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Einteilung [Geruch, Gesicht, Gehör]
Was nun nach diesen allgemeinen Andeutungen über die allen Künsten gemeinsamen Stilunterschiede die nähere Einteilung unseres dritten Hauptteils angeht, so hat besonders der einseitige Verstand nach den verschiedenartigen Gründen für die Klassifikation der einzelnen Künste und Kunstarten umhergesucht. Die echte Einteilung aber kann nur aus der Natur des Kunstwerks, welche in der Totalität der Gattungen die Totalität der in ihrem eigenen Begriff liegenden Seiten und Momente expliziert, hergenommen werden. Das nächste, was sich in dieser Beziehung als wichtig darbietet, ist der Gesichtspunkt, daß die Kunst, indem ihre Gebilde jetzt in die sinnliche Realität herauszutreten die Bestimmung erhalten, dadurch nun auch für die Sinne sei, so daß also die Bestimmtheit dieser Sinne und der ihnen entsprechenden Materialität, in welcher sich das Kunstwerk objektiviert, die Einteilungsgründe für die einzelnen Künste abgeben müsse. Die Sinne nun, weil sie Sinne sind, d. i. sich auf das Materielle, das Außereinander und in sich Vielfache beziehen, sind selber verschiedene: Gefühl, Geruch, Geschmack, Gehör und Gesicht. Die innere Notwendigkeit dieser Totalität und ihrer Gliederung zu erweisen, ist hier nicht unseres Amtes, sondern Sache der Naturphilosophie; unsere Frage beschränkt sich auf die Untersuchung, ob alle diese Sinne - und wenn nicht, welche derselben sodann - ihrem Begriff nach die Fähigkeit haben, Organe für die Auffassung von Kunstwerken zu sein. Wir haben in dieser Rücksicht bereits früher (Bd. I, S. 60 f.) Gefühl, Geschmack und Geruch ausgeschlossen. Böttigers4) Herumtatscheln an den weichen Marmorpartien der weiblichen Göttinnen gehört nicht zur Kunstbeschauung und zum Kunstgenuß. Denn durch den Tastsinn bezieht sich das Subjekt, als sinnlich Einzelnes, bloß auf das sinnlich Einzelne und dessen Schwere, Härte, Weiche, materiellen Widerstand; das Kunstwerk aber ist nichts bloß Sinnliches, sondern der Geist als im Sinnlichen erscheinend. Ebensowenig läßt sich ein Kunstwerk als Kunstwerk schmecken, weil der Geschmack den Gegenstand nicht frei für sich beläßt, sondern sich's reell praktisch mit ihm zu tun macht, ihn auflöst und verzehrt. Eine Bildung und Verfeinerung des Geschmacks ist nur in Ansehung der Speisen und ihrer Zubereitung oder der chemischen Qualitäten der Objekte möglich und erforderlich. Der Gegenstand der Kunst aber soll angeschaut werden in seiner für sich selbständigen Objektivität, die zwar für das Subjekt ist, aber nur in theoretischer, intelligenter, nicht praktischer Weise, und ohne alle Beziehung auf die Begierde und den Willen. Was den Geruch angeht, so kann er ebensowenig ein Organ des Kunstgenusses sein, weil sich die Dinge dem Geruch nur darbieten, insofern sie in sich selber prozessierend sind, sich auflösen durch die Luft und deren praktischen Einfluß.
Das Gesicht dagegen hat zu den Gegenständen ein rein theoretisches Verhältnis vermittels des Lichtes, dieser gleichsam immateriellen Materie, welche nun auch ihrerseits die Objekte frei für sich bestehen läßt, sie scheinen und erscheinen macht, sie aber nicht praktisch, wie Luft und Feuer, unvermerkt oder offen verzehrt. Für das begierdelose Sehen nun ist alles, was materiell im Raume als ein Außereinander existiert, das aber, insofern es in seiner Integrität unangefochten bleibt, sich nur seiner Gestalt und Farbe nach kundgibt.
