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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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c. Unterschiede in der Anwendung der Mittel    [der poetischen Sprache]

In der Anwendung der eben genannten Mittel lassen sich drittens die ähnlichen Stadien unterscheiden, welche wir schon in Rücksicht auf die poetische Vorstellung bemerklich gemacht haben.

α) Die dichterische Diktion nämlich kann einerseits unter einem Volke zu einer Zeit lebendig werden, in welcher die Sprache noch nicht ausgebildet ist, sondern erst durch die Poesie selbst ihre eigentliche Entwicklung erhält. Dann ist die Rede des Dichters als Aussprechen des Inneren überhaupt schon etwas Neues, das für sich Verwunderung erweckt, indem sich durch die Sprache das bisher Unenthüllte offenbar macht. Dies neue Schaffen erscheint als das Wunder einer Gabe und Kraft, deren Gewohnheit noch nicht eingetreten ist, sondern zum Staunen des Menschen das tief in der Brust Verschlossene zum ersten Male sich frei entfalten läßt.
- In diesem Falle ist die Macht der Äußerung, das Machen der Sprache, nicht aber die vielseitige Bildung und Ausbildung derselben die Hauptsache, und die Diktion bleibt ihrerseits ganz einfach. Denn es kann in so frühen Tagen weder eine Geläufigkeit des Vorstellens noch ein mannigfaches Herüber- und Hinüberwenden des Ausdrucks vorhanden sein; sondern was dargestellt werden soll, gibt sich in kunstloser Unmittelbarkeit der Bezeichnung kund, die noch nicht zu seinen Abschattungen, Übergängen, Vermittlungen und den übrigen Vorzügen einer späteren Kunstgeschicklichkeit vorgedrungen ist, da hier der Dichter in der Tat der erste ist, welcher der Nation gleichsam den Mund öffnet, der Vorstellung zur Sprache und durch diese zu Vorstellungen verhilft. Sprechen ist dann sozusagen noch nicht das gemeine Leben, und die Poesie darf sich noch zu frischer Wirkung alles dessen bedienen, was sich später als Sprache des gemeinen Lebens mehr und mehr aus der Kunst ausscheidet. In dieser Rücksicht kann uns z. B. die Ausdrucksweise Homers für unsere Zeit ganz gewöhnlich vorkommen; für jede Vorstellung steht das eigentliche Wort da, uneigentlicher Ausdrücke finden sich wenige, und wenn auch die Darstellung große Ausführlichkeit hat, so bleibt doch die Sprache selbst höchst einfach. In der ähnlichen Weise wußte Dante gleichfalls seinem Volke eine lebendige Sprache der Poesie zu erschaffen und bekundete auch in dieser Hinsicht die kühne Energie seines erfinderischen Genius.

β) Wenn sich nun aber zweitens der Kreis der Vorstellungen mit der eintretenden Reflexion erweitert, die Verknüpfungsweisen sich vermannigfachen, die Fertigkeit, in solchem Vorstellungsgange fortzugehen, wächst und nun auch der sprachliche Ausdruck sich zu völliger Geläufigkeit ausbildet, so erhält die Poesie eine nach seiten der Diktion durchaus veränderte Stellung. Dann nämlich hat ein Volk bereits eine ausgeprägte prosaische Sprache des gewöhnlichen Lebens, und der poetische Ausdruck muß nun, um Interesse zu erregen, von jener gewöhnlichen Sprache abweichen und aufs neue gehoben und geistreich gemacht werden. Im alltäglichen Dasein ist die Zufälligkeit des Augenblicks der Grund des Sprechens; soll aber ein Werk der Kunst hervorkommen, so muß statt augenblicklicher Empfindung die Besonnenheit eintreten und selbst der Enthusiasmus der Begeisterung darf sich nicht gehenlassen, sondern das Produkt des Geistes muß sich aus der künstlerischen Ruhe entwickeln und in der Stimmung eines klar überschauenden Sinnens sich ausgestalten. In frühesten Epochen der Poesie wird diese Sammlung und Ruhe schon durch das Dichten und Sprechen selber angekündigt, in späteren Tagen dagegen hat sich das Bilden und Machen in dem Unterschiede darzutun, welchen der poetische Ausdruck dem prosaischen gegenüber erhält. In dieser Rücksicht sind die Gedichte der auch prosaisch bereits gebildeten Zeiten von denen ursprünglich poetischer Epochen und Völker wesentlich unterschieden.

