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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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<<<Die konkrete Entwicklung der dramatischen Poesie und ihrer Arten
[Ödipus auf Kolonos - innerliche Aussöhnung]

Schöner endlich als diese mehr äußerliche Weise des Ausgangs ist die innerliche Aussöhnung, welche ihrer Subjektivität wegen bereits gegen das Moderne hinstreift. Das vollendeteste antike Beispiel hierfür haben wir in dem ewig zu bewundernden Ödipus auf Kolonos vor uns. Er hat seinen Vater unwissend erschlagen, den Thron Thebaes, das Bett der eigenen Mutter bestiegen; diese bewußtlosen Verbrechen machen ihn nicht unglücklich; aber der alte Rätsellöser zwingt das Wissen über sein eigenes dunkles Schicksal heraus und erhält nun das furchtbare Bewußtsein, daß er dies in sich geworden. Mit dieser Auflösung des Rätsels an ihm selber hat er wie Adam, als er zum Bewußtsein des Guten und Bösen kam, sein Glück verloren. Nun macht er, der Seher, sich blind, nun verbannt er sich vom Thron und scheidet von Theben, wie Adam und Eva aus dem Paradiese getrieben werden, und irrt, ein hilfloser Greis, umher. Doch den Schwerbelasteten, der in Kolonos, statt seines Sohnes Verlangen, daß er zurückkehren möge, zu erhören, ihm seine Erinnye zugesellt, der allen Zwiespalt in sich auslöscht und sich in sich selber reinigt, ruft ein Gott zu sich; sein blindes Auge wird verklärt und hell, seine Gebeine werden zum Heil, zum Horte der Stadt, die ihn gastfrei aufnahm.
Diese Verklärung im Tode ist seine und unsere erscheinende Versöhnung in seiner Individualität und Persönlichkeit selber. Man hat einen christlichen Ton darin finden wollen, die Anschauung eines Sünders, den Gott zu Gnaden annimmt und das Schicksal, das an seiner Endlichkeit sich ausließ, im Tode durch Seligkeit vergütet. Die christliche religiöse Versöhnung aber ist eine Verklärung der Seele, die, im Quell des ewigen Heils gebadet, sich über ihre Wirklichkeit und Taten erhebt, indem sie das Herz selbst - denn dies vermag der Geist - zum Grabe des Herzens macht, die Anklagen der irdischen Schuld mit ihrer eigenen irdischen Individualität bezahlt und sich nun in der Gewißheit des ewigen, rein geistigen Seligseins in sich selbst gegen jene Anklagen festhält. Die Verklärung des Ödipus dagegen bleibt immer noch die antike Herstellung des Bewußtseins aus dem Streite sittlicher Mächte und Verletzungen zur Einheit und Harmonie dieses sittlichen Gehaltes selber.

Was jedoch Weiteres in dieser Versöhnung liegt, ist die Subjektivität der Befriedigung, aus welcher wir den Übergang in das entgegengesetzte Gebiet der Komödie machen können.

ββ) Komisch nämlich, wie wir sahen, ist überhaupt die Subjektivität, die ihr Handeln durch sich selber in Widerspruch bringt und auflöst, dabei aber ebenso ruhig und ihrer selbst gewiß bleibt.
Die Komödie hat daher das zu ihrer Grundlage und ihrem Ausgangspunkte, womit die Tragödie schließen kann: das in sich absolut versöhnte, heitere Gemüt, das, wenn es auch sein Wollen durch seine eigenen Mittel zerstört und an sich selber zuschanden wird, weil es aus sich selbst das Gegenteil seines Zwecks hervorgebracht hat, darum doch nicht seine Wohlgemutheit verliert. Diese Sicherheit des Subjekts aber ist andererseits nur dadurch möglich, daß die Zwecke und damit auch die Charaktere entweder an und für sich nichts Substantielles enthalten oder, haben sie an und für sich Wesentlichkeit, dennoch in einer ihrer Wahrheit nach schlechthin entgegengesetzten und deshalb substanzlosen Gestalt zum Zweck gemacht und durchgeführt werden, so daß in dieser Rücksicht also immer nur das an sich selber Nichtige und Gleichgültige zugrunde geht und das Subjekt ungestört aufrecht stehenbleibt.

