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a. Das poetische Kunstwerk überhaupt
In Rücksicht auf das poetische Kunstwerk im allgemeinen brauchen wir nur die Forderung zu wiederholen, daß es, wie jedes andere Produkt der freien Phantasie, zu einer organischen Totalität müsse ausgestaltet und abgeschlossen werden. Diesem Anspruch kann nur in folgender Weise Genüge geschehen.
α) Erstens muß dasjenige, was den durchgreifenden Inhalt ausmacht, sei es ein bestimmter Zweck des Handelns und Begebens oder eine bestimmte Empfindung und Leidenschaft, vor allem Einheit in sich selbst haben.
αα) Auf dieses Eine muß sich dann alles übrige beziehen und damit in konkretem freiem Zusammenhange stehen. Dies ist nur dadurch möglich, daß der gewählte Inhalt nicht als abstraktes Allgemeines gefaßt wird, sondern als menschliches Handeln und Empfinden, als Zweck und Leidenschaft, welche dem Geist, dem Gemüt, dem Wollen bestimmter Individuen angehören und aus dem eigenen Boden dieser individuellen Natur selbst entspringen.
ββ) Das Allgemeine, das zur Darstellung gelangen soll, und die Individuen, in deren Charakter, Begebnissen und Handlungen es zur poetischen Erscheinung heraustritt, dürfen deshalb nicht auseinanderfallen oder so bezogen sein, daß die Individuen nur abstrakten Allgemeinheiten dienstbar werden, sondern beide Seiten müssen lebendig ineinander verwebt bleiben. So ist in der Ilias z. B. der Kampf der Griechen und Troer und der Sieg der Hellenen an den Zorn des Achilles geknüpft, welcher dadurch den zusammenhaltenden Mittelpunkt des Ganzen abgibt. Allerdings finden sich auch poetische Werke, in welchen der Grundinhalt teils überhaupt allgemeinerer Art ist, teils auch für sich in bedeutenderer Allgemeinheit ausgeführt wird, wie z. B. in Dantes großem epischen Gedichte, das die ganze göttliche Welt durchschreitet und nun die verschiedenartigsten Individuen im Verhältnis zu den Höllenstrafen, dem Fegefeuer und den Segnungen des Paradieses darstellt. Aber auch hier ist kein abstraktes Auseinanderfallen dieser Seiten und keine bloße Dienstbarkeit der einzelnen Subjekte vorhanden. Denn in der christlichen Welt ist das Subjekt nicht als bloße Akzidenz der Gottheit zu fassen, sondern als unendlicher Zweck in sich selbst, so daß hier der allgemeine Zweck, die göttliche Gerechtigkeit im Verdammen und Seligsprechen, zugleich als die immanente Sache, das ewige Interesse und Sein des Einzelnen selber erscheinen kann. Es ist in dieser göttlichen Welt schlechthin um das Individuum zu tun: im Staate kann es wohl aufgeopfert werden, um das Allgemeine, den Staat zu retten; in bezug auf Gott aber und in dem Reiche Gottes ist es an und für sich Selbstzweck.
