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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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1. Architekturwerke, zur Vereinigung der Völker erbaut

"Was ist heilig?" fragt Goethe einmal in einem Distichon und antwortet:
"Das ist's, was viele Seelen zusammenbindet."
In diesem Sinne können wir sagen, das Heilige mit dem Zweck dieses Zusammenhalts und als dieser Zusammenhalt habe den ersten Inhalt der selbständigen Baukunst ausgemacht.
Das nächste Beispiel hierfür liefert uns die Sage vom babylonischen Turmbau.
In den weiten Ebenen des Euphrat errichtet der Mensch ein ungeheures Werk der Architektur; gemeinsam erbaut er es, und die Gemeinsamkeit der Konstruktion wird zugleich der Zweck und Inhalt des Werkes selbst.
Und zwar bleibt diese Stiftung eines gesellschaftlichen Verbandes keine bloß patriarchalische Vereinigung; im Gegenteil hat die bloße Familieneinheit sich gerade aufgehoben, und der in die Wolken sich erhebende Bau ist das Sich-objektiv-Werden dieser aufgelösten früheren und die Realisation einer neuen erweiterten Einigung.
Die Gesamtheit der damaligen Völker hat daran gearbeitet, und wie sie alle zueinandertraten, um dies eine unermeßliche Werk zustande zu bringen, sollte das Produkt ihrer Tätigkeit das Band sein, das sie durch den aufgewühlten Grund und Boden, durch die zusammengefügte Steinmasse und die gleichsam architektonische Bebauung des Landes - wie bei uns es Sitte, Gewohnheit und die gesetzliche Verfassung des Staats tun - aneinanderknüpfte.
Ein solcher Bau ist dann zugleich symbolisch, indem er das Band, das er ist, nur andeutet, weil er in seiner Form und Gestalt das Heilige, an und für sich die Menschen Vereinigende nur in äußerlicher Weise auszudrücken imstande ist. Daß von dem Mittelpunkt der Vereinigung zu solch einem Werke die Völkerschaften wieder auseinandergegangen, ist dann in dieser Tradition gleichfalls ausgesprochen.

Ein anderes wichtigeres Bauwerk, das schon einen sichereren historischen Boden hat, ist der Turm des Belus, von welchem Herodot uns (I, 181) Kunde gibt. In welchem Verhältnis derselbe zu dem der Bibel stehe, wollen wir hier nicht untersuchen. Einen Tempel in unserem Sinne des Worts dürfen wir diesen ganzen Bau nicht nennen, eher einen Tempelbezirk, in Quadratform, von jeder Seite zu zwei Stadien Länge, mit ehernen Pforten als Eingang.
In der Mitte dieses Heiligtums, erzählt Herodot, der dies kolossale Werk noch gesehen, war ein dichtgemauerter Turm (nicht hohl inwendig, sondern massiv, ein πpύϱγος σsτtεeϱεeός) erbaut, von der Länge und Breite eines Stadiums, auf diesem steht noch ein anderer und wieder ein anderer auf diesem und so fort bis auf acht Türme. Außenherum geht ein Weg bis ganz hinauf; und ziemlich in der Mitte der Höhe ist ein Rastort mit Bänken zum Ausruhen für die Hinaufsteigenden.
Auf dem letzten Turm aber ist ein großer Tempel, und in dem Tempel liegt ein großes, wohlgebettetes Lagerpolster, und davor steht ein goldener Tisch. Ein Standbild jedoch ist nicht im Tempel errichtet, auch hält sich bei Nacht kein Mensch dort auf, ausgenommen eine von den einheimischen Frauen, die der Gott von allen sich auserwählt, wie die Chaldäer, die Priester dieses Gottes, sagen.
Auch behaupten die Priester (c. 182), der Gott selbst besuche den Tempel und ruhe auf dem Lager aus. Herodot erzählt nun zwar (c. 183), daß auch unten in dem Heiligtum noch ein anderer Tempel sei, worin ein großes Bild des Gottes von Gold sitze, mit einem großen Tische von Golde vor sich, und spricht zugleich von zwei großen Altären außerhalb des Tempels, an welchen die Opfer dargebracht wurden; dessenungeachtet aber können wir diesen Riesenbau nicht mit Tempeln in griechischem oder modernem Sinne gleichstellen. Denn die sieben ersten Würfel sind ganz massiv und nur der oberste, achte ein Aufenthalt für den unsichtbaren Gott, der dort oben keiner Anbetung von seiten der Priester oder der Gemeinde genoß. Das Standbild war unten, außerhalb des Baues, so daß sich also das ganze Werk eigentlich selbständig für sich erhebt und nicht gottesdienstlichen Zwecken dient, obschon es kein bloßer abstrakter Vereinigungspunkt mehr ist, sondern ein Heiligtum.
Die Form bleibt hier zwar noch der Zufälligkeit überlassen oder wird nur durch den materiellen Grund der Festigkeit als Würfel bestimmt, zugleich aber tritt die Forderung ein, nach einer Bedeutung zu suchen, welche für das Werk als Ganzes genommen eine nähere symbolische Bestimmung abgeben kann. Wir müssen dieselbe, obschon dies von Herodot nicht ausdrücklich angeführt wird, in der Zahl der massiven Stockwerke finden. Es sind ihrer sieben, mit dem achten für den nächtlichen Aufenthalt des Gottes darüber. Die Siebenzahl aber symbolisiert wahrscheinlich die sieben Planeten und Himmelssphären.

Auch in Medien gab es in solcher Symbolik erbaute Städte, wie z. B. Ekbatana mit seinen sieben Ringmauern, von denen Herodot (I, 98) anführt, daß jede, teils durch die Anhöhe, an deren Abhang sie erbaut worden, teils aber aus Absicht und Kunst, höher sei als die andere und die Schutzwehren verschiedenartig gefärbt: weiß an der ersten, an der zweiten schwarz, an der dritten Ringmauer purpurfarben, an der vierten blau und an der fünften rot; an der sechsten aber mit Silber, an der siebenten mit Gold überzogen; innerhalb dieser letzten stand die Königsburg und der Schatz. "Ekbatana", sagt Creuzer in seiner Symbolik*) über diese Bauart (I, S. 469), "die Mederstadt, mit der Königsburg in der Mitte, stellt mit ihren sieben Mauerkreisen und mit den Zinnen darauf, von sieben verschiedenen Farben, die Sphären des Himmels dar, die die Sonnenburg umschließen." 

*) Friedrich Creuzer, Symbolik und Mytologie der alten Völker, besonders der Griechen, 4 Bde., 1810-12

 

2. Architekturwerke, zwischen Baukunst und Skulptur schwankend

Das nächste, wozu wir jetzt fortschreiten müssen, liegt darin, daß die Architektur sich zu ihrem Inhalt konkretere Bedeutungen nimmt und zu deren mehr symbolischer Darstellung auch nach konkreteren Formen greift, welche sie jedoch, mag sie dieselben vereinzeln oder zu großen Bauten zusammenstellen, nicht in der Weise der Skulptur, sondern in ihrem eigenen selbständigen Gebiete architektonisch benutzt.
Für diese Stufe nun müssen wir schon ins Speziellere gehen, obschon hier weder von Vollständigkeit noch von einer Entwicklung a priori die Rede sein kann, da die Kunst, insofern sie in ihren Werken zur Breite der wirklichen historischen Weltanschauungen und religiösen Vorstellungen fortgeht, sich auch ins Zufällige hinein verliert.
Die Grundbestimmung ist nur die, daß sich Skulptur und Architektur vermischen, wenn auch die Baukunst das Durchgreifende bleibt.

 

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