Hierin nun aber kann die dichterische Produktion so weit gehen, daß ihr dies Machen des Ausdrucks zu einer Hauptsache wird und ihr Augenmerk weniger auf die innerliche Wahrheit als auf die Bildung,
die Glätte, Eleganz und den Effekt der sprachlichen Seite gerichtet bleibt. Dies ist dann die Stelle, wo das Rhetorische und Deklamatorische, dessen ich vorhin schon erwähnte, sich in einer die innere Lebendigkeit der Poesie zerstörenden Weise ausbildet, indem die gestaltende Besonnenheit sich als Absichtlichkeit kundgibt und eine selbstbewußt geregelte Kunst die wahre Wirkung, die absichtslos und unschuldig sein und scheinen muß, verkümmert. Ganze Nationen haben fast keine andere als solche rhetorische Werke der Poesie hervorzubringen verstanden. So klingt z. B. die lateinische Sprache selbst bei Cicero noch naiv und unbefangen genug; bei den römischen Dichtern aber, bei Vergil, Horaz z. B., fühlt sich sogleich die Kunst als etwas nur Gemachtes, absichtlich Gebildetes heraus; wir erkennen einen prosaischen Inhalt, der bloß mit äußerlichem Schmuck angetan ist, und einen Dichter, welcher in seinem Mangel an ursprünglichem Genius nun in dem Gebiete sprachlicher Geschicklichkeit und rhetorischer Effekte einen Ersatz für das zu finden sucht, was ihm an eigentlicher Kraft und Wirkung des Erfindens und Ausarbeitens abgeht. Auch die Franzosen in der sogenannten klassischen Zeit ihrer Literatur haben eine ähnliche Poesie, für welche sich dann Lehrgedichte und Satiren als besonders passend erweisen. Hier finden die vielen rhetorischen Figuren ihren vornehmlichsten Platz, der Vortrag aber bleibt ihnen zum Trotz im ganzen dennoch prosaisch, und die Sprache wird höchstens bilderreich und geschmückter: etwa wie Herders oder Schillers Diktion.
Diese letzteren Schriftsteller aber wendeten solch eine Ausdrucksweise hauptsächlich zum Behufe der prosaischen Darstellung an und wußten dieselbe durch die Gewichtigkeit der Gedanken und das Glück des Ausdrucks erlaubt und erträglich zu machen. Auch die Spanier sind nicht ganz von dem Prunken mit einer absichtlichen Kunst der Diktion freizusprechen. Überhaupt haben die südlichen Nationen, die Spanier und Italiener z. B. und vor ihnen schon die mohammedanischen Araber und Perser, eine große Breite und Weitschweifigkeit in Bildern und Vergleichen. Bei den Alten, besonders beim Homer, geht der Ausdruck immer glatt und ruhig fort; bei diesen Völkern dagegen ist es eine sprudelnde Anschauung, deren Fülle bei sonstiger Ruhe des Gemüts sich nun auszubreiten bestrebt und in dieser theoretischen Arbeit einem streng sondernden, bald spitzfindig klassifizierenden, bald witzig, geistreich und spielend verknüpfenden Verstande unterworfen wird.

γ) Der wahrhaft poetische Ausdruck hält sich sowohl von jener bloß deklamatorischen Rhetorik als auch von diesem Pompe und witzigem Spiel der Diktion, obschon sich darin die freie Lust des Machens in schöner Weise manifestieren kann, insoweit zurück, als dadurch die innere Naturwahrheit gefährdet und das Recht des Inhalts in der Bildung des Sprechens und Aussprechens vergessen wird. Denn die Diktion darf sich nicht für sich verselbständigen und zu dem Teile der Poesie machen wollen, auf den es eigentlich und ausschließlich ankomme. Überhaupt darf auch in sprachlicher Rücksicht das besonnen Gebildete nie den Eindruck der Unbefangenheit verlieren, sondern muß immer noch den Anschein geben, gleichsam wie von selber aus dem inneren Keime der Sache emporgewachsen zu sein.

 

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