γγ) Drittens jedoch muß nun auch das Allgemeine, das den Inhalt für die menschliche Empfindung und Handlung liefert, als selbständig, in sich fertig und vollendet dastehen und eine abgeschlossene Welt für sich ausmachen. Hören wir z. B. in unseren Tagen von einem Offizier, General, Beamten, Professor usw. und stellen wir uns vor, was dergleichen Figuren und Charaktere in ihren Zuständen und Umgebungen zu wollen und zu vollbringen imstande sind, so haben wir nur einen Inhalt des Interesses und der Tätigkeit vor uns, der teils nichts für sich Abgerundetes und Selbständiges ist, sondern in unendlich mannigfaltigen äußeren Zusammenhängen, Verhältnissen und Abhängigkeiten steht, teils wieder als abstraktes Ganzes genommen die Form eines von der Individualität des sonstigen totalen Charakters losgerissenen Allgemeinen, der Pflicht z. B., annehmen kann. - Umgekehrt gibt es wohl einen Inhalt gediegener Art, der ein in sich geschlossenes Ganzes bildet, doch ohne weitere Entwicklung und Bewegung schon in einem Satze vollendet und fertig ist. Von solchem Gehalt läßt sich eigentlich nicht sagen, ob er zur Poesie oder Prosa zu rechnen sei. Das große Wort des Alten Testaments z. B.: "Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht", ist in seiner Gediegenheit und schlagenden Fassung für sich die höchste Poesie so gut als Prosa. Ebenso die Gebote: "Ich bin der Herr, der Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir"; oder: "Du sollst Vater und Mutter ehren." Auch die goldenen Sprüche des Pythagoras, die Sprüche und Weisheit Salomonis usf. gehören hierher. Es sind dies gehaltvolle Sätze, die gleichsam noch vor dem Unterschiede des Prosaischen und Poetischen liegen. Ein poetisches Kunstwerk aber ist dergleichen selbst in größeren Zusammenstellungen kaum zu nennen, denn die Abgeschlossenheit und Rundung haben wir in der Poesie zugleich als Entwicklung, Gliederung und deshalb als eine Einheit zu nehmen, welche wesentlich aus sich zu einer wirklichen Besonderung ihrer unterschiedenen Seiten und Teile herausgeht. Diese Forderung, welche sich in der bildenden Kunst, nach seiten der Gestalt wenigstens, von selber versteht, ist auch für das poetische Kunstwerk von höchster Wichtigkeit.
β) Wir sind dadurch auf einen zweiten zur organischen Gliederung gehörigen Punkt geführt, auf die Besonderung nämlich des Kunstwerks in sich zu einzelnen Teilen, welche, um in eine organische Einheit treten zu können, als für sich selber ausgebildet erscheinen müssen.
αα) Die nächste Bestimmung, die hier sich auftut, findet darin ihren Grund, daß die Kunst überhaupt beim Besonderen zu verweilen liebt. Der Verstand eilt, indem er das Mannigfaltige sogleich entweder theoretisch aus allgemeinen Gesichtspunkten her zusammenfaßt und es zu Reflexionen und Kategorien verflüchtigt oder es praktisch bestimmten Zwecken unterwirft, so daß das Besondere und Einzelne nicht zu seinem vollständigen Rechte kommt. Sich bei dem aufzuhalten, was dieser Stellung gemäß nur einen relativen Wert bewahren kann, erscheint dem Verstande deshalb als unnütz und langweilig. Der poetischen Auffassung und Ausgestaltung aber muß jeder Teil, jedes Moment für sich interessant, für sich lebendig sein, und sie verweilt daher mit Lust beim Einzelnen, malt es mit Liebe aus und behandelt es als eine Totalität für sich. Wie groß also das Interesse, der Gehalt auch sein mag, den die Poesie zum Mittelpunkte eines Kunstwerks macht, so organisiert sie doch ebensosehr auch im Kleinen, - wie schon im menschlichen Organismus jedes Glied, jeder Finger aufs zierlichste zu einem Ganzen abgerundet ist und überhaupt in der Wirklichkeit sich jede besondere Existenz zu einer Welt in sich abschließt. Das Fortschreiten der Poesie ist deshalb langsamer als die Urteile und Schlüsse des Verstandes, dem es sowohl bei seinen theoretischen Betrachtungen als auch bei seinen praktischen Zwecken und Absichten vornehmlich auf das Endresultat, weniger dagegen auf den Weg, den er entlanggeht, ankommt. - Was aber den