b. Notwendiges Eintreten der Kunst [in den religiösen Kreis]
Auf der anderen Seite jedoch enthält der religiöse Inhalt zugleich in sich selber das Moment, durch welches er sich nicht nur der Kunst zugänglich macht, sondern in gewisser Beziehung derselben auch bedarf. In der religiösen Vorstellung der romantischen Kunst, wie schon mehrmals ist angeführt worden, bringt es der Inhalt selbst mit sich, den Anthropomorphismus auf die Spitze zu treiben, indem eben dieser Inhalt das Zusammengeschlossensein des Absoluten und Göttlichen mit der als wirklich erschauten und deshalb auch äußerlich, leiblich erscheinenden menschlichen Subjektivität zu seinem Mittelpunkt hat und das Göttliche in diese, seiner an die Bedürftigkeit der Natur und der endlicher Erscheinungsweise gebundenen Einzelheit darstellen muß. In dieser Rücksicht liefert die Kunst dem anschauenden Bewußtsein für die Erscheinung Gottes die spezielle Gegenwart einer einzelnen wirklichen Gestalt, ein konkretes Bild auch der äußeren Züge der Begebenheiten, in denen Christi Geburt, sein Leben und Leiden, Sterben, Auferstehen und Erhobensein zur Rechten Gottes sich ausbreitet, so daß überhaupt in der Kunst allein die vorübergeschwundene wirkliche Erscheinung Gottes sich zu einer immer erneuten Dauer wiederholt.
c. Zufällige Partikularität der äußeren Erscheinung
Insofern nun aber in dieser Erscheinung der Akzent darauf gelegt ist, daß Gott wesentlich ein einzelnes Subjekt mit Ausschluß anderer sei und nicht nur die Einheit göttlicher und menschlicher Subjektivität im allgemeinen, sondern dieselbe als dieser Mensch darstelle, so treten hier in der Kunst, des Inhalts selbst wegen, alle Seiten der Zufälligkeit und Partikularität des äußeren endlichen Daseins wieder hervor, von welchen sich die Schönheit auf der Höhe des klassischen Ideals gereinigt hatte. Was der freie Begriff des Schönen als unangemessen aus sich entfernt hatte, das Nichtideale, wird hier als ein aus dem Inhalte selbst entspringendes Moment notwendig aufgenommen und zur Anschauung gebracht.
α) Wenn daher Christi Person häufig als solche zum Gegenstande gewählt ist, so sind jedesmal diejenigen Künstler am schlechtesten verfahren, welche aus Christus ein Ideal im Sinne und in der Weise des klassischen Ideals zu machen unternommen haben. Denn solche Christusköpfe und Gestalten zeigen wohl Ernst, Ruhe und Würde, Christus soll aber einerseits Innerlichkeit und schlechthin allgemeine Geistigkeit, andererseits subjektive Persönlichkeit und Einzelheit haben; beides widerstrebt der Seligkeit im Sinnlichen der menschlichen Gestalt. Jene beiden Endpunkte des Ausdrucks und der Form zu verknüpfen ist von höchster Schwierigkeit, und besonders die Maler haben sich, wenn sie aus dem traditionellen Typus herausgingen, jedesmal in Verlegenheit befunden. - Ernst und Tiefe des Bewußtseins muß in solchen Köpfen sich aussprechen, aber die Züge und Formen des Gesichts und der Gestalt müssen ebensowenig von nur idealer Schönheit sein, als sie zum Gemeinen und Häßlichen abirren oder zur bloßen Erhabenheit als solcher sich erheben dürfen. Das Beste wird in betreff auf die äußere Form die Mitte sein zwischen dem partikulär Natürlichen und der idealen Schönheit. Diese gebührende Mitte richtig zu treffen ist schwer, und so kann sich hierin vornehmlich die Geschicklichkeit, der Sinn und Geist des Künstlers hervortun. - Überhaupt sind wir bei den Darstellungen dieses ganzen Kreises, unabhängig von dem Inhalt, welcher dem Glauben angehört, mehr als im klassischen Ideal an die Seite des subjektiven Machens gewiesen. In der klassischen Kunst will der Künstler in den Formen des Leiblichen selbst, im Organismus der menschlichen Gestalt, das Geistige und Göttliche unmittelbar darstellen, und die leiblichen Formen geben deshalb in ihren vom Gewöhnlichen und Endlichen abweichenden Modifikationen eine Hauptseite des Interesses ab. In unserem jetzigen Kreise bleibt die Gestalt die gewöhnliche, bekannte, ihre Formen sind bis auf einen gewissen Grad hin gleichgültig, etwas Partikulares, das soundso sein und mit großer Freiheit in dieser Rücksicht behandelt werden kann. Das überwiegende Interesse liegt daher einerseits in der Art und Weise, wie der Künstler durch dies Gewöhnliche und Bekannte dennoch das Geistige und Innerste als dies Geistige selber hindurchscheinen läßt, andererseits in der subjektiven Ausführung, den technischen Mitteln und Geschicklichkeiten, durch welche er seinen Gestalten die geistige Lebendigkeit einzuhauchen und die Anschaulichkeit und Erfaßbarkeit des Geistigsten zu geben imstande gewesen ist.
