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C. Die eigentliche Symbolik
Sowohl für die symbolische als auch für die schöne Kunst ist es notwendig, daß die Bedeutung, welche sie zu gestalten unternimmt, nicht nur, wie es im Indischen der Fall ist, aus der ersten unmittelbaren Einheit in ihrem äußeren Dasein, die noch vor aller Trennung und Unterscheidung liegt, heraustrete, sondern daß die Bedeutung für sich frei von der unmittelbar sinnlichen Gestalt werde. Diese Befreiung kann nur insofern vor sich gehen, als das Sinnliche und Natürliche in sich selber als negativ, als das Aufzuhebende und Aufgehobene erfaßt und angeschaut wird.
Weiter jedoch ist es erforderlich, daß die Negativität, welche als das Vergehen und das Sichaufheben des Natürlichen zur Erscheinung gelangt, als die absolute Bedeutung der Dinge überhaupt, als Moment des Göttlichen aufgenommen und gestaltet werde. - Damit haben wir jedoch die indische Kunst schon verlassen. Denn der indischen Phantasie fehlt es zwar nicht an der Anschauung des Negativen; Schiwa ist der Zerstörer wie der Zeuger, Indra stirbt, ja die Vernichterin Zeit, personifiziert als Kala, der furchtbare Riese, zerstört das gesamte Weltreich und alle Götter, selbst den Trimurti, der gleichfalls in Brahman aufgeht - wie das Individuum in seiner Identifikation mit dem obersten Gott sich und sein gesamtes Wissen und Wollen hinschwinden läßt. In diesen Anschauungen aber ist das Negative teils nur ein Verwandeln und Verändern, teils nur die Abstraktion, welche das Bestimmte fallen läßt, um zu der unbestimmten und dadurch leeren und gehaltlosesten Allgemeinheit hinzudringen. Die Substanz des Göttlichen dagegen bleibt im Gestaltenwechsel, Übergehen, Fortschreiten zur Vielgötterei und Wiederaufhebung derselben zu dem einen höchsten Gott unverändert ein und dieselbige. Sie ist nicht dieser eine Gott, der in sich selbst, als dieser Eine, das Negative als seine eigene, zu seinem Begriff notwendig gehörige Bestimmtheit hat. Gleichmäßig liegt in der parsischen Anschauung das Verderbenbringende und Schädliche außerhalb des Ormuzd in Ahriman und bringt dadurch nur einen Gegensatz und Kampf hervor, der nicht dem einen Gotte, dem Ormuzd, als ein in ihm selber zugeteiltes Moment angehört.
Der nähere Fortschritt, den wir jetzt zu machen haben, besteht daher darin, daß einerseits das Negative durch das Bewußtsein für sich als das Absolute fixiert, auf der anderen Seite aber nur als ein Moment des Göttlichen angesehen ist, als ein Moment jedoch, welches nicht nur außerhalb des wahrhaft Absoluten in einen anderen Gott fällt, sondern dem Absoluten so zugeschrieben wird, daß der wahre Gott als das Negativwerden seiner selber erscheint und dadurch das Negative zu seiner ihm immanenten Bestimmung hat.
Durch diese weitere Vorstellung wird das Absolute zum erstenmal in sich konkret, als Bestimmtheit seiner in sich selbst, und dadurch eine Einheit in sich, deren Momente sich für die Anschauung als die unterschiedenen Bestimmungen ein und desselben Gottes ergeben. Denn das Bedürfnis der Bestimmtheit der absoluten Bedeutung in sich ist es eben, um dessen nächste Befriedigung es sich hier vornehmlich handelt. Die bisherigen Bedeutungen blieben ihrer Abstraktion wegen das schlechthin Unbestimmte und deshalb Gestaltlose oder fielen, wenn sie umgekehrt zur Bestimmtheit fortschritten, entweder unmittelbar mit dem Naturdasein zusammen oder gerieten in einen Kampf des Gestaltens, der es zu keiner Ruhe und Versöhnung brachte. Diesem zwiefachen Mangel ist jetzt dem inneren Gedankengange wie dem äußeren Verlauf der Völkeranschauungen nach in folgender Weise abgeholfen.