Grad anbetrifft, in welchem hier die Poesie ihrem Hange zu jenem verweilenden Ausmalen nachgeben darf, so sahen wir schon, daß es nicht ihr Beruf sei, das Äußerliche als solches in der Form seiner sinnlichen Erscheinung weitläufig zu beschreiben. Macht sie sich deshalb dergleichen breite Schilderungen zu ihrer Hauptaufgabe, ohne geistige Bezüge und Interessen darin widerscheinen zu lassen, so wird sie schwerfällig und langweilig. Besonders muß sie sich hüten, in betreff auf genaues Detaillieren mit der partikulären Vollständigkeit des realen Daseins wetteifern zu wollen. Schon die Malerei muß in dieser Rücksicht vorsichtig sein und sich zu beschränken wissen. Bei der Poesie nun kommt hierbei noch der doppelte Gesichtspunkt in Betracht, daß sie einerseits nur auf die innere Anschauung wirken kann und andererseits das, was in der Wirklichkeit mit einem Blicke zu überschauen und zu fassen ist, nur in vereinzelten Zügen nacheinander vor die Vorstellung zu bringen vermag und daher in Ausführung des Einzelnen sich nicht so weit verbreiten darf, daß darüber notwendig die Totalanschauung sich trübt, verwirrt oder verlorengeht. Besondere Schwierigkeiten hat sie vornehmlich dann zu besiegen, wenn sie uns ein verschiedenartiges Handeln oder Geschehen vor Augen stellen soll, das sich der Wirklichkeit nach zur selbigen Zeit vollbringt und wesentlich in engem Zusammenhange dieser Gleichzeitigkeit steht, während sie es doch immer nur als ein Nacheinander vorzuführen imstande bleibt. - In Ansehung dieses Punktes sowie der Art des Verweilens, Fortschreitens usf. ergeben sich übrigens aus dem Unterschiede der besonderen Gattungen der Poesie sehr verschiedenartige Forderungen. Es muß z. B. die epische Poesie in ganz anderem Grade beim Einzelnen und Äußeren standhalten als die dramatische, die sich im rascheren Laufe vorwärtstreibt, oder die lyrische, die es sich nur mit dem Innerlichen zu tun macht.
ββ) Durch eine solche Ausbildung nun verselbständigen sich zweitens die besonderen Teile des Kunstwerks. Dies scheint zwar der Einheit, die wir als erste Bedingung aufstellten, schlechthin zu widersprechen, in der Tat aber ist dieser Widerspruch nur ein falscher Schein. Denn die Selbständigkeit darf sich nicht in der Weise befestigen, daß jeder besondere Teil sich absolut von dem anderen abtrennt, sondern muß sich nur insoweit geltend machen, als dadurch die verschiedenen Seiten und Glieder zeigen, ihrer selbst wegen in eigentümlicher Lebendigkeit zur Darstellung gekommen zu sein und auf eigenen freien Füßen zu stehen. Fehlt dagegen den einzelnen Teilen die individuelle Lebendigkeit, so wird das Kunstwerk, das wie die Kunst überhaupt dem Allgemeinen nur in Form wirklicher Besonderheit ein Dasein geben kann, kahl und tot.
γγ) Dieser Selbständigkeit zum Trotz müssen jedoch dieselben einzelnen Teile ebensosehr in Zusammenhang bleiben, insofern die eine Grundbestimmung, welche sich in ihnen expliziert und darstellt, sich als die durchgreifende und die Totalität des Besonderen zusammenhaltende und in sich zurücknehmende Einheit kundzugeben hat. An dieser Forderung vornehmlich kann die Poesie, wenn sie nicht auf ihrer Höhe steht, leicht scheitern und das Kunstwerk aus dem Elemente der freien Phantasie in das Bereich der Prosa zurückversetzen. Der Zusammenhang nämlich, in welchen die Teile gebracht werden, darf keine bloße Zweckmäßigkeit sein. Denn in dem teleologischen Verhältnisse ist der Zweck die für sich vorgestellte und gewollte Allgemeinheit, die sich zwar die besonderen Seiten, durch welche und in denen sie Existenz gewinnt, gemäß zu machen versteht, dieselben jedoch nur als Mittel verwendet und ihnen insofern alles freie Bestehen für sich und dadurch jede Art der Lebendigkeit raubt. Die Teile kommen dann nur in absichtliche Beziehung auf den einen Zweck, der allein als gültig hervorstechen soll und das übrige abstrakt in seinen Dienst nimmt und sich unterwirft. Diesem unfreien verständigen Verhältnisse widerstrebt die freie Schönheit der Kunst.
