|
a. Die rhythmische Versifikation [poetische Sprache]
In betreff auf das reimlos-rhythmische System sind folgende Punkte die wichtigsten:
erstens das feste Zeitmaß der Silben in dem einfachen Unterschiede der Längen oder Kürzen sowie deren mannigfaltige Zusammenstellung zu bestimmten Verhältnissen und Versmaßen;
zweitens die rhythmische Belebung durch Akzent, Zäsur und Gegenstoß des Vers- und Wortakzents;
drittens die Seite des Wohlklangs, welche innerhalb dieser Bewegung durch das Tönen der Wörter hervorkommen kann, ohne sich zu Reimen zusammenzuziehen.
α) Für das Rhythmische, welches nicht das isolierter herausgenommene Klingen als solches, sondern die zeitliche Dauer und Bewegung zur Hauptsache macht, bildet nun
αα) den einfachen Ausgangspunkt die natürliche Länge und Kürze der Silben, zu deren einfachem Unterschiede die Sprachlaute selbst, die auszusprechenden Buchstaben, Konsonanten und Vokale, die Elemente abgeben.
Natürlich-lang sind vor allem die Diphthonge ai, oi, ae usf., weil sie in sich selbst, was auch die neueren Schulmeister sagen mögen, ein konkretes, gedoppeltes Tönen sind, das sich zusammenfaßt wie unter den Farben das Grün. Ebenso die langaushallenden Vokale. Zu ihnen gesellt sich als drittes Prinzip die schon dem Sanskrit sowie dem Griechischen und Lateinischen eigentümliche Position. Stehen nämlich zwischen zwei Vokalen zwei oder mehrere Konsonanten, so bilden diese offenbar für das Sprechen einen schwierigeren Übergang; das Organ braucht, um über die Konsonanten wegzukommen, zur Artikulation eine längere Zeit und bringt ein Verweilen hervor, das nun, dem kurzen Vokale zum Trotz, die Silbe, wenn auch nicht gedehnt, dennoch rhythmisch lang 15/293 werden läßt. Sage ich z. B. mentem nec secus, so ist der Fortgang von dem einen Vokal zum anderen in mentem und nec nicht so einfach und leicht als in secus. Die neueren Sprachen halten diesen letzteren Unterschied nicht fest, sondern machen, wenn sie nach Längen und Kürzen rechnen, andere Kriterien geltend. Doch werden dadurch die der Position unerachtet als kurz gebrauchten Silben wenigstens oft genug hart gefunden, da sie die schnellere Bewegung, die gefordert ist, hindern.
Im Unterschiede jener Längen durch Diphthonge, lange Vokale und Position erweisen sich dagegen als von Natur kurz die Silben, welche durch kurze Vokale gebildet sind, ohne daß sich zwischen den ersten und nächstfolgenden zwei oder mehrere Konsonanten stellen.
ββ) Da nun die Wörter teils als vielsilbig schon in sich selbst eine Mannigfaltigkeit von Längen und Kürzen sind, teils, obwohl einsilbig, doch mit anderen Wörtern in Verbindung gesetzt werden, so entsteht dadurch zunächst eine durch kein festes Maß bestimmte, zufällige Abwechslung verschiedenartiger Silben und Wörter. Diese Zufälligkeit zu regeln ist nun ganz ebenso die Pflicht der Poesie, als es die Aufgabe der Musik war, die ordnungslose Dauer der einzelnen Töne durch die Einheit des Zeitmaßes genau zu bestimmen. Die Poesie stellt sich daher besondere Zusammensetzungen von Längen und Kürzen als das Gesetz auf, nach welchem sich in Rücksicht auf Zeitdauer die Folge der Silben zu richten habe. Was wir dadurch zunächst erhalten, sind die verschiedenen Zeitverhältnisse. Das einfachste ist hier das Verhältnis des Gleichen zueinander, als z. B. der Daktylus und Anapäst, in welchen sich sodann die Kürzen nach bestimmten Gesetzen wieder zu Längen zusammenziehen dürfen (Spondeus). Zweitens sodann kann sich eine lange Silbe neben eine kurze stellen, so daß schon ein tieferer Unterschied der Dauer, wenn auch in der einfachsten Gestalt, hervorkommt, wie im Jambus und Trochäus. Verwickelter schon wird die Zusammensetzung, wenn zwischen zwei lange Silben sich 15/294 eine kurze einschiebt oder zwei langen eine kurze vorausgeht wie beim Kretikus und Bacchius.