Erstens knüpft sich ein näheres Band zwischen Innerem und Äußerem dadurch, daß jedes Bestimmen des Absoluten in sich schon ein Beginn des Herausgehens zur Äußerung ist. Denn jedes Bestimmen ist Unterscheiden in sich; das Äußere als solches aber ist immer bestimmt und unterschieden und deshalb eine Seite vorhanden, nach welcher das Äußere für die Bedeutung sich entsprechender als auf den bisher betrachteten Stufen zeigt. Die erste Bestimmtheit aber und Negation in sich des Absoluten kann nicht die freie Selbstbestimmung des Geistes als Geistes, sondern selber nur die unmittelbare Negation sein. Die unmittelbare und dadurch natürliche Negation in ihrer umfassendsten Weise ist der Tod. Das Absolute wird deshalb jetzt so gefaßt, daß es in dies Negative als in eine seinem eigenen Begriff zukommende Bestimmung einzugehen und den Weg des Ersterbens und des Todes zu betreten hat. Wir sehen deshalb die Verherrlichung des Todes und Schmerzes zunächst als den Tod des ersterbenden Sinnlichen im Bewußtsein der Völker aufgehen; der Tod des Natürlichen wird als ein notwendiges Glied im Leben des Absoluten gewußt. Das Absolute jedoch auf der einen Seite, um dies Moment des Todes durchzumachen, muß entstehen und ein Dasein haben, während es auf der anderen nicht bei der Vernichtung des Todes stehenbleibt, sondern daraus sich zur positiven Einheit in sich in erhöhter Weise herstellt. Das Sterben ist deshalb hier nicht etwa als die ganze Bedeutung, sondern nur als eine Seite derselben genommen und das Absolute zwar als ein Aufheben seiner unmittelbaren Existenz, als ein Vorübergehen und Vergehen, umgekehrt aber auch als eine Rückkehr in sich selbst, als ein Auferstehen und In-sich-Ewig-und-Göttlichsein durch diesen Prozeß des Negativen gefaßt. Denn der Tod hat eine gedoppelte Bedeutung: einmal ist er das selbst unmittelbare Vergehen des Natürlichen, das andere Mal der Tod des nur Natürlichen und dadurch die Geburt eines Höheren, des Geistigen, welchem das bloß Natürliche in der Weise abstirbt, daß der Geist dies Moment als zu seinem Wesen gehörig an sich selbst hat.
Deshalb kann nun aber zweitens die Naturgestalt in ihrer Unmittelbarkeit und sinnlichen Existenz nicht mehr so aufgefaßt werden, daß sie mit der in ihr erschauten Bedeutung zusammenfalle, weil ja die Bedeutung des Äußerlichen selbst darin besteht, in seinem realen Dasein zu ersterben und sich aufzuheben.
In der gleichen Weise drittens fällt der bloße Kampf der Bedeutung und Gestalt und die Gärung der Phantasie fort, welche in Indien das Phantastische hervorbrachte. Die Bedeutung ist zwar auch jetzt noch nicht in ihrer von der vorhandenen Realität befreiten, reinen Einheit mit sich als Bedeutung in vollendet gereinigter Klarheit gewußt, so daß sie ihrer veranschaulichenden Gestalt gegenübertreten könnte. Umgekehrt aber soll auch nicht die einzelne Gestalt, als dieses einzelne Tiergebilde oder diese menschliche Personifikation, Begebenheit, Handlung, eine unmittelbar angemessene Existenz des Absoluten zur Anschauung bringen. Diese schlechte Identität ist um ebensoweit bereits überschritten, als jene vollkommene Befreiung noch nicht erreicht ist. An die Stelle von beidem setzt sich diejenige Darstellungsart, welche wir oben schon als die eigentlich symbolische bezeichnet haben. Einerseits kann sie jetzt hervortreten, weil das Innerliche und als Bedeutung Erfaßte nicht mehr wie im Indischen nur kommt und geht, herüber und hinüber sich bald unmittelbar in die Äußerlichkeit versenkt, bald sich aus derselben in die Einsamkeit der Abstraktion zurückzieht, sondern sich für sich gegen die bloß natürliche Realität zu befestigen anfängt. Andererseits muß jetzt das Symbol zur Gestaltung gelangen. Denn obschon die vollständig hierher gehörige Bedeutung das Moment der Negativität des Natürlichen zu ihrem Inhalte hat, so beginnt doch das wahrhaft Innere sich erst aus dem Natürlichen herauszuringen und ist deshalb selber noch in die äußere Erscheinungsweise verschlungen, so daß es nicht für sich selbst schon ohne äußere Gestalt in seiner klaren Allgemeinheit ins Bewußtsein kommen kann.
