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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

   Inhalt - Übersicht       

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 [<Das Schöne der Kunst]

Wie es sich nun auch immer hiermit verhalten mag, so ist es einmal der Fall,
daß die Kunst nicht mehr diejenige Befriedigung der geistigen Bedürfnisse gewährt,
welche frühere Zeiten und Völker in ihr gesucht und nur in ihr gefunden haben,
- eine Befriedigung, welche wenigstens von seiten der Religion aufs innigste mit der Kunst verknüpft war.
Die schönen Tage der griechischen Kunst wie die goldene Zeit des späteren Mittelalters sind vorüber. Die Reflexionsbildung unseres heutigen Lebens macht es uns, sowohl in Beziehung auf den Willen als auch auf das Urteil, zum Bedürfnis, allgemeine Gesichtspunkte festzuhalten und danach das Besondere zu regeln, so daß allgemeine Formen, Gesetze, Pflichten, Rechte, Maximen als Bestimmungsgründe gelten und das hauptsächlich Regierende sind.
Für das Kunstinteresse aber wie für die Kunstproduktion fordern wir im allgemeinen mehr eine Lebendigkeit, in welcher das Allgemeine nicht als Gesetz und Maxime vorhanden sei,
sondern als mit dem Gemüte und der Empfindung identisch wirke,
wie auch in der Phantasie das Allgemeine und Vernünftige als mit einer konkreten sinnlichen Erscheinung in Einheit gebracht enthalten ist.
Deshalb ist unsere Gegenwart ihrem allgemeinen Zustande nach der Kunst nicht günstig.
Selbst der ausübende Künstler ist nicht etwa nur durch die um ihn her laut werdende Reflexion, durch die allgemeine Gewohnheit des Meinens und Urteilens über die Kunst verleitet und angesteckt, in seine Arbeiten selbst mehr Gedanken hineinzubringen, sondern die ganze geistige Bildung ist von der Art, daß er selber innerhalb solcher reflektierenden Welt und ihrer Verhältnisse steht und nicht etwa durch Willen und Entschluß davon abstrahieren oder durch besondere Erziehung oder Entfernung von den Lebensverhältnissen sich eine besondere, das Verlorene wieder ersetzende Einsamkeit erkünsteln und zuwege bringen könnte.

 In allen diesen Beziehungen ist und bleibt die Kunst nach der Seite ihrer höchsten Bestimmung für uns ein Vergangenes.
Damit hat sie für uns auch die echte Wahrheit und Lebendigkeit verloren und ist mehr in unsere Vorstellung verlegt, als daß sie in der Wirklichkeit ihre frühere Notwendigkeit behauptete und ihren höheren Platz einnähme.
Was durch Kunstwerke jetzt in uns erregt wird, ist außer dem unmittelbaren Genuß zugleich unser Urteil, indem wir den Inhalt, die Darstellungsmittel des Kunstwerks und die Angemessenheit und Unangemessenheit beider unserer denkenden Betrachtung unterwerfen.
Die Wissenschaft der Kunst ist darum in unserer Zeit noch viel mehr Bedürfnis als zu den Zeiten, in welchen die Kunst für sich als Kunst schon volle Befriedigung gewährte.
Die Kunst lädt uns zur denkenden Betrachtung ein, und zwar nicht zu dem Zwecke, Kunst wieder hervorzurufen, sondern, was die Kunst sei, wissenschaftlich zu erkennen.

  Wollen wir nun aber dieser Einladung Folge leisten, so begegnet uns die schon berührte Bedenklichkeit, daß die Kunst etwa wohl überhaupt für philosophisch reflektierende,
jedoch nicht eigentlich für systematisch wissenschaftliche Betrachtungen einen angemessenen Gegenstand abgebe. Hierin jedoch liegt zunächst die falsche Vorstellung, als ob eine philosophische Betrachtung auch unwissenschaftlich sein könne.
Es ist über diesen Punkt hier nur in der Kürze zu sagen, daß, welche Vorstellungen man sonst von Philosophie und vom Philosophieren haben möge, ich das Philosophieren durchaus als von Wissenschaftlichkeit untrennbar erachte.
Denn die Philosophie hat einen Gegenstand nach der Notwendigkeit zu betrachten, und zwar nicht nur nach der subjektiven Notwendigkeit oder äußeren Ordnung, Klassifikation usf.,
sondern sie hat den Gegenstand nach der Notwendigkeit seiner eigenen inneren Natur zu entfalten und zu beweisen.
Erst diese Explikation macht überhaupt das Wissenschaftliche einer Betrachtung aus.
Insofern aber die objektive Notwendigkeit eines Gegenstandes wesentlich in seiner logisch-metaphysischen Natur liegt, kann übrigens, ja es muß selbst bei der isolierten Betrachtung der Kunst - die so viele Voraussetzungen, teils in Ansehung des Inhalts selbst, teils in Ansehung ihres Materials und Elementes hat, durch welches die Kunst zugleich immer an die Zufälligkeit anstreift - von der wissenschaftlichen Strenge nachgelassen werden, und es ist nur in betreff auf den wesentlichen inneren Fortgang ihres Inhalts und ihrer Ausdrucksmittel an die Gestaltung der Notwendigkeit zu erinnern.

