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c. Das Ende der romantischen Kunstform
Die Kunst, wie sie bisher der Gegenstand unserer Betrachtungen war, hatte die Einheit von Bedeutung und Gestalt und ebenso die Einheit der Subjektivität des Künstlers mit seinem Gehalt und Werk zu ihrer Grundlage. Näher war es die bestimmte Art dieser Einigung, welche für den Inhalt und dessen entsprechende Darstellung die substantielle, alle Gebilde durchdringende Norm abgab.
In dieser Beziehung fanden wir, beim Beginn der Kunst, im Orient den Geist noch nicht für sich selber frei; er suchte das für ihn Absolute noch im Natürlichen und faßte deshalb das Natürliche als an sich selber göttlich auf. Weiterhin stellte die Anschauung der klassischen Kunst die griechischen Götter als unbefangene, begeistete, doch ebenso wesentlich noch von der menschlichen Naturgestalt als von einem affirmativen Moment behaftete Individuen dar; und die romantische Kunst erst vertiefte den Geist in seine eigene Innigkeit, gegen welche nun das Fleisch, die äußere Realität und Weltlichkeit überhaupt, obschon das Geistige und Absolute nur in diesem Elemente zu erscheinen hatte, zunächst als Nichtiges gesetzt war, doch zuletzt sich mehr und mehr wieder in positiver Weise Geltung zu verschaffen wußte.
α) Diese Weltanschauungsweisen machen die Religion, den substantiellen Geist der Völker und Zeiten aus und ziehen sich wie durch die Kunst, so auch durch alle übrigen Gebiete der jedesmaligen lebendigen Gegenwart hindurch. Wie nun jeder Mensch in jeder Tätigkeit, sei sie politisch, religiös, künstlerisch, wissenschaftlich, ein Kind seiner Zeit ist und den wesentlichen Gehalt und die dadurch notwendige Gestalt derselben herauszuarbeiten die Aufgabe hat, so bleibt es auch die Bestimmung der Kunst, daß sie für den Geist eines Volks den künstlerisch gemäßen Ausdruck finde. Solange nun der Künstler mit der Bestimmtheit solcher Weltanschauung und Religion in unmittelbarer Identität und festem Glauben verwebt ist, so lange ist es ihm auch wahrhafter Ernst mit diesem Inhalt und dessen Darstellung, d. h. dieser Inhalt bleibt für ihn das Unendliche und Wahre seines eigenen Bewußtseins, ein Gehalt, mit dem er seiner innersten Subjektivität nach in ursprünglicher Einheit lebt, während die Gestalt, in welcher er denselben herausstellt, für ihn als Künstler die letzte, notwendige, höchste Art ist, sich das Absolute und die Seele der Gegenstände überhaupt zur Anschauung zu bringen. Durch die ihm selber immanente Substanz seines Stoffs wird er an die bestimmte Weise der Exposition gebunden. Denn den Stoff und damit die für denselben gehörige Form trägt dann der Künstler unmittelbar in sich, als das eigentliche Wesen seines Daseins, das er sich nicht einbildet, sondern das er selber ist und deshalb nur die Arbeit hat, dies wahrhaft Wesentliche sich objektiv zu machen, es lebendig aus sich vorzustellen und herauszubilden. Nur dann ist der Künstler vollständig für seinen Inhalt und für die Darstellung begeistert, und seine Erfindungen werden kein Produkt der Willkür, sondern entspringen in ihm, aus ihm, aus diesem substantiellen Boden, aus diesem Fonds, dessen Inhalt nicht eher ruht, bis er durch den Künstler zu einer seinem Begriff angemessenen individuellen Gestalt gelangt ist. Wenn wir dagegen jetzt einen griechischen Gott oder als heutige Protestanten eine Maria zum Gegenstande eines Skulpturwerks oder Gemäldes machen wollen, so ist es uns kein wahrer Ernst mit solchem Stoße. Der innerste Glaube ist es, der uns dann abgeht, wenn auch der Künstler in Zeiten des noch vollen Glaubens nicht eben das zu sein braucht, was man gemeinhin einen frommen Mann nennt; wie denn auch überhaupt die Künstler nicht gerade jedesmal die Frömmsten gewesen sind. Die Forderung ist nur die, daß der Inhalt für den Künstler das Substantielle, die innerste Wahrheit seines Bewußtseins ausmache und ihm die Notwendigkeit für die Darstellungsweise gebe. Denn der Künstler ist in seiner Produktion zugleich Naturwesen, seine Geschicklichkeit ein natürliches Talent, sein Wirken nicht die reine Tätigkeit des Begreifens, die ihrem Stoff ganz gegenübertritt und sich in freien Gedanken, im reinen Denken mit demselben eint, sondern, als von der Naturseite noch nicht losgelöst, unmittelbar mit dem Gegenstande vereinigt, an ihn glaubend und dem eigensten Selbst nach mit ihm identisch. Dann liegt die Subjektivität gänzlich in dem Objekt, das Kunstwerk geht ebenso ganz aus der ungeteilten Innerlichkeit und Kraft des Genies hervor, die Produktion ist ferme, unwankend und die volle Intensität darin zusammengehalten. Dies ist das Grundverhältnis dafür, daß die Kunst in ihrer Ganzheit vorhanden sei.
