Kunst zur Darstellung der gemeinen Wirklichkeit als solcher, zur Darstellung der Gegenstände, wie sie in ihrer zufälligen Einzelheit und deren Eigentümlichkeiten da sind, über und hat nun das Interesse, dieses Dasein zum Scheinen durch die Geschicklichkeit der Kunst zu verwandeln; auf der anderen Seite schlägt sie im Gegenteil zur vollkommenen subjektiven Zufälligkeit der Auffassung und Darstellung um, zum Humor, als dem Verkehren und Verrücken aller Gegenständlichkeit und Realität durch den Witz und das Spiel der subjektiven Ansicht, und endet mit der produktiven Macht der künstlerischen Subjektivität über jeden Inhalt und jede Form.
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