Dem Begriff desjenigen, was überhaupt im Symbolischen die Grundbedeutung ausmacht, entspricht nun die Gestaltungsart in der Weise, daß die bestimmten Naturformen und menschlichen Handlungen in ihrer vereinzelten Eigentümlichkeit weder nur sich selbst darstellen und bedeuten, noch das unmittelbar in ihnen als vorhanden anschaubare Göttliche zum Bewußtsein bringen sollen. Ihr bestimmtes Dasein soll in seiner besonderen Gestalt nur Qualitäten haben, welche auf eine mit ihnen verwandte umfassendere Bedeutung hindeuten. Deshalb bildet gerade jene allgemeine Dialektik des Lebens, das Entstehen, Wachsen, Untergehen und Wiederhervorgehen aus dem Tode, auch in dieser Beziehung den gemäßen Inhalt für die eigentlich symbolische Form, weil sich fast in allen Gebieten des natürlichen und geistigen Lebens Erscheinungen finden, welche diesen Prozeß zum Grunde ihrer Existenz haben und daher zur Veranschaulichung solcher Bedeutungen und zur Hinweisung auf sie gebraucht werden können. Denn zwischen beiden Seiten findet in der Tat eine wirkliche Verwandtschaft statt. So entstehen die Pflanzen aus ihrem Samen, sie keimen, wachsen, blühen, bringen Frucht, die Frucht verdirbt und bringt wieder neuen Samen. Die Sonne in ähnlicher Weise steht im Winter niedrig, im Frühling steigt sie hoch hinauf, bis sie im Sommer ihren Scheitelpunkt erreicht und nun ihren größten Segen spendet oder ihre Verderblichkeit ausübt, dann aber wieder hinabsinkt. Auch die verschiedenen Lebensalter, die Kindheit, Jugend, das Mannes- und Greisenalter stellen denselben allgemeinen Prozeß dar. Besonders aber treten hier zur näheren Partikularisation noch spezifische Lokalitäten auf, wie z. B. der Nil. Insofern nun durch diese gründlicheren Züge der Verwandtschaft und das nähere Entsprechen der Bedeutung und ihres Ausdrucks das bloß Phantastische beseitigt ist, tritt eine bedachtsame Wahl der symbolisierenden Gestalten in betreff auf ihre Angemessenheit oder Unangemessenheit ein, und jener rastlose Taumel beruhigt sich zu einer verständigeren Besonnenheit.
Wir sehen deshalb eine versöhntere Einheit, wie wir sie auf der ersten Stufe fanden, wieder hervorkommen, mit dem Unterschiede jedoch, daß die Identität der Bedeutung und ihres realen Daseins keine mehr unmittelbare, sondern eine aus der Differenz hergestellte und deshalb nicht vorgefundene, sondern aus dem Geist produzierte Einigung ist. Das Innere überhaupt beginnt hier zur Selbständigkeit zu gedeihen und seiner bewußt zu werden und sucht sein Gegenbild im Natürlichen, welches seinerseits ein gleiches Gegenbild an dem Leben und Schicksal des Geistigen hat. Aus diesem Drange, welcher die eine Seite in der anderen wiedererkennen, durch die äußere Gestalt sich das Innere und durch das Innere die Bedeutung der Außengestalten in der Verknüpfung beider vor die Anschauung und Einbildungskraft bringen will, geht hier der ungeheure Trieb nach symbolischer Kunst hervor. Erst wo das Innere frei wird und doch den Trieb behält, sich, was es seinem Wesen nach sei, in realer Gestalt vorstellig zu machen und diese Vorstellung selbst als ein auch äußerliches Werk vor sich zu haben, erst da beginnt der eigentliche Trieb der Kunst, hauptsächlich der bildenden. Erst hierdurch nämlich ist die Notwendigkeit vorhanden, dem Inneren aus der geistigen Tätigkeit eine nicht nur vorgefundene, sondern ebensosehr aus dem Geiste erfundene Erscheinung zu geben. Die Phantasie macht sich dann eine zweite Gestalt, welche nicht für sich selber als Zweck gilt, sondern nur zur Veranschaulichung einer ihr verwandten Bedeutung benutzt und von dieser deshalb abhängig ist.