γγ) Dergleichen einzelne Zeitverhältnisse aber würden wiederum dem regellosen Zufalle Tür und Tor öffnen, wenn sie in ihrer bunten Verschiedenheit willkürlich aufeinanderfolgen dürften. Denn einerseits wäre dadurch in der Tat der ganze Zweck der Gesetzmäßigkeit in diesen Verhältnissen zerstört, nämlich die geregelte Folge der langen und kurzen Silben; andererseits fehlte es auch durchaus an einer Bestimmtheit für Anfang, Ende und Mitte, so daß die hierdurch von neuem heraustretende Willkür ganz dem widerstreben würde, was wir oben schon bei Betrachtung des musikalischen Zeitmaßes und Taktes über das Verhältnis des vernehmenden Ich zur Zeitdauer der Töne festgestellt haben. Das Ich fordert eine Sammlung in sich, eine Rückkehr aus dem steten Fortfließen in der Zeit, und vernimmt dieselbe nur durch bestimmte Zeiteinheiten und deren ebenso markiertes Anheben als gesetzmäßiges Aufeinanderfolgen und Abschließen. Dies ist der Grund, weshalb auch die Poesie die einzelnen Zeitverhältnisse drittens zu Versen aneinanderreiht, welche in Rücksicht auf Art und Anzahl der Füße sowie auf Anfang, Fortgang und Schluß ihre Regel erhalten. Der jambische Trimeter z. B. besteht aus sechs jambischen Füßen, von denen je zwei wieder eine jambische Dipodie bilden; der Hexameter aus sechs Daktylen, die sich an bestimmten Stellen wieder zu Spondeen zusammenziehen dürfen, usf. Indem es nun aber solchen Versen gestattet ist, sich in der gleichen oder ähnlichen Weise stets wieder von neuem zu wiederholen, so tritt in Rücksicht auf diese Aufeinanderfolge wiederum teils eine Unbestimmtheit in Ansehung des festen letzten Abschlusses, teils eine Monotonie und dadurch ein fühlbarer Mangel an innerlich mannigfaltiger Struktur hervor. Um diesem Übelstande abzuhelfen, ist die Poesie endlich zur Erfindung von Strophen und deren verschiedenartiger Organisation, besonders für den lyrischen Ausdruck, fortgegangen. Hierher gehört z. B. schon das elegische Versmaß der Griechen, ferner die alkäische und sapphische Strophe sowie was Pindar und die berühmten dramatischen Dichter in den lyrischen Ergüssen und sonstigen Betrachtungen der Chöre Kunstreiches ausgebildet haben.