Der andere theoretische Sinn ist das Gehör. Hier kommt das Entgegengesetzte zum Vorschein. Das Gehör hat es statt mit der Gestalt, Farbe usf. mit dem Ton, mit dem Schwingen des Körpers zu tun, das kein Auflösungsprozeß, wie der Geruch ihn bedarf, sondern ein bloßes Erzittern des Gegenstandes ist, wobei das Objekt sich unversehrt erhält. Diese ideelle Bewegung, in welcher sich durch ihr Klingen gleichsam die einfache Subjektivität, die Seele der Körper äußert, faßt das Ohr ebenso theoretisch auf als das Auge Gestalt oder Farbe und läßt dadurch das Innere der Gegenstände für das Innere selbst werden.
Zu diesen beiden Sinnen kommt als drittes Element die sinnliche Vorstellung, die Erinnerung, das Aufbewahren der Bilder, welche durch die einzelne Anschauung ins Bewußtsein treten, hier unter Allgemeinheiten subsumiert, mit denselben durch die Einbildungskraft in Beziehung und Einheit gesetzt werden, so daß nun einerseits die äußere Realität selber als innerlich und geistig existiert, während das Geistige andererseits in der Vorstellung die Form des Äußerlichen annimmt und als ein Außereinander und Nebeneinander zum Bewußtsein gelangt.
Diese dreifache Auffassungsweise gibt für die Kunst die bekannte Einteilung in die bildenden Künste, welche ihren Inhalt zu äußerlicher objektiver Gestalt und Farbe sichtbar herausarbeiten, zweitens in die tönende Kunst, die Musik, und drittens in die Poesie, welche als redende Kunst den Ton bloß als Zeichen gebraucht, um durch ihn sich an das Innere der geistigen Anschauung, Empfindung und Vorstellung zu wenden. Will man jedoch bei dieser sinnlichen Seite als dem letzten Einteilungsgrund stehenbleiben, so gerät man sogleich in Rücksicht auf die näheren Prinzipien in Verlegenheit, da die Gründe der Einteilung, statt aus dem konkreten Begriffe der Sache selbst, nur aus einer der abstraktesten Seiten derselben hergenommen sind. Wir haben uns deshalb nach der tiefer greifenden Einteilungsweise wieder umzusehen, die bereits in der Einleitung als die wahre systematische Gliederung dieses dritten Teils ist angegeben worden. Die Kunst hat keinen anderen Beruf, als das Wahre, wie es im Geiste ist, seiner Totalität nach mit der Objektivität und dem Sinnlichen versöhnt vor die sinnliche Anschauung zu bringen. Insofern dies nun auf dieser Stufe im Elemente der äußerlichen Realität der Kunstgebilde geschehen soll, so fällt hier die Totalität, welche das Absolute seiner Wahrheit nach ist, in ihre unterschiedenen Momente auseinander.
Die Mitte, das eigentlich gediegene Zentrum, bildet hier die Darstellung des Absoluten, des Gottes selbst als Gottes, in seiner Selbständigkeit für sich noch nicht zur Bewegung und Differenz entwickelt und zur Handlung und Besonderung seiner fortgehend, sondern in sich abgeschlossen in großartiger göttlicher Ruhe und Stille: das an sich selbst gemäß gestaltete Ideal, das in seinem Dasein mit sich selbst in entsprechender Identität bleibt. Um in dieser unendlichen Selbständigkeit erscheinen zu können, muß das Absolute als Geist, als Subjekt gefaßt sein, aber als Subjekt, das an sich selbst zugleich seine adäquate äußerliche Erscheinung hat.
Als göttliches Subjekt nun aber, das zur wirklichen Realität heraustritt, hat es sich gegenüber eine äußere umgebende Welt, welche dem Absoluten gemäß zu einer mit demselben zusammenstimmenden, von dem Absoluten durchdrungenen Erscheinung muß heraufgebildet werden. Diese umgebende Welt nun ist auf der einen Seite das Objektive als solches, der Boden, die Umschließung der äußeren Natur, die für sich keine geistige absolute Bedeutung, kein subjektives Inneres hat und deshalb das Geistige, als dessen zur Schönheit umgestaltete Umschließung sie erscheinen soll, auch nur andeutend auszudrücken befähigt ist.
Der äußeren Natur gegenüber steht das subjektive Innere, das menschliche Gemüt als Element für das Dasein und die Erscheinung des Absoluten. Mit dieser Subjektivität tritt sogleich die Vielheit und Verschiedenheit der Individualität, Partikularisation, Differenz, Handlung und Entwicklung, überhaupt die volle und bunte Welt der Wirklichkeit des Geistes ein, in welcher das Absolute gewußt, gewollt, empfunden und betätigt wird.