Dies ist nun auch im ganzen der Begriff der alten klassischen Komödie, wie sie sich für uns in den Stücken des Aristophanes erhalten hat. Man muß in dieser Rücksicht sehr wohl unterscheiden, ob die handelnden Personen für sich selbst komisch sind oder nur für die Zuschauer.
Das erstere allein ist zur wahrhaften Komik zu rechnen, in welcher Aristophanes Meister war.
Diesem Standpunkte gemäß stellt sich ein Individuum nur dann als lächerlich dar, wenn sich zeigt, es sei ihm in dem Ernste seines Zwecks und Willens selber nicht Ernst, so daß dieser Ernst immer für das Subjekt selbst seine eigene Zerstörung mit sich führt, weil es sich eben von Hause aus in kein höheres allgemeingültiges Interesse, das in eine wesentliche Entzweiung bringt, einlassen kann und, wenn es sich auch wirklich darauf einläßt, nur eine Natur zum Vorschein kommen läßt, die durch ihre gegenwärtige Existenz unmittelbar das schon zunichte gemacht hat, was sie scheint ins Werk richten zu wollen, so daß man sieht, es ist eigentlich gar nicht in sie eingedrungen. Das Komische spielt deshalb mehr in unteren Ständen der Gegenwart und Wirklichkeit selbst, unter Menschen, die einmal sind, wie sie eben sind, nicht anders sein können und wollen und, jedes echten Pathos unfähig, dennoch nicht den mindesten Zweifel in das setzen, was sie sind und treiben. Zugleich aber tun sie sich als höhere Naturen dadurch kund, daß sie nicht an die Endlichkeit, in welche sie sich hineinbegeben, ernstlich gebunden sind, sondern darüber erhoben und gegen Mißlingen und Verlust in sich selber fest und gesichert bleiben.
Diese absolute Freiheit des Geistes, die an und für sich in allem, was der Mensch beginnt, von Anfang an getröstet ist, diese Welt der subjektiven Heiterkeit ist es, in welche uns Aristophanes einführt.
Ohne ihn gelesen zu haben, läßt sich kaum wissen, wie dem Menschen sauwohl sein kann.
- Die Interessen nun, in welchen diese Art der Komödie sich bewegt, brauchen nicht etwa aus den der Sittlichkeit, Religion und Kunst entgegengesetzten Gebieten hergenommen zu sein; im Gegenteil, die alte griechische Komödie hält sich gerade innerhalb dieses objektiven und substantiellen Kreises, aber es ist die subjektive Willkür, die gemeine Torheit und Verkehrtheit, wodurch die Individuen sich Handlungen, die höher hinauswollen, zunichte machen. Und hier bietet sich für Aristophanes ein reicher, glücklicher Stoff teils an den griechischen Göttern, teils an dem atheniensischen Volke dar.
Denn die Gestaltung des Göttlichen zur menschlichen Individualität hat an dieser Repräsentation und deren Besonderheit, insofern dieselbe weiter gegen das Partikuläre und Menschliche hin ausgeführt wird, selbst den Gegensatz gegen die Hoheit ihrer Bedeutung und läßt sich als ein leeres Aufspreizen dieser ihr unangemessenen Subjektivität darstellen. Besonders aber liebt es Aristophanes, die Torheiten des Demos, die Tollheiten seiner Redner und Staatsmänner, die Verkehrtheit des Krieges, vor allem aber am unbarmherzigsten die neue Richtung des Euripides in der Tragödie auf die possierlichste und zugleich tiefste Weise dem Gelächter seiner Mitbürger preiszugeben. Die Personen, in denen er diesen Inhalt seiner großartigen Komik verkörpert, macht er in unerschöpflicher Laune gleich von vornherein zu Toren, so daß man sogleich sieht, daß nichts Gescheites herauskommen könne. So den Strepsiades, der zu den Philosophen gehen will, seiner Schulden ledig zu werden; so den Sokrates, der sich zum Lehrer des Strepsiades und seines Sohnes hergibt; so den Bacchus, den er in die Unterwelt hinabsteigen läßt, um wieder einen wahrhaften Tragiker hervorzuholen; ebenso den Kleon, die Weiber, die Griechen, welche die Friedensgöttin aus dem Brunnen ziehen wollen usf. Der Hauptton, der uns aus diesen Darstellungen entgegenklingt, ist das um so unverwüstbarere Zutrauen aller dieser Figuren zu sich selbst, je unfähiger sie sich zur Ausführung dessen zeigen, was sie unternehmen. Die Toren sind so unbefangene Toren, und auch die verständigeren haben gleich solch einen Anstrich des Widerspruchs mit dem, worauf sie sich einlassen, daß sie nun auch diese unbefangene Sicherheit der Subjektivität, es mag kommen und gehen, wie es will, niemals verlieren. Es ist die lachende Seligkeit der olympischen Götter, ihr unbekümmerter Gleichmut, der in die Menschen heimgekehrt und mit allem fertig ist. Dabei zeigt sich Aristophanes nie als ein kahler, schlechter Spötter, sondern er war ein Mann von geistreichster Bildung, der vortrefflichste Bürger, dem es Ernst blieb mit dem Wohle Athens und der sich durchweg als wahrer Patriot bewies. Was sich daher in seinen Komödien in voller Auflösung darstellt, ist, wie ich schon früher sagte, nicht das Göttliche und Sittliche, sondern die durchgängige Verkehrtheit, die sich zu dem Schein dieser substantiellen Mächte aufspreizt, die Gestalt und individuelle Erscheinung, in welcher die eigentliche Sache schon von Hause aus nicht mehr vorhanden ist, so daß sie dem ungeheuchelten Spiele der Subjektivität offen kann bloßgegeben werden. Indem aber Aristophanes den absoluten Widerspruch des wahren Wesens der Götter, des politischen und sittlichen Daseins und der Subjektivität der Bürger und Individuen, welche diesen Gehalt verwirklichen sollen, vorführt, liegt selber in diesem Siege der Subjektivität, aller Einsicht zum Trotz, eines der größten Symptome vom Verderben Griechenlands, und so sind diese Gebilde eines unbefangenen Grundwohlseins in der Tat die letzten großen Resultate, welche aus der Poesie des geistreichen, bildungsvollen, witzigen griechischen Volkes hervorgehen.

β) Wenden wir uns jetzt sogleich zur dramatischen Kunst der modernen Welt herüber,... >>>

>Die dramatische Kunst der modernen Welt

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