Wie sehr nun aber in betreff auf das Zeitmaß Musik und Poesie die ähnlichen Bedürfnisse befriedigen, so dürfen wir doch die Unterschiedenheit beider nicht unerwähnt lassen. Die wichtigste Abweichung bringt hier der Takt hervor. Man hat deshalb vielfach hin und her gestritten, ob eine eigentlich taktmäßige Wiederholung der gleichen Zeitabschnitte für die Metra der Alten anzunehmen sei oder nicht. Im allgemeinen läßt sich behaupten, daß die Poesie, welche das Wort zum bloßen Mitteilungsmittel macht, sich in Ansehung der Zeit dieser Mitteilung nicht einem absolut festen Maße für die Fortbewegung in so abstrakter Weise unterwerfen dürfe, als dies in dem musikalischen Takte der Fall ist. In der Musik ist der Ton das Verklingende, Haltlose, das einer Festigkeit, wie der Takt sie hereinbringt, schlechthin bedarf; die Rede aber braucht dies Feste nicht, weil sie einerseits in der Vorstellung selbst ihren Anhalt hat und andererseits sich überhaupt nicht vollständig in das Äußerliche des Klingens und Verklingens hineinlegt, sondern gerade die innere Vorstellung zu ihrem wesentlichen Kunstelemente behält. Deshalb findet in der Tat die Poesie unmittelbar in den Vorstellungen und Empfindungen, welche sie klar in Worten ausspricht, die substantiellere Bestimmung für das Maß des Einhaltens, Forteilens, Verweilens, Zögerns usf., wie denn auch die Musik selbst im Rezitativ schon der bewegungslosen Gleichheit des Taktes sich zu entheben anfängt. Wollte sich deshalb das Metrum ganz der Gesetzgebung des Taktes beugen, so wäre der Unterschied zwischen Musik und Poesie in dieser Sphäre wenigstens, durchweg ausgelöscht, und das Element der Zeit würde sich überwiegender, als die Poesie es ihrer ganzen Natur nach gestatten darf, geltend machen. Dies läßt sich als Grund für die Forderung hinstellen, daß in der Poesie wohl ein Zeitmaß, aber kein Takt herrschen, sondern dem Sinn und der Bedeutung der Worte die relativ durchgreifendere Macht über diese Seite bleiben müsse. Betrachten wir in dieser Beziehung die besonderen Versmaße der Alten näher, so scheint freilich der Hexameter am meisten sich einer taktmäßig strengen Fortbewegung, wie z. B. der alte Voss besonders sie forderte, zu fügen; indessen wird im Hexameter eine solche Annahme schon durch die Katalexis des letzten Fußes verhindert. Wenn nun Voss gar die alkäische und sapphische Strophe in so abstrakt gleichförmigen Zeitabschnitten gelesen wissen will, so ist dies nur eine kapriziöse Willkür und heißt den Versen Gewalt antun. Die ganze Forderung mag sich überhaupt aus der Gewohnheit herschreiben, unseren deutschen Jambus in dem stets gleichen Silbenfall und Zeitmaß behandelt zu sehen. Doch schon der alte jambische Trimeter erhält seine Schönheit vornehmlich dadurch, daß er nicht aus sechs der Zeit nach gleichen jambischen Füßen besteht, sondern umgekehrt gerade an jeder ersten Stelle der Dipodie Spondeen oder als Auflösung auch Daktylen und Anapäste erlaubt und in dieser Weise die gleichmäßige Wiederholung desselben Zeitmaßes und damit das Taktartige aufhebt. Bei weitem wechselnder ohnehin sind noch die lyrischen Strophen, so daß es a priori gezeigt werden müßte, daß der Takt an und für sich notwendig wäre, denn a posteriori ist's nicht zu sehen.
β) Das eigentlich Belebende nun aber für das rhythmische Zeitmaß bringen erst der Akzent und die Zäsur hervor, die mit dem parallel gehen, was wir in der Musik als Taktrhythmus haben kennenlernen.
αα) Auch in der Poesie nämlich hat zunächst jedes bestimmte Zeitverhältnis seinen besonderen Akzent, d. h. es werden gesetzmäßig bestimmte Stellen herausgehoben, welche dann die anderen anziehen und sich so erst zu einem Ganzen abrunden. Dadurch ist nun sogleich für die Vielfältigkeit des Wertes der Silben ein großer Spielraum eröffnet. Denn einerseits werden die langen Silben überhaupt schon in Vergleich zu den kurzen ausgezeichnet erscheinen, so daß sie sich nun, wenn auf ihnen der Iktus liegt, gegen die kürzeren als doppelt wichtig zeigen und sich selbst den unakzentuierten Längen gegenüber herausstellen. Andererseits aber kann es sich auch treffen, daß kürzere Silben den Iktus erhalten, so daß nun das ähnliche Verhältnis wieder in der umgekehrten Weise zum Vorschein kommt.