Schon aus dieser Andeutung ergibt sich, daß die Unterschiede, zu denen sich der totale Inhalt der Kunst auseinanderlegt, für die Auffassung und Darstellung im wesentlichen mit dem zusammenstimmen, was wir im zweiten Teile als die symbolische, klassische und romantische Kunstform betrachtet haben. Denn das Symbolische bringt es statt zur Identität des Inhalts und der Form nur zur Verwandtschaft beider und zur bloßen Andeutung der inneren Bedeutung in ihrer sich selbst und dem Gehalt, den sie ausdrücken soll, äußerlichen Erscheinung und gibt deshalb den Grundtypus für diejenige Kunst, welche das Objektive als solches, die Naturumgebung, zu einer schönen Kunstumschließung des Geistes heraufzuarbeiten und diesem Äußeren die innere Bedeutung des Geistigen andeutend einzubilden die Aufgabe erhält. Das klassische Ideal dagegen entspricht der Darstellung des Absoluten als solchen in seiner selbständig in sich beruhenden äußeren Realität, während die romantische Kunstform die Subjektivität des Gemüts und der Empfindung in deren Unendlichkeit und endlichen Partikularität zum Inhalte wie zur Form hat.
Nach diesem Einteilungsgrunde nun gliedert sich das System der einzelnen Künste folgendermaßen:
Erstens steht als der durch die Sache selbst begründete Anfang die Architektur vor uns da. Sie ist der Anfang der Kunst, weil die Kunst in ihrem Beginn überhaupt für die Darstellung ihres geistigen Gehaltes weder das gemäße Material noch die entsprechenden Formen gefunden hat und sich deshalb in dem bloßen Suchen der wahren Angemessenheit und in der Äußerlichkeit von Inhalt und Darstellungsweise genügen muß. Das Material dieser ersten Kunst ist das an sich selbst Ungeistige, die schwere und nur nach den Gesetzen der Schwere gestaltbare Materie; ihre Form sind die Gebilde der äußeren Natur, regelmäßig und symmetrisch zu einem bloß äußeren Reflex des Geistes und zur Totalität eines Kunstwerks verbunden.
Die zweite Kunst ist die Skulptur. Zu ihrem Prinzip und Inhalt hat sie die geistige Individualität als das klassische Ideal, so daß das Innere und Geistige seinen Ausdruck in der dem Geiste immanenten leiblichen Erscheinung findet, welche die Kunst hier in wirklichem Kunstdasein darzustellen hat. Zu ihrem Material ergreift sie deshalb gleichfalls noch die schwere Materie in deren räumlicher Totalität, ohne dieselbe jedoch bloß in Rücksicht auf ihre Schwere und deren Naturbedingungen nach den Formen des Organischen oder Unorganischen regelmäßig zu formieren oder in Ansehung ihrer Sichtbarkeit zu einem bloßen Scheinen des äußerlichen Erscheinens herabzusetzen und wesentlich in sich zu partikularisieren. Die durch den Inhalt selbst bestimmte Form aber ist hier die reale Lebendigkeit des Geistes, die menschliche Gestalt und deren vom Geist durchatmeter objektiver Organismus, der die Selbständigkeit des Göttlichen in seiner hohen Ruhe und stillen Größe, unberührt von der Zwiespältigkeit und Beschränkung des Handelns, der Konflikte und Erduldungen, zur adäquaten Erscheinung zu gestalten hat.
Drittens müssen wir die Künste, welche die Innerlichkeit des Subjektiven zu gestalten berufen sind, zu einer letzten Totalität zusammenfassen.