Dies Verhältnis könnte man sich nun so denken, daß die Bedeutung das wäre, wovon das Bewußtsein ausginge und sich demnächst erst zum Ausdrucke seiner Vorstellungen nach verwandten Gestalten umsähe. Dies aber ist nicht der Weg der eigentlich symbolischen Kunst. Denn ihre Eigentümlichkeit besteht darin, daß sie noch nicht zum Auffassen der Bedeutungen an und für sich, unabhängig von jeder Äußerlichkeit, durchdringt. Sie nimmt umgekehrt ihren Ausgangspunkt von dem Vorhandenen und dessen konkretem Dasein in Natur und Geist und erweitert dasselbe sodann erst zur Allgemeinheit von Bedeutungen, deren Inhalt solch eine reale Existenz ihrerseits gleichfalls, wenn auch nur in beschränkterer Art und in bloß annähernder Weise, in sich enthält. Zugleich aber bemächtigt sie sich dieser Objekte nur, um phantasievoll aus ihnen eine Gestalt zu schaffen, welche in dieser besonderen Realität jene Allgemeinheit dem Bewußtsein anschaulich und vorstellig macht. Als symbolisch haben daher die Kunstgebilde noch nicht die dem Geiste wahrhaft adäquate Form, weil der Geist hier selber sich noch nicht in sich klar und der dadurch freie Geist ist; aber es sind doch wenigstens Gestaltungen, welche an sich selber sogleich zeigen, daß sie nicht nur, um sich allein darzustellen, erwählt sind, sondern auf tiefer liegende und umfassendere Bedeutungen hindeuten wollen. Das bloß Natürliche und Sinnliche stellt sich selbst vor, das symbolische Kunstwerk dagegen, mag es Naturerscheinungen oder menschliche Gestalten vors Auge bringen, weist sogleich aus sich heraus auf anderes hin, das jedoch eine innerlich begründete Verwandtschaft mit den vorgeführten Gebilden und eine wesentliche Bezüglichkeit auf sie haben muß. Der Zusammenhang nun zwischen der konkreten Gestalt und ihrer allgemeinen Bedeutung kann mannigfach sein, bald äußerlicher und dadurch unklarer, bald aber auch gründlicher, wenn nämlich die zu symbolisierende Allgemeinheit in der Tat das Wesentliche der konkreten Erscheinung ausmacht; wodurch denn die Faßbarkeit des Symbols um vieles erleichtert wird.
Der abstrakteste Ausdruck ist in dieser Beziehung die Zahl, welche jedoch nur zu einer klareren Andeutung in dem Falle zu gebrauchen ist, wenn die Bedeutung selber eine Zahlbestimmung in sich hat. Die Zahl sieben und zwölf z. B. kommt häufig in der ägyptischen Baukunst vor, weil sieben die Zahl der Planeten, zwölf die Anzahl der Monde oder der Fuße ist, um welche das Wasser des Nils, um fruchtbar zu sein, steigen muß. Solche Zahl wird dann als heilig angesehen, insofern sie eine Zahlbestimmung ist in den großen elementarischen Verhältnissen, welche als die Mächte des ganzen Naturlebens verehrt werden. Zwölf Stufen, sieben Säulen sind insofern symbolisch. Dergleichen Zahlensymbolik reicht selbst noch in schon weiterschreitende Mythologien hinein. Die zwölf Arbeiten z. B. des Herkules scheinen sich auch von den zwölf Monaten des Jahres herzuschreiben, indem Herkules einerseits zwar der als durchaus menschlich individualisierte Heros auftritt, andererseits aber auch noch eine symbolisierte Naturbedeutung in sich trägt und eine Personifikation des Sonnenlaufs ist.
Konkreter schon sind dann ferner symbolische Raumfigurationen: labyrinthische Gänge als Symbol für den Kreislauf der Planeten, wie auch Tänze in ihren Verschlingungen den geheimeren Sinn haben, die Bewegung der großen elementarischen Körper symbolisch nachzubilden.
Weiter hinauf geben dann Tiergestalten die Symbole ab, am vollendetesten aber die menschliche Körperform, welche hier schon in höherer und gemäßerer Weise herausgearbeitet erscheint, da der Geist auf dieser Stufe überhaupt schon beginnt, aus dem bloß Natürlichen sich zu seiner selbständigeren Existenz hervorzugestalten.
Dies macht den allgemeinen Begriff des eigentlichen Symbols und die Notwendigkeit der Kunst für die Darstellung desselben aus. Um nun die konkreteren Anschauungen dieser Stufe zu besprechen, müssen wir bei diesem ersten Niedergange des Geistes in sich aus dem Orient heraustreten und uns mehr nach Westen hinwenden.