γ) Deshalb muß die Einheit, welche sich in den besonderen Teilen des Kunstwerks wiederherzustellen hat, anderer Art sein. Wir können die zwiefache Bestimmung, die in ihr liegt, so fassen:
αα) Erstens ist jedem Teile die oben geforderte eigentümliche Lebendigkeit zu bewahren. Sehen wir nun aber auf das Recht, nach welchem das Besondere überhaupt in das Kunstwerk eingeführt werden kann, so gingen wir davon aus, daß es eine Grundidee sei, zu deren Darstellung das Kunstwerk überhaupt unternommen wird. Von ihr aus muß daher auch alles Bestimmte und Einzelne seinen eigentlichen Ursprung herschreiben. Der Inhalt nämlich eines poetischen Werks darf nicht an sich selbst abstrakter, sondern muß konkreter Natur sein und somit durch sich selber auf eine reichhaltige Entfaltung unterschiedener Seiten hinleiten. Wenn nun diese Unterschiedenheit, mag sie auch in ihrer Verwirklichung scheinbar zu direkten Gegensätzen auseinanderfallen, in jenem in sich einheitsvollen Gehalt der Sache nach begründet ist, so kann dies nicht anders der Fall sein, als wenn der Inhalt selbst seinem Begriffe und Wesen gemäß eine in sich abgeschlossene und übereinstimmende Totalität von Besonderheiten enthält, welche die seinigen sind und in deren Auseinanderlegung sich erst, was er selber seiner eigentlichen Bedeutung zufolge ist, wahrhaft expliziert. Nur diese besonderen Teile, welche dem Inhalte ursprünglich angehören, dürfen sich deshalb im Kunstwerke in der Form wirklicher, für sich gültiger und lebendiger Existenz ausbreiten und haben in dieser Rücksicht, wie sehr sie auch in der Realisation ihrer besonderen Eigentümlichkeit einander gegenüberzutreten scheinen mögen, von Hause aus ein geheimes Zusammenstimmen, das in ihrer eigenen Natur seinen Grund findet.
ββ) Da nun zweitens das Kunstwerk in Form realer Erscheinung darstellt, so muß die Einheit, um nicht den lebendigen Widerschein des Wirklichen zu gefährden, selbst nur das innere Band sein, das die Teile scheinbar unabsichtlich zusammenhält und sie zu einer organischen Totalität abschließt. Diese seelenvolle Einheit des Organischen ist es, die allein das eigentlich Poetische, der prosaischen Zweckmäßigkeit gegenüber, hervorzubringen vermag. Wo nämlich das Besondere nur als Mittel für einen bestimmten Zweck erscheint, hat es und soll es an sich selbst kein eigentümliches Gelten und Leben haben, sondern im Gegenteil in seiner ganzen Existenz dartun, daß es nur um eines anderen, d. h. des bestimmten Zweckes willen, da sei. Die Zweckmäßigkeit gibt ihre Herrschaft über die Objektivität, in welcher der Zweck sich realisiert, offenbar kund. Das Kunstwerk aber kann den Besonderheiten, in deren Entfaltung es den zum Mittelpunkt erwählten Grundinhalt auseinanderlegt, den Schein selbständiger Freiheit zuteilen und muß es tun, weil dies Besondere nichts anderes ist als eben jener Inhalt selber in Form seiner wirklichen, ihm entsprechenden Realität. Wir können dadurch an das Geschäft des spekulativen Denkens erinnert werden, das gleichfalls einerseits das Besondere aus der zunächst unbestimmten Allgemeinheit zur Selbständigkeit entwickeln muß, andererseits aber zu zeigen hat, wie innerhalb dieser Totalität des Besonderen, in welcher nur das sich expliziert, was an sich in dem Allgemeinen liegt, sich eben deswegen die Einheit wiederhergestellt hat und nun erst wirklich konkrete, durch ihre eigenen Unterschiede und deren Vermittlung erwiesene Einheit ist. Die spekulative Philosophie bringt durch diese Betrachtungsweise gleichfalls Werke zustande, welche, hierin den poetischen ähnlich, eine durch den Inhalt selbst in sich abgeschlossene Identität und gegliederte Entfaltung haben; bei der Vergleichung beider Tätigkeiten aber müssen wir außer dem Unterschiede der reinen Gedankenentwicklung und der darstellenden Kunst eine andere wesentliche Verschiedenheit