Vor allem aber muß, wie ich schon früher erwähnte, Anfang und Ende der einzelnen Füße nicht abstrakt mit dem Beginn und Schluß der einzelnen Wörter zusammenfallen; denn erstens bewirkt das Hinübergreifen des in sich geschlossenen Wortes über das Ende des Versfußes die Verbindung der sonst auseinanderfallenden Rhythmen; und liegt nun zweitens sogar der Versakzent auf dem Auslaut eines so hinübergreifenden Wortes, so entsteht dadurch außerdem ein merkbarer Zeiteinschnitt, indem ein Wortschluß überhaupt schon in etwas einzuhalten nötigt, so daß es nun dieses Einhalten ist, was durch den sich damit vereinigenden Akzent absichtlich als Einschnitt in die sonst ununterbrochen fortfließende Zeit fühlbar gemacht wird. Dergleichen Zäsuren sind jedem Verse unentbehrlich. Denn obgleich der bestimmte Akzent den einzelnen Füßen schon eine nähere Unterscheidung in sich und dadurch eine gewisse Mannigfaltigkeit zuteilt, so würde diese Art der Belebung - besonders bei Versen, in welchen sich dieselben Füße gleichmäßiger wiederholen, wie in unserem Jambus z. B. - dennoch wieder teils ganz abstrakt und monoton bleiben, teils die einzelnen Füße verbindungslos auseinanderfallen lassen. Dieser kahlen Monotonie steuert die Zäsur und bringt in das durch seine unterschiedslose Regelmäßigkeit wiederum lahme Fortfließen einen Zusammenhang und höheres Leben hinein, welches durch die Verschiedenheit der Stellen, an denen die Zäsur eintreten kann, ebenso mannigfaltig wird, als es durch die geregelte Bestimmtheit derselben nicht in eine gesetzlose Willkür zurückzufallen vermag.
Zu dem Versakzent und der Zäsur fügt sich dann endlich 15/298 noch ein dritter Akzent hinzu, den die Wörter auch sonst schon an und für sich außerhalb ihres metrischen Gebrauchs haben und dadurch nun eine wieder vermehrte Vielfältigkeit für die Art und den Grad der Heraushebung und Senkung der einzelnen Silben entstehen lassen. Denn dieser Wortakzent kann einerseits zwar mit dem Akzent des Verses und der Zäsur verbunden erscheinen und in solcher Verknüpfung beide verstärken, andererseits aber auch von ihnen unabhängig auf Silben stehen, die durch keine sonstige Hebung begünstigt sind und nun gleichsam, insofern sie ihres eigentümlichen Wertes als Wortsilbe wegen dennoch eine Akzentuierung fordern, einen Gegenstoß gegen den Versrhythmus hervorbringen, der dem Ganzen ein neues eigentümliches Leben gibt.
Nach allen den genannten Seiten die Schönheit des Rhythmus herauszuhören ist für unser heutiges Ohr von großer Schwierigkeit, da in unseren Sprachen die Elemente, die zu dieser Art metrischer Vorzüge zusammentreffen müssen, zum Teil nicht mehr in der Schärfe und Festigkeit, welche sie bei den Alten hatten, vorhanden sind, sondern zur Befriedigung anderer Kunstbedürfnisse andere Mittel an die Stelle setzen.
ββ) Außerdem aber zweitens schwebt über aller Gültigkeit der Silben und Wörter innerhalb ihrer metrischen Stellung der Wert dessen, was sie von seiten der poetischen Vorstellung her bedeuten. Durch diesen ihnen immanenten Sinn werden sie deshalb gleichfalls relativ herausgehoben oder müssen als bedeutungsloser zurückstehen, wodurch dem Verse nun erst die letzte geistige Spitze der Lebendigkeit eingehaucht ist. Doch darf die Poesie hierin füglich nicht so weit gehen, daß sie sich in dieser Rücksicht den rhythmischen Regeln des Metrums direkt gegenüberstellt.