β) Bei der Stellung dagegen, welche wir der Kunst im Verlaufe ihrer Entwicklung haben anweisen müssen, hat sich das ganze Verhältnis durchaus verändert. Dies müssen wir jedoch als kein bloßes zufälliges Unglück ansehen, von welchem die Kunst von außen her durch die Not der Zeit, den prosaischen Sinn, den Mangel an Interesse usf. betroffen wurde, sondern es ist die Wirkung und der Fortgang der Kunst selber, welche, indem sie den ihr selbst innewohnenden Stoff zur gegenständlichen Anschauung bringt, auf diesem Wege selbst durch jeden Fortschritt einen Beitrag liefert, sich selber von dem dargestellten Inhalt zu befreien. Was wir als Gegenstand durch die Kunst oder das Denken so vollständig vor unserem sinnlichen oder geistigen Auge haben, daß der Gehalt erschöpft, daß alles heraus ist und nichts Dunkles und Innerliches mehr übrigbleibt, daran verschwindet das absolute Interesse. Denn Interesse findet nur bei frischer Tätigkeit statt. Der Geist arbeitet sich nur so lange in den Gegenständen herum, solange noch ein Geheimes, Nichtoffenbares darin ist. Dies ist der Fall, solange der Stoff noch identisch mit uns ist. Hat nun aber die Kunst die wesentlichen Weltanschauungen, die in ihrem Begriffe liegen, sowie den Kreis des Inhalts, welcher diesen Weltanschauungen angehört, nach allen Seiten hin offenbar gemacht, so ist sie diesen jedesmal für ein besonderes Volk, eine besondere Zeit bestimmten Gehalt losgeworden, und das wahrhafte Bedürfnis, ihn wieder aufzunehmen, erwacht nur mit dem Bedürfnis, sich gegen den bisher allein gültigen Gehalt zu kehren; wie in Griechenland Aristophanes z. B. sich gegen seine Gegenwart und Lukian sich gegen die gesamte griechische Vergangenheit erhob und in Italien und Spanien, beim scheidenden Mittelalter, Ariosto und Cervantes sich gegen das Rittertum zu wenden anfingen.
Gegenüber der Zeit nun, in welcher der Künstler durch seine Nationalität und Zeit, seiner Substanz nach, innerhalb einer bestimmten Weltanschauung und deren Gehalt und Darstellungsformen steht, finden wir einen schlechthin entgegengesetzten Standpunkt, welcher in seiner vollständigen Ausbildung erst in der neuesten Zeit von Wichtigkeit ist. In unseren Tagen hat sich fast bei allen Völkern die Bildung der Reflexion, die Kritik und bei uns Deutschen die Freiheit des Gedankens auch der Künstler bemächtigt und sie in betreff auf den Stoff und die Gestalt ihrer Produktion, nachdem auch die notwendigen besonderen Stadien der romantischen Kunstform durchlaufen sind, sozusagen zu einer tabula rasa gemacht. Das Gebundensein an einen besonderen Gehalt und eine nur für diesen Stoff passende Art der Darstellung ist für den heutigen Künstler etwas Vergangenes und die Kunst dadurch ein freies Instrument geworden, das er nach Maßgabe seiner subjektiven Geschicklichkeit in bezug auf jeden Inhalt, welcher Art er auch sei, gleichmäßig handhaben kann. Der Künstler steht damit über den bestimmten konsekrierten Formen und Gestaltungen und bewegt sich frei für sich, unabhängig von dem Gehalt und der Anschauungsweise, in welcher sonst dem Bewußtsein das Heilige und Ewige vor Augen war. Kein Inhalt, keine Form ist mehr unmittelbar mit