herausheben. Die philosophische Deduktion nämlich tut wohl die Notwendigkeit und Realität des Besonderen dar, durch das dialektische Aufheben desselben beweist sie jedoch ausdrücklich wieder an jedem Besonderen selbst, daß es nur in der konkreten Einheit erst seine Wahrheit und seinen Bestand finde. Die Poesie dagegen schreitet zu solch einem absichtlichen Aufzeigen nicht fort; die zusammenstimmende Einheit muß zwar vollständig in jedem ihrer Werke vorhanden und als das Beseelende des Ganzen auch in allem Einzelnen tätig sein, aber diese Gegenwärtigkeit bleibt das durch die Kunst nicht ausdrücklich hervorgehobene, sondern innerliche Ansich, wie die Seele unmittelbar in allen Gliedern lebendig ist, ohne denselben den Schein eines selbständigen Daseins zu nehmen. Es geht damit wie mit Tönen und Farben. Gelb, Blau, Grün, Rot sind verschiedene Farben, die sich bis zu vollständigen Gegensätzen forttreiben und doch, da sie als Totalität im Wesen der Farbe selbst liegen, in Harmonie bleiben können, ohne daß ihre Einheit als solche ausdrücklich an ihnen herausgekehrt ist. Ebenso bleiben der Grundton, die Terz und Quinte besondere Töne und geben doch die Zusammenstimmung des Dreiklangs; ja sie bilden diese Harmonie nur, wenn jedem Tone für sich sein freier eigentümlicher Klang gelassen wird.
γγ) In Ansehung der organischen Einheit und Gliederung des Kunstwerks nun aber bringt ebensowohl die besondere Kunstform, aus welcher das Kunstwerk seinen Ursprung hat, als auch die bestimmte Gattung der Poesie, in deren speziellem Charakter es sich ausgestaltet, wesentliche Unterschiede herein. Die Poesie z. B. der symbolischen Kunst kann bei abstrakteren, unbestimmteren Bedeutungen, die den Grundinhalt abgeben, die echte organische Durchbildung nicht in dem Grade der Reinheit erreichen, als dies bei Werken der klassischen Kunstform möglich ist. Im Symbolischen ist überhaupt, wie wir im ersten Teile sahen, der Zusammenhang der allgemeinen Bedeutung und des wirklichen Erscheinens, zu der die Kunst den Inhalt verkörpert, lockerer Art, so daß hier die Besonderheiten bald eine größere Selbständigkeit behalten, bald wieder, wie in der Erhabenheit, sich nur aufheben, um in dieser Negation die eine alleinige Macht und Substanz faßbar zu machen, oder es nur zu einer rätselhaften Verknüpfung besonderer, an sich selbst ebenso heterogener als verwandter Züge und Seiten des natürlichen und geistigen Daseins bringen. Umgekehrt gibt die romantische Kunstform, in welcher das Innere sich als in sich zurückgezogen nur dem Gemüte offenbart, der besonderen äußeren Realität einen gleichfalls weiteren Spielraum selbständiger Entfaltung, so daß auch hier der Zusammenhang und die Einheit aller Teile zwar vorhanden sein muß, doch so klar und fest nicht kann ausgebildet werden als in den Produkten der klassischen Kunstform.
In der ähnlichen Art gestattet das Epos ein breiteres Ausmalen des Äußerlichen sowie ein Verweilen bei episodischen Begebenheiten und Taten, wodurch die Einheit des Ganzen bei der vermehrten Selbständigkeit der Teile als weniger durchgreifend erscheint. Das Drama hingegen erheischt eine strengere Zusammengezogenheit, obschon die romantische Poesie auch im Dramatischen sich eine episodenreiche Mannigfaltigkeit und eine ausführende Partikularität in der Charakteristik sowohl des Inneren als auch des Äußeren erlaubt. Die Lyrik, nach Maßgabe ihrer verschiedenen Arten, nimmt gleichfalls die vielseitigste Darstellungsweise auf, indem sie bald erzählt, bald nur Empfindungen und Betrachtungen ausspricht, bald bei einem ruhigeren Fortgang eine enger verknüpfende Einheit beobachtet, bald in fesselloser Leidenschaft scheinbar in Vorstellungen und Empfindungen einheitslos umherschweifen kann. - Soviel vom poetischen Kunstwerk im allgemeinen.
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