 Was aber den Einwurf betrifft, daß die Werke der schönen Kunst sich der wissenschaftlich denkenden Betrachtung entzögen, weil sie aus der regellosen Phantasie und dem Gemüt ihren Ursprung nähmen und unübersehbar an Anzahl und Mannigfaltigkeit nur auf Empfindung und Einbildungskraft ihre Wirkung äußerten, so scheint diese Verlegenheit auch jetzt noch von Gewicht zu sein.
Denn in der Tat erscheint das Kunstschöne in einer Form, die dem Gedanken ausdrücklich gegenübersteht und die er, um sich in seiner Weise zu betätigen, zu zerstören genötigt ist.
Diese Vorstellung hängt mit der Meinung zusammen, daß das Reelle überhaupt, das Leben der Natur und des Geistes, durch das Begreifen verunstaltet und getötet,
daß es, statt durch begriffsmäßiges Denken uns nahegebracht zu sein, erst recht entfernt werde, so daß der Mensch sich durch das Denken, als Mittel, das Lebendige zu fassen,
sich vielmehr um diesen Zweck selber bringe. Erschöpfend ist hierüber an dieser Stelle nicht zu sprechen, sondern nur der Gesichtspunkt anzugeben, aus welchem die Beseitigung dieser Schwierigkeit oder Unmöglichkeit oder Ungeschicklichkeit zu bewirken wäre.

 So viel wird man zunächst zugeben, daß der Geist, sich selbst zu betrachten,
ein Bewußtsein, und zwar ein denkendes über sich selbst und über alles,
was aus ihm entspringt, zu haben fähig sei.
Denn das Denken gerade macht die innerste wesentliche Natur des Geistes aus.
In diesem denkenden Bewußtsein über sich und seine Produkte, soviel Freiheit und Willkür dieselben sonst auch immer haben mögen, wenn er nur wahrhaft darin ist, verhält sich der Geist seiner wesentlichen Natur gemäß.
Die Kunst nun und ihre Werke, als aus dem Geiste entsprungen und erzeugt, sind selber geistiger Art, wenn auch ihre Darstellung den Schein der Sinnlichkeit in sich aufnimmt und das Sinnliche mit Geist durchdringt.
In dieser Beziehung liegt die Kunst dem Geiste und seinem Denken schon näher als die nur äußere geistlose Natur; er hat es in den Kunstprodukten nur mit dem Seinigen zu tun.
Und wenn auch die Kunstwerke nicht Gedanken und Begriff, sondern eine Entwicklung des Begriffs aus sich selber, eine Entfremdung zum Sinnlichen hin sind, so liegt die Macht des denkenden Geistes darin, nicht etwa nur sich selbst in seiner eigentümlichen Form als Denken zu fassen, sondern ebensosehr sich in seiner Entäußerung zur Empfindung und Sinnlichkeit wiederzuerkennen, sich in seinem Anderen zu begreifen, indem er das Entfremdete zu Gedanken verwandelt und so zu sich zurückführt.
Und der denkende Geist wird sich in dieser Beschäftigung mit dem Anderen seiner selbst nicht etwa ungetreu, so daß er sich darin vergäße und aufgäbe, noch ist er so ohnmächtig,
das von ihm Unterschiedene nicht erfassen zu können, sondern er begreift sich und sein Gegenteil.
Denn der Begriff ist das Allgemeine, das in seinen Besonderungen sich erhält, über sich und sein Anderes übergreift und so die Entfremdung, zu der er fortgeht, ebenso wieder aufzuheben die Macht und Tätigkeit ist.
So gehört auch das Kunstwerk, in welchem der Gedanke sich selbst entäußert, zum Bereich des begreifenden Denkens, und der Geist, indem er es der wissenschaftlichen Betrachtung unterwirft, befriedigt darin nur das Bedürfnis seiner eigensten Natur.
Denn weil das Denken sein Wesen und Begriff ist, ist er letztlich nur befriedigt, wenn er alle Produkte seiner Tätigkeit auch mit dem Gedanken durchdrungen und sie so erst wahrhaft zu den seinigen gemacht hat. Die Kunst aber, weit entfernt, wie wir noch bestimmter sehen werden,
die höchste Form des Geistes zu sein, erhält in der Wissenschaft erst ihre echte Bewährung.

 Ebenso verweigert sich die Kunst nicht durch regellose Willkür der philosophischen Betrachtung. Denn wie bereits angedeutet, ist ihre wahrhafte Aufgabe, die höchsten Interessen des Geistes zum Bewußtsein zu bringen. Hieraus ergibt sich sogleich nach der Seite des Inhalts, daß die schöne Kunst nicht könne in wilder Fessellosigkeit der Phantasie umherschweifen, denn diese geistigen Interessen setzen ihr für ihren Inhalt bestimmte Haltpunkte fest, mögen die Formen und Gestaltungen auch noch so mannigfaltig und unerschöpflich sein. Das gleiche gilt für die Formen selbst. Auch sie sind nicht dem bloßen Zufall anheimgegeben.
Nicht jede Gestaltung ist fähig, der Ausdruck und die Darstellung jener Interessen zu sein, sie in sich aufzunehmen und wiederzugeben, sondern durch einen bestimmten Inhalt ist auch die ihm angemessene Form bestimmt.

 Von dieser Seite her sind wir denn auch fähig, uns in der scheinbar unübersehbaren Masse der Kunstwerke und Formen gedankenmäßig zu orientieren.

 So hätten wir jetzt also erstens den Inhalt unserer Wissenschaft, auf den wir uns beschränken wollen, angegeben und gesehen, wie weder die schöne Kunst einer philosophischen Betrachtung unwürdig noch die philosophische Betrachtung unfähig sei, das Wesen der schönen Kunst zu erkennen.

 

 

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