γγ) Dem ganzen Charakter nun eines Versmaßes entspricht, besonders nach seiten der rhythmischen Bewegung, auch eine bestimmte Weise des Inhalts; vor allem die besondere Art in der Bewegung unserer Empfindungen. So eignet sich z. B. der Hexameter in seinem ruhig wogenden Fortströmen für den gleichmäßigeren Fluß epischer Erzählung; wogegen er in Verbindung mit dem Pentameter und dessen symmetrisch festen Einschnitten schon strophenartiger wird, doch in der einfachen Regelmäßigkeit sich für das Elegische passend zeigt. Der Jambus wiederum schreitet rasch vorwärts und ist besonders für den dramatischen Dialog zweckmäßig; der Anapäst bezeichnet ein taktartig mutiges, jubelndes Forteilen, und ähnliche Charakterzüge liegen auch bei den übrigen Versmaßen leicht zur Hand.
γ) Drittens aber bleibt auch dieses erste Gebiet der rhythmischen Versifikation nicht bei der bloßen Figuration und Belebung der Zeitdauer stehen, sondern geht auch wieder zum wirklichen Klingen der Silben und Wörter fort. In Rücksicht auf diesen Klang jedoch zeigen die alten Sprachen, in denen der Rhythmus in der angegebenen Weise als Hauptseite festgehalten wird, einen wesentlichen Unterschied gegen die übrigen neueren, welche sich vorzugsweise dem Reime zuneigen.
αα) Im Griechischen und Lateinischen z. B. bildet sich durch die Flexionsformen der Deklination und Konjugation die Stammsilbe zu einem Reichtum von verschiedenartig tönenden Silben aus, die zwar auch für sich eine Bedeutung haben, doch nur als Modifikation der Stammsilbe, so daß diese sich zwar als die substantielle Grundbedeutung jener vielfach ausgebreiteten Laute geltend macht, in Rücksicht auf ihr Tönen aber nicht als die vornehmliche oder alleinige Herrscherin auftritt. Denn hören wir z. B. amaverunt, so treten drei Silben zu dem Stamme hinzu, und der Akzent scheidet sich schon durch die Anzahl und Ausdehnung dieser Silben, wenn auch keine natürlichen Längen darunter wären, sogleich von der Stammsilbe materiell ab, wodurch die Hauptbedeutung und der betonende Akzent voneinander getrennt werden. Hier kann das Ohr deshalb, insofern die Betonung nicht die Hauptsilbe, sondern irgendeine andere trifft, die nur eine Nebenbestimmung ausdrückt, schon aus diesem Grunde dem Tönen der verschiedenen Silben lauschen und ihrer Bewegung nachgehen, indem es die volle Freiheit behält, auf die natürliche Prosodie zu hören, und sich nun aufgefordert findet, diese natürlichen Längen und Kürzen rhythmisch zu bilden.
ββ) Ganz anders dagegen verhält es sich z. B. mit der heutigen deutschen Sprache. Was im Griechischen und Lateinischen in der eben angedeuteten Weise durch Präfixa und Suffixa und sonstige Modifikationen ausgedrückt wird, das löst sich in den neueren Sprachen besonders in den Verbis von der Stammsilbe los, so daß sich nun die bisher in einem und demselben Wort mit vielfachen Nebenbedeutungen entfalteten Flexionssilben zu selbständigen Wörtern zersplittern und vereinzeln. Hierher gehören z. B. der stete Gebrauch der vielen Hilfszeitwörter, die selbständige Bezeichnung des Optativs durch eigene Verba usf., die Abtrennung der Pronomina usw. Dadurch bleibt nun einerseits das Wort, das sich in dem früher angegebenen Falle zu dem mannigfachen Tönen einer Vielsilbigkeit ausdehnte, unter welcher jener Akzent der Wurzel, des Hauptsinns, zugrunde ging, als einfaches Ganzes in sich konzentriert, ohne als eine Folge von Tönen zu erscheinen, die, als bloße Modifikationen gleichsam, nicht durch ihren Sinn für sich schon so sehr beschäftigen, daß nicht das Ohr