β) Was den weiteren Inhalt betrifft, so liegt er, wie wir soeben sahen, in der absoluten, aus dem Begriff des Geistes selber entspringenden Geschichte, welche die Konversion der leiblichen und geistigen Einzelheit zu ihrer Wesenheit und Allgemeinheit objektiv macht. Denn die Versöhnung der einzelnen Subjektivität mit Gott tritt nicht unmittelbar als Harmonie auf, sondern als Harmonie, welche erst aus dem unendlichen Schmerz, aus der Hingebung, Aufopferung Tötung des Endlichen, Sinnlichen und Subjektiven hervorgeht. Das Endliche und Unendliche ist hier in eins gebunden, und die Versöhnung in ihrer wahrhaften Tiefe, Innigkeit und Kraft der Vermittlung zeigt sich nur durch die Größe und Härte des Gegensatzes, der seine Lösung finden soll. Dadurch gehört auch die ganze Schärfe und Dissonanz des Leidens, der Marter, Qual, in welche solch ein Gegensatz hereinbringt, zur Natur des Geistes selbst, dessen absolute Befriedigung hier den Inhalt ausmacht.
Dieser Prozeß des Geistes ist, an und für sich genommen, das Wesen, der Begriff des Geistes überhaupt und enthält deshalb die Bestimmung, für das Bewußtsein die allgemeine Geschichte zu sein, welche sich in jedem individuellen Bewußtsein wiederholen soll. Denn eben das Bewußtsein ist, als die vielen Einzelnen, die Realität und Existenz des allgemeinen Geistes. Zunächst aber geht jene allgemeine Geschichte, weil der Geist die Wirklichkeit im Individuum zu seinem wesentlichen Momente hat, selber nur in Gestalt eines Einzelnen vor, an welchem sie sich als die seinige, als die Geschichte seiner Geburt, seines Leidens, Sterbens und seiner Rückkehr aus dem Tode begibt, doch in dieser Einzelheit zugleich die Bedeutung, die Geschichte des allgemeinen absoluten Geistes selber zu sein, beibehält.
Der eigentliche Wendepunkt in diesem Leben Gottes ist das Abtun seiner einzelnen Existenz als dieses Menschen, die Passionsgeschichte, das Leiden am Kreuz, die Schädelstätte des Geistes, die Pein des Todes. Insofern es hier nun im Inhalte selbst liegt, daß sich die äußerliche, leibliche Erscheinung, das unmittelbare Dasein als Individuum, im Schmerz seiner Negativität als das Negative zeige, damit der Geist durch die Aufopferung des Sinnlichen und der subjektiven Einzelheit zu seiner Wahrheit und zu seinem Himmel gelange, so trennt sich diese Sphäre der Darstellung am meisten von dem klassischen plastischen Ideal ab. Einerseits nämlich ist zwar der irdische Leib und die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur überhaupt dadurch gehoben und geehrt, daß Gott selber es ist, der in ihr erscheint, andererseits aber ist es gerade dies Menschliche und Leibliche, das als negativ gesetzt wird und in seinem Schmerz zur Erscheinung kommt, während es im klassischen Ideal die ungestörte Harmonie mit dem Geistigen und Substantiellen nicht verliert. Christus gegeißelt, mit der Dornenkrone, das Kreuz zum Richtplatz tragend, ans Kreuz geheftet, in der Qual eines martervollen, langsamen Todes hinsterbend, läßt sich in den Formen der griechischen Schönheit nicht darstellen, sondern in diesen Situationen ist das Höhere die Heiligkeit in sich, die Tiefe des Inneren, die Unendlichkeit des Schmerzes, als ewiges Moment des Geistes, die Duldung und göttliche Ruhe.
Den weiteren Kreis um diese Gestalt bilden teils Freunde, teils Feinde. Die Freunde sind gleichfalls keine Ideale, sondern dem Begriffe nach partikuläre Individuen, gewöhnliche Menschen, welche der Zug des Geistes zu Christus führt; die Feinde aber werden, indem sie sich Gott gegenüberstellen, ihn verurteilen, verspotten, martern, kreuzigen, als innerlich böse vorgestellt, und die Vorstellung der inneren Bosheit und Feindschaft gegen Gott führt nach außen hin die Häßlichkeit, Roheit, Barbarei, Wut und Verzerrung der Gestalt mit sich. In allen diesen Beziehungen tritt hier im Vergleich mit der klassischen Schönheit das Unschöne als notwendiges Moment auf.
γ) Der Prozeß des Todes aber ist in der göttlichen Natur nur als ein Durchgangspunkt zu betrachten, durch welchen sich die Versöhnung des Geistes mit sich zustande bringt und die Seiten des Göttlichen und Menschlichen, des schlechthin Allgemeinen und der erscheinenden Subjektivität, um deren Vermittlung es sich handelt, sich affirmativ zusammenschließen. Diese Affirmation, welche überhaupt die Grundlage und das Ursprüngliche ist, muß sich deshalb auch in dieser positiven Weise dartun. Als Situationen in der Geschichte Christi geben hierfür hauptsächlich die Auferstehung und Himmelfahrt die günstige Gelegenheit; vereinzelter außerdem die Momente, in welchen Christus als Lehrer auftritt. Hier nun aber tut sich für die bildende Kunst besonders eine Hauptschwierigkeit hervor. Denn teils ist es das Geistige als solches, das in seiner Innerlichkeit soll zur Darstellung kommen, teils ist es der absolute Geist, der in seiner Unendlichkeit und Allgemeinheit affirmativ mit der Subjektivität in Einheit gesetzt und, über das unmittelbare Dasein erhoben, dennoch im Leiblichen und Äußeren noch den ganzen Ausdruck seiner Unendlichkeit und Innerlichkeit zur Anschauung und Empfindung bringen müßte.
|