Den Anfang dieses letzten Ganzen bildet die Malerei, indem sie die äußere Gestalt selber ganz zum Ausdruck des Innern herüberwendet, das nun innerhalb der umgebenden Welt nicht nur die ideale Beschlossenheit des Absoluten in sich darstellt, sondern dasselbe nun auch als an sich selbst subjektiv in seinem geistigen Dasein, Wollen, Empfinden, Handeln, in seiner Tätigkeit und Beziehung auf anderes und deshalb auch in Leiden, Schmerz, Tod, in dem ganzen Kreislaufe der Leidenschaften und Befriedigungen zur Anschauung bringe. Ihr Gegenstand ist daher nicht mehr Gott als solcher, als Objekt des menschlichen Bewußtseins, sondern dieses Bewußtsein selbst: der Gott entweder in seiner Wirklichkeit des subjektiv lebendigen Handelns und Leidens oder als Geist der Gemeine, als das sich empfindende Geistige, Gemütliche in seinem Entbehren, seiner Aufopferung, Beseligung und Freudigkeit des Lebens und Wirkens inmitten der daseienden Welt. Als Mittel für die Darstellung dieses Inhalts darf sich die Malerei, in betreff auf die Gestalt, der äußerlichen Erscheinung überhaupt bedienen, sowohl der Natur als solcher als auch des menschlichen Organismus, insofern derselbe das Geistige klar durch sich hindurchleuchten läßt. - Zum Material dagegen kann sie nicht die schwere Materialität und deren räumlich vollständige Existenz gebrauchen, sondern muß dieses Material, wie sie es mit den Gestalten tut, an sich selbst verinnerlichen. Der erste Schritt, durch welchen das Sinnliche sich in dieser Beziehung dem Geist entgegenhebt, besteht einerseits in der Aufhebung der realen sinnlichen Erscheinung, deren Sichtbarkeit zum bloßen Schein der Kunst verwandelt wird; andererseits in der Farbe, durch deren Unterschiede, Übergänge und Verschmelzungen diese Verwandlung sich zustande bringt. Die Malerei zieht deshalb für den Ausdruck des inneren Gemüts die Dreiheit der Raumdimensionen in die Fläche als die nächste Innerlichkeit des Äußeren zusammen und stellt die räumlichen Entfernungen und Gestalten durch das Scheinen der Farbe dar. Denn die Malerei hat es nicht mit dem Sichtbarmachen überhaupt, sondern mit der sich ebensosehr in sich partikularisierenden als auch innerlich gemachten Sichtbarkeit zu tun. In der Skulptur und Baukunst werden die Gestalten durch das äußerliche Licht sichtbar. In der Malerei dagegen hat die in sich selbst dunkle Materie in sich selbst ihr Inneres, Ideelles, das Licht; sie ist in sich selbst durchleuchtet und das Licht ebendeswegen in sich selbst verdunkelt. Die Einheit aber und Ineinsbildung des Lichts und Dunkels ist die Farbe.
Den Gegensatz nun zweitens gegen die Malerei in ein und derselben Sphäre bildet die Musik. Ihr eigentliches Element ist das Innere als solches, die für sich gestaltlose Empfindung, welche sich nicht im Äußeren und dessen Realität, sondern nur durch die in ihrer Äußerung schnell verschwindende und sich selber aufhebende Äußerlichkeit kundzugeben vermag. Ihren Gehalt macht deshalb die geistige Subjektivität in ihrer unmittelbaren, subjektiven Einheit in sich, das menschliche Gemüt, die Empfindung als solche aus, ihr Material der Ton, ihre Gestaltung die Figuration, das Zusammenstimmen, sich Trennen, Verbinden, Entgegensetzen, Widersprechen und Auflösen der Töne nach ihren quantitativen Unterschieden voneinander und ihrem künstlerisch verarbeiteten Zeitmaß.