auf ihr freies Tönen und dessen zeitliche Bewegung hinhören könnte. Durch diese Zusammengezogenheit andererseits wird ferner die Hauptbedeutung von solcher Schwere, daß sie den Nachdruck des Akzents durchaus auf sich allein hinzieht; und da nun die Betonung an den Hauptsinn gebunden ist, so läßt dieses Zusammenfallen beider die natürliche Länge und Kürze der übrigen Silben nicht mehr aufkommen, sondern übertäubt sie. Die Wurzeln der meisten Wörter sind ohne Zweifel ganz im allgemeinen kurz, gedrungen, einsilbig oder zweisilbig. Wenn nun, wie dies z. B. in unserer heutigen Muttersprache in vollem Maße der Fall ist, diese Wurzeln den Akzent ausschließlich fast für sich in Anspruch nehmen, so ist dies ein durchaus überwiegender Akzent des Sinns, der Bedeutung, nicht aber eine Bestimmung, in welcher das Material, das Tönen frei wäre und sich ein von dem Vorstellungsinhalte der Wörter unabhängiges Verhältnis der Länge, Kürze und Akzentuierung der Silben geben könnte. Eine rhythmische, von der Stammsilbe und deren Bedeutung losgebundene Figuration der Zeitbewegung und Betonung kann deshalb hier nicht mehr stattfinden, und es bleibt im Unterschiede des obigen Hinhorchens auf den reichhaltigen Klang und die Dauer solcher Längen und Kürzen in ihrer bunten Zusammenstellung nur ein allgemeines Hören übrig, das ganz von der sinngewichtigen betonten Hauptsilbe gefangengenommen ist. Denn außerdem verselbständigt sich auch, wie wir sahen, die modifizierte Silbenverzweigung des Stamms zu besonderen Wörtern, welche dadurch für sich wichtig gemacht werden und, indem sie ihre eigene Bedeutung erhalten, nun gleichfalls dasselbe Zusammenfallen von Sinn und Akzent hören lassen, das wir soeben bei dem Grundworte, um welches sie sich herstellen, betrachtet haben. Dies nötigt uns, gleichsam gefesselt bei dem Sinn jedes Wortes stehenzubleiben und, statt uns mit der natürlichen Länge und Kürze und mit deren zeitlicher Bewegung und sinnlicher Akzentuierung zu beschäftigen, nur auf den Akzent zu hören, welchen die Grundbedeutung hervorbringt.
γγ) In solchen Sprachen nun hat das Rhythmische wenig Raum oder die Seele wenig Freiheit mehr, in ihm sich zu ergehen, weil die Zeit und das durch ihre Bewegung sich gleichmäßig hinergießende Klingen der Silben von einem ideelleren Verhältnis, von dem Sinn und der Bedeutung der Wörter, überflügelt und dadurch die Macht der rhythmisch selbständigeren Ausgestaltung niedergedrückt ist.
Wir können in dieser Rücksicht das Prinzip der rhythmischen Versifikation mit der Plastik vergleichen. Denn die geistige Bedeutung hebt sich hier noch nicht für sich heraus und bestimmt die Länge und den Akzent, sondern der Sinn der Wörter verschmelzt sich ganz dem sinnlichen Element 15/302 der natürlichen Zeitdauer und dem Klange, um in heiterer Fröhlichkeit diesem Äußerlichen ein volles Recht zu vergönnen und nur um die ideale Gestalt und Bewegung desselben besorgt zu sein.
Wird nun aber diesem Prinzipe entsagt und soll dennoch, wie die Kunst es notwendig macht, dem Sinnlichen noch ein Gegengewicht gegen die bloße Vergeistigung zugeteilt bleiben, so kann, um das Ohr zur Aufmerksamkeit zu nötigen, bei der Zerstörung jenes ersten plastischen Moments der natürlichen Längen und Kürzen und des von dem Rhythmischen ungetrennten, nicht für sich herausgehobenen Tönens kein anderes Material ergriffen werden als der ausdrücklich und isoliert festgehaltene und figurierte Klang der Sprachlaute als solcher.
Dies führt uns auf die zweite Hauptart der Versifikation, auf den Reim hin.
|