Als ein allgemeines Symbol, das diesen Standpunkt bezeichnet, können wir das Bild des Phönix an die Spitze stellen, der sich selber verbrennt, doch verjüngt aus dem Flammentode und der Asche wieder hervorgeht. Herodot erzählt (II, 73), er habe in Abbildungen wenigstens diesen Vogel in Ägypten gesehen, und in der Tat geben auch die Ägypter den Mittelpunkt für die symbolische Kunstform ab. Ehe wir jedoch zur näheren Betrachtung fortschreiten, können wir noch einige andere Mythen berühren, welche den Übergang zu jener nach allen Seiten hin vollständig durchgearbeiteten Symbolik bilden. Es sind dies die Mythen vom Adonis, seinem Tode, der Klage der Aphrodite um ihn, die Trauerfeste usf., - Anschauungen, welche die syrische Küste zu ihrer Heimat haben. Der Dienst der Kybele bei den Phrygiern hat dieselbe Bedeutung, welche auch in den Mythen von Kastor und Pollux, Ceres und Proserpina noch nachklingt.
Als Bedeutung ist hier vornehmlich jenes bereits erwähnte Moment des Negativen, der Tod des Natürlichen, als absolut im Göttlichen begründet, herausgehoben und für sich anschaulich gemacht. Deshalb die Trauerfeste über den Tod des Gottes, die ausschweifenden Klagen über den Verlust, der dann aber durch das Wiederfinden, Erstehen, Erneuen wieder vergütet wird, so daß nun auch Freudenfeste nachfolgen können. Diese allgemeine Bedeutung hat dann wieder ihren bestimmteren Natursinn. Die Sonne verliert im Winter ihre Kraft, doch im Frühling gewinnt sie und mit ihr die Natur ihre Verjüngung wieder, sie stirbt und wird wiedergeboren. Hier findet also das als menschliches Begebnis personifizierte Göttliche seine Bedeutung im Naturleben, das dann andererseits wieder Symbol für die Wesentlichkeit des Negativen überhaupt, im Geistigen wie im Natürlichen, ist.
Das vollständige Beispiel aber für die Durcharbeitung der symbolischen Kunst, sowohl ihrem eigentümlichen Inhalte als ihrer Form nach, haben wir in Ägypten aufzusuchen. Ägypten ist das Land des Symbols, das sich die geistige Aufgabe der Selbstentzifferung des Geistes stellt, ohne zu der Entzifferung wirklich hinzugelangen. Die Aufgaben bleiben ungelöst, und die Lösung, die wir geben können, besteht deshalb auch nur darin, die Rätsel der ägyptischen Kunst und ihrer symbolischen Werke als diese von den Ägyptern selbst unentzifferte Aufgabe aufzufassen. Weil sich in dieser Weise hier der Geist noch in der Äußerlichkeit, aus der er dann wieder herausstrebt, sucht und sich nun in unermüdlicher Betriebsamkeit abarbeitet, um sich aus sich selber sein Wesen durch die Erscheinungen der Natur wie diese durch die Gestalt des Geistes für die Anschauung statt für den Gedanken zu produzieren, so sind die Ägypter unter den bisherigen Völkern das eigentliche Volk der Kunst. Ihre Werke aber bleiben geheimnisvoll und stumm, klanglos und unbewegt, weil hier der Geist selber noch sein eigenes inneres Leben nicht wahrhaft gefunden hat und noch die klare und helle Sprache des Geistes nicht zu reden versteht. In dem unbefriedigten Triebe und Drange, in so lautloser Weise dies Ringen selber sich durch die Kunst zur Anschauung zu bringen, das Innere zu gestalten und sich seines Inneren wie des Inneren überhaupt nur durch äußere verwandte Gestalten bewußt zu werden, ist Ägypten charakterisiert. Das Volk dieses wunderbaren Landes war nicht nur ein ackerbauendes, sondern ein bauendes Volk, das nach allen Seiten hin den Boden umgewühlt, Kanäle und Seen gegraben und im Instinkte der Kunst nicht allein an das Tageslicht die ungeheuersten Konstruktionen herausgestellt, sondern die gleich unermeßlichen Bauwerke auch in den größten Dimensionen in die Erde gewaltsam hineingearbeitet hat. Dergleichen Monumente zu errichten war, wie schon Herodot erzählt, ein Hauptgeschäft des Volks und eine Haupttat der Fürsten. Die Bauwerke der Inder sind zwar auch kolossal, aber in dieser unendlichen Mannigfaltigkeit als in Ägypten finden sie sich nirgend.
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