Das dritte endlich zu Malerei und Musik ist die Kunst der Rede, die Poesie überhaupt, die absolute, wahrhafte Kunst des Geistes und seiner Äußerung als Geist. Denn alles, was das Bewußtsein konzipiert und in seinem eigenen Inneren geistig gestaltet, vermag allein die Rede aufzunehmen, auszudrücken und vor die Vorstellung zu bringen. Dem Inhalte nach ist deshalb die Poesie die reichste, unbeschränkteste Kunst. Was sie jedoch nach der geistigen Seite hin gewinnt, verliert sie ebensosehr wieder nach der sinnlichen. Indem sie nämlich weder für die sinnliche Anschauung arbeitet wie die bildenden Künste noch für die bloß ideelle Empfindung wie die Musik, sondern ihre im Innern gestalteten Bedeutungen des Geistes nur für die geistige Vorstellung und Anschauung selber machen will, so behält für sie das Material, durch welches sie sich kundgibt, nur noch den Wert eines wenn auch künstlerisch behandelten Mittels für die Äußerung des Geistes an den Geist und gilt nicht als ein sinnliches Dasein, in welchem der geistige Gehalt eine ihm entsprechende Realität zu finden imstande sei. Dies Mittel kann unter den bisher betrachteten nur der Ton als das dem Geist noch relativ gemäßeste sinnliche Material sein. Der Ton jedoch bewahrt hier nicht, wie in der Musik, schon für sich selber Gültigkeit, so daß sich in der Gestaltung desselben der einzig wesentliche Zweck der Kunst erschöpfen könnte, sondern erfüllt sich umgekehrt ganz mit der geistigen Welt und dem bestimmten Inhalt der Vorstellung und Anschauung und erscheint als bloße äußere Bezeichnung dieses Gehalts. Was nun die Gestaltungsweise der Poesie angeht, so zeigt sie sich in dieser Rücksicht als die totale Kunst dadurch, daß sie, was in der Malerei und Musik nur relativ der Fall ist, in ihrem Felde die Darstellungsweise der übrigen Künste wiederholt.
Auf der einen Seite nämlich gibt sie ihrem Inhalte als epische Poesie die Form der Objektivität, welche hier zwar nicht wie in den bildenden Künsten auch zu einer äußerlichen Existenz gelangt, aber doch eine von der Vorstellung in Form des Objektiven aufgefaßte und für die innere Vorstellung als objektiv dargestellte Welt ist. Dies macht die eigentliche Rede als solche aus, die sich in ihrem Inhalt selbst und dessen Äußerung durch die Rede genügt.
Andererseits jedoch ist die Poesie umgekehrt ebensosehr subjektive Rede, das Innere, das sich als Inneres hervorkehrt, die Lyrik, welche die Musik zu ihrer Hilfe herzuruft, um tiefer in die Empfindung und das Gemüt hineinzudringen.
Drittens endlich geht die Poesie auch zur Rede innerhalb einer in sich beschlossenen Handlung fort, die sich ebenso objektiv darstellt, als sie das Innere dieser objektiven Wirklichkeit äußert und deshalb mit Musik und Gebärde, Mimik, Tanz usf. verschwistert werden kann. Dies ist die dramatische Kunst, in welcher der ganze Mensch das vom Menschen produzierte Kunstwerk reproduzierend darstellt.
Diese fünf Künste bilden das in sich selbst bestimmte und gegliederte System der realen wirklichen Kunst. Außer ihnen gibt es freilich noch andere unvollkommene Künste, Gartenbaukunst, Tanz usf., deren wir jedoch nur gelegentlich werden Erwähnung tun können. Denn die philosophische Betrachtung hat sich nur an die Begriffsunterschiede zu halten und die denselben gemäßen wahrhaften Gestaltungen zu entwickeln und zu begreifen. Die Natur und die Wirklichkeit überhaupt bleibt zwar nicht bei diesen bestimmten Abgrenzungen, sondern weicht in weiterer Freiheit davon ab, und man kann es in dieser Rücksicht oft genug rühmen hören, daß sich die genialischen Produktionen gerade über dergleichen Abscheidungen erheben müssen; aber wie in der Natur die Zwitterarten, Amphibien, Übergänge statt der Vortrefflichkeit und Freiheit der Natur nur ihre Ohnmacht bekunden, die in der Sache selbst begründeten, wesentlichen Unterschiede nicht festhalten zu können und dieselben durch äußere Bedingungen und Einwirkungen verkümmern zu lassen, so steht es auch in der Kunst mit solchen Mittelgattungen, obschon dieselben noch manches Erfreuliche, Anmutige und Verdienstliche, wenn auch nicht schlechthin Vollendetes leisten können.