der Innigkeit, mit der Natur, dem bewußtlosen substantiellen Wesen des Künstlers identisch; jeder Stoff darf ihm gleichgültig sein, wenn er nur dem formellen Gesetz, überhaupt schön und einer künstlerischen Behandlung fähig zu sein, nicht widerspricht. Es gibt heutigentags keinen Stoff, der an und für sich über dieser Relativität stände, und wenn er auch darüber erhaben ist, so ist doch wenigstens kein absolutes Bedürfnis vorhanden, daß er von der Kunst zur Darstellung gebracht werde. Deshalb verhält sich der Künstler zu seinem Inhalt im ganzen gleichsam als Dramatiker, der andere, fremde Personen aufstellt und exponiert. Er legt zwar auch jetzt noch sein Genie hinein, er webt von seinem eigenen Stoffe hindurch, aber nur das Allgemeine oder das ganz Zufällige; die nähere Individualisierung hingegen ist nicht die seinige, sondern er gebraucht in dieser Rücksicht seinen Vorrat von Bildern, Gestaltungsweisen, früheren Kunstformen, die ihm, für sich genommen, gleichgültig sind und nur wichtig werden, wenn sie ihm gerade für diesen oder jenen Stoff als die passendsten erscheinen. In den meisten Künsten, besonders in den bildenden, kommt außerdem der Gegenstand dem Künstler von außen her; er arbeitet auf Bestellung und hat nun bei den heiligen oder profanen Geschichten, Szenen, Porträts, Kirchenbauten usf. nur darauf zu sehen, was daraus zu machen ist. Denn wie sehr er auch sein Gemüt in den gegebenen Inhalt hineinbildet, so bleibt ihm derselbe doch immer ein Stoff, der nicht für ihn selbst unmittelbar das Substantielle seines Bewußtseins ist. Es hilft da weiter nichts, sich vergangene Weltanschauungen wieder, sozusagen substantiell, aneignen, d. i. sich in eine dieser Anschauungsweisen fest hineinmachen zu wollen, als z. B. katholisch zu werden, wie es in neueren Zeiten der Kunst wegen viele getan, um ihr Gemüt zu fixieren und die bestimmte Begrenzung ihrer Darstellung für sich selbst zu etwas Anundfürsichseiendem werden zu lassen. Der Künstler darf nicht erst nötig haben, mit seinem Gemüt ins reine zu kommen und für sein eigenes Seelenheil sorgen zu müssen; seine große, freie Seele muß von Hause aus, ehe er ans Produzieren geht, wissen und haben, woran sie ist, und ihrer sicher und in sich zuversichtlich sein; und besonders bedarf der heutige große Künstler der freien Ausbildung des Geistes, in welcher aller Aberglauben und Glauben, der auf bestimmte Formen der Anschauung und Darstellung beschränkt bleibt, zu bloßen Seiten und Momenten herabgesetzt ist, über welche der freie Geist sich zum Meister gemacht hat, indem er in ihnen keine an und für sich geheiligten Bedingungen seiner Exposition und Gestaltungsweise sieht, sondern ihnen nur Wert durch den höheren Gehalt zuschreibt, den er wiederschaffend als ihnen gemäß in sie hineinlegt.
In dieser Weise steht dem Künstler, dessen Talent und Genie für sich von der früheren Beschränkung auf eine bestimmte Kunstform befreit ist, jetzt jede Form wie jeder Stoff zu Dienst und zu Gebot.
γ) Fragen wir nun aber endlich nach dem Inhalt und den Formen, welche dieser Stufe ihrem allgemeinen Standpunkte nach als eigentümlich betrachtet werden können, so ergibt sich folgendes.
Die allgemeinen Kunstformen bezogen sich vornehmlich auf die absolute Wahrheit, welche die Kunst erreicht, und fanden den Ursprung ihrer Besonderung in der bestimmten Auffassung dessen, was dem Bewußtsein als das Absolute galt und in sich selbst das Prinzip seiner Gestaltungsart trug. Wir haben in dieser Beziehung Naturbedeutungen als Inhalt, Naturdinge und menschliche Personifikationen als Form der Darstellung im Symbolischen hervortreten sehen; im Klassischen die geistige Individualität, aber als leibliche unerinnerte Gegenwart, über welcher die abstrakte Notwendigkeit des Schicksals stand; im Romantischen die Geistigkeit mit ihr selbst immanenter Subjektivität, für deren Innerlichkeit die äußere Gestalt zufällig blieb. Auch in dieser letzten Kunstform war, wie in den früheren, das Göttliche an und für sich Gegenstand der Kunst. Dies Göttliche nun aber hatte sich zu objektivieren, zu bestimmen und damit aus sich zum weltlichen Gehalt der Subjektivität fortzugehen. Zunächst lag das Unendliche der Persönlichkeit in der Ehre, Liebe, Treue, dann in der besonderen Individualität, in dem bestimmten Charakter, der sich mit dem besonderen Gehalt des menschlichen Daseins zusammenschloß. Das Verwachsensein mit solcher spezifischen Beschränktheit des Inhalts endlich hob der Humor, der alle Bestimmtheit wankend zu machen und zu lösen wußte, wieder auf und ließ die Kunst dadurch über sich selbst hinausgehen. In diesem Hinausgehen jedoch der Kunst über sich selber ist sie ebensosehr ein Zurückgehen des Menschen in sich selbst, ein Hinabsteigen in seine eigene Brust, wodurch die Kunst alle feste Beschränkung auf einen bestimmten Kreis des Inhalts und der Auffassung von sich abstreife und zu ihrem neuen Heiligen den Humanus macht, die Tiefen und Höhen des menschlichen Gemüts als solchen, das Allgemeinmenschliche in seinen Freuden und Leiden, seinen Bestrebungen, Taten und Schicksalen. Hiermit erhält der Künstler seinen Inhalt an ihm selber und ist der wirklich sich selbst bestimmende, die Unendlichkeit seiner Gefühle und Situationen betrachtende, ersinnende und ausdrückende Menschengeist, dem nichts mehr fremd ist, was in der Menschenbrust lebendig werden kann. Es ist dies ein Gehalt, der nicht an und für sich künstlerisch bestimmt bleibt, sondern die Bestimmtheit des Inhalts und des Ausgestaltens der willkürlichen Erfindung überläßt, doch kein Interesse ausschließt, da die Kunst nicht mehr das nur darzustellen braucht, was auf einer ihrer bestimmten Stufen absolut zu Hause ist, sondern alles, worin der Mensch überhaupt heimisch zu sein die Befähigung hat.
Bei dieser Breite und Mannigfaltigkeit des Stoffs ist nun vor allem die Forderung zu stellen, daß sich in Rücksicht auf die Behandlungsweise überall zugleich die heutige Gegenwärtigkeit des Geistes kundgebe. Der moderne Künstler kann sich freilich alten und älteren zugesellen; Homeride, auch nur als letzter, zu sein ist schön, und auch Gebilde, welche die mittelalterliche Wendung der romantischen Kunst widerspiegeln, werden ihre Verdienste haben; aber ein anderes ist diese Allgemeingültigkeit, Tiefe und Eigentümlichkeit eines Stoffs und ein anderes seine Behandlungsweise. Kein Homer, Sophokles usf., kein Dante, Ariost oder Shakespeare können in unserer Zeit hervortreten; was so groß besungen, was so frei ausgesprochen ist, ist ausgesprochen; es sind dies Stoffe, Weisen, sie anzuschauen und aufzufassen, die ausgesungen sind. Nur die Gegenwart ist frisch, das andere fahl und fahler. - Wir müssen den Franzosen zwar einen Vorwurf in Rücksicht auf das Historische und eine Kritik in betreff auf Schönheit daraus machen, griechische und römische Helden, Chinesen und Peruaner als französische Prinzen und Prinzessinnen dargestellt und ihnen die Motive und Ansichten der Zeit Ludwigs XIV. und XV. gegeben zu haben; doch wenn nur diese Motive und Ansichten in sich selbst tiefer und schöner gewesen wären, so würde dies Herüberziehen in die Gegenwart der Kunst nichts eben Schlimmes sein. Im Gegenteil, alle Stoffe, sie seien, aus welcher Zeit und Nation es sei, erhalten ihre Kunstwahrheit nur als diese lebendige Gegenwärtigkeit, in welcher sie die Brust des Menschen, den Reflex seiner füllt und Wahrheit uns zur Empfindung und Vorstellung bringt. Das Erscheinen und Wirken des unvergänglich Menschlichen in seiner vielseitigsten Bedeutung und unendlichen Herumbildung ist es, was in diesem Gefäß menschlicher Situationen und Empfindungen den absoluten Gehalt unserer Kunst jetzt ausmachen kann.
Blicken wir nun, nach dieser allgemeinen Feststellung des eigentümlichen Inhalts dieser Stufe auf das zurück, was wir als die Auflösungsformen der romantischen Kunst zuletzt betrachtet haben, so hoben wir vornehmlich das Zerfallen der Kunst, die Nachbildung des äußerlich Objektiven in der Zufälligkeit seiner Gestalt auf der einen Seite, auf der anderen dagegen im Humor das Freiwerden der Subjektivität ihrer inneren Zufälligkeit nach heraus. Zum Schluß können wir nun noch innerhalb des vorhin angedeuteten Stoffs ein Zusammenfassen jener Extreme der romantischen Kunst bemerklich machen. Wie wir nämlich beim Fortschritt vom Symbolischen zu der klassischen Kunst die Übergangsformen des Bildes, der Vergleichung und des Epigramms usf. betrachteten, so haben wir hier im Romantischen einer ähnlichen Form Erwähnung zu tun. In jenen Auffassungsweisen war die Hauptsache das Auseinanderfallen der inneren Bedeutung und der äußeren Gestalt, eine Scheidung, welche partiell durch die subjektive Tätigkeit des Künstlers aufgehoben und besonders im Epigramm möglichst zur Identifikation umgewandelt wurde. Die romantische Kunst nun war von Hause aus die tiefere Entzweiung der sich in sich befriedigenden Innerlichkeit, welche, da dem in sich seienden Geiste überhaupt das Objektive nicht vollkommen entspricht, gebrochen oder gleichgültig gegen dasselbe blieb. Dieser Gegensatz hat sich im Verlauf der romantischen Kunst dahin entwickelt, daß wir bei dem alleinigen Interesse für die zufällige Äußerlichkeit oder für die gleich zufällige Subjektivität anlangen mußten. Wenn sich nun aber diese Befriedigung an der Äußerlichkeit wie an der subjektiven Darstellung dem Prinzip des Romantischen gemäß zu einem Vertiefen des Gemüts in den Gegenstand steigert und es dem Humor andererseits auch auf das Objekt und dessen Gestaltung innerhalb seines subjektiven Reflexes ankommt, so erhalten wir dadurch eine Verinnigung in dem Gegenstande, einen gleichsam objektiven Humor. Solch eine Verinnigung jedoch kann nur partiell sein und sich etwa nur im Umfange eines Liedes oder nur als Teil eines größeren Ganzen äußern. Denn sich ausdehnend und innerhalb der Objektivität durchführend, würde es zur Handlung und Begebenheit und zu einer objektiven Darstellung derselben werden müssen. Was wir dagegen hierher rechnen dürfen, ist mehr ein empfindungsvolles Sich-Ergehen des Gemüts in dem Gegenstande, das wohl zur Entfaltung kommt, aber eine subjektive geistreiche Bewegung der Phantasie und des Herzens bleibt, ein Einfall, der aber nicht bloß zufällig und willkürlich, sondern eine innere Bewegung des Geistes ist, die sich ganz ihrem Gegenstande widmet und ihn zum Interesse und Inhalt behält.
Wir können in dieser Beziehung dergleichen letzte Kunstblüten dem alten griechischen Epigramm gegenüberstellen, in welchem diese Form in ihrer ersten, einfachsten Gestalt hervortrat. Die Form, die hier gemeint ist, zeigt sich erst, wenn das Besprechen des Gegenstandes nicht ein bloßes Nennen, nicht eine Inschrift oder Aufschrift ist, welche nur sagt, was überhaupt der Gegenstand sei, sondern wenn eine tiefe Empfindung, ein treffender Witz, eine sinnreiche Reflexion und geistvolle Bewegung der Phantasie hinzukommen, die das Kleinste durch die Poesie der Auffassung beleben und erweitern; dergleichen Gedichte nun aber an oder über etwas, einen Baum, Mühlbach, den Frühling usf., über Lebendige und Tote, können von der unendlichsten Mannigfaltigkeit sein und unter jedem Volke entstehen; doch bleiben sie untergeordneter Art und werden überhaupt leicht lahm, denn besonders bei ausgebildeter Reflexion und Sprache wird jedem bei den meisten Gegenständen und Verhältnissen irgend etwas einfallen, das er nun auch, wie jeder einen Brief zu schreiben versteht, auszudrücken die Geschicklichkeit hat. Solch eines allgemeinen, oft - wenn auch mit neuen Nuancen - wiederholten Singsangs wird man bald überdrüssig. Es