Wollen wir uns jetzt nach diesen einleitenden Bemerkungen und Übersichten zur spezielleren Betrachtung der einzelnen Künste selbst hinüberwenden, so geraten wir sogleich nach einer anderen Seite hin in Verlegenheit. Denn nachdem wir uns bisher mit der Kunst als solcher, dem Ideal und den allgemeinen Formen, zu denen dasselbe sich seinem Begriffe nach entwickelt, beschäftigt haben, müssen wir jetzt in das konkrete Dasein der Kunst und damit in das Empirische herübertreten. Hier nun geht es fast wie in der Natur, deren allgemeine Kreise sich wohl in ihrer Notwendigkeit begreifen lassen, in deren wirklichem sinnlichen Dasein aber die einzelnen Gebilde und deren Arten - sowohl in ihren Seiten, die sie der Betrachtung darbieten, als auch in ihrer Gestalt, in der sie existieren - von solchem Reichtum der Mannigfaltigkeit sind, daß teils die vielfachste Weise sich dazu zu verhalten möglich wird, teils der philosophische Begriff, wenn wir den Maßstab seiner einfachen Unterschiede anwenden wollen, nicht auszureichen und das begreifende Denken vor dieser Fülle nicht zu Atem kommen zu können scheint. Begnügen wir uns aber mit bloßer Beschreibung äußerlichen Reflexionen, so stimmt dies wiederum mit unserem Zwecke einer wissenschaftlich-systematischen Entwicklung nicht zusammen. Zu alle diesem gesellt sich dann noch die Schwierigkeit, daß jede einzelne Kunst jetzt für sich schon eine eigene Wissenschaft erfordert, da mit der stets wachsenden Liebhaberei zur Kunstkenntnis der Umfang derselben immer reicher und breiter geworden ist. Diese Liebhaberei der Dilettanten aber ist in unserer Zeit einerseits durch die Philosophie selber zur Mode gemacht, seitdem man hat behaupten wollen, in der Kunst sei die eigentliche Religion, das Wahre und Absolute zu finden und sie stehe höher als die Philosophie, weil sie nicht abstrakt sei, sondern die Idee zugleich in Realität und für die konkrete Anschauung und Empfindung enthalte. Andererseits gehört es heutigentags zum vornehmen Wesen in der Kunst, sich mit solchem Überfluß des unendlichsten Details zu befassen, für welches von jedem gefordert wird, daß er etwas Neues solle bemerkt haben. Solche kunstkennerische Beschäftigung ist eine Art gelehrten Müßiggangs, der sich's nicht allzu sauer braucht werden zu lassen. Denn es ist etwas sehr Angenehmes, Kunstwerke zu besehen, die Gedanken und Reflexionen, welche dabei vorkommen können, aufzufassen, die Gesichtspunkte sich geläufig zu machen, die andere dabei gehabt haben, und so selber Urteiler und Kenner zu werden und zu sein. Je reicher nun dadurch, daß jeder doch zugleich auch etwas Eigentümliches und Eigenes will herausgefunden haben, die Kenntnisse und Reflexionen geworden sind, desto mehr erheischt jetzt jede besondere Kunst, ja jeder einzelne Zweig derselben, die Vollständigkeit einer eigenen Abhandlung. Daneben macht dann vollends das Geschichtliche, das notwendig hereinkommt, bei Betrachtung und Würdigung von Kunstwerken die Sache noch gelehrter und weitläufiger. Endlich muß man vieles, sehr vieles gesehen und wiedergesehen haben, um über die Einzelheiten eines Kunstfaches mitsprechen zu können. Nun habe ich zwar mehreres gesehen, aber doch nicht das alles, was, um mit vollständigem Detail die Materie abzuhandeln, notwendig wäre. - Allen diesen Schwierigkeiten wollen wir durch die einfache Erklärung begegnen, daß es innerhalb unseres Zwecks gar nicht darum zu tun ist, Kunstkenntnisse zu lehren und historische Gelehrsamkeiten vorzubringen, sondern nur darum, die wesentlichen allgemeinen Gesichtspunkte der Sache und deren Beziehung auf die Idee des Schönen in ihrer Realisation im Sinnlichen der Kunst philosophisch zu erkennen. Und in diesem Zweck darf uns die vorhin angedeutete Vielseitigkeit der Kunstgebilde letztlich nicht stören, denn auch hier ist trotz dieser Mannigfaltigkeit das begriffsgemäße Wesen der Sache selbst das Leitende; und wenn dasselbe auch durch das Element seiner Realisation sich vielfach in Zufälligkeiten verliert, so gibt es doch Punkte, an denen es ebensosehr klar heraustritt, und diese Seiten aufzufassen und philosophisch zu entwickeln ist die Aufgabe, welche die Philosophie zu erfüllen hat.
4) Karl August Böttiger, 1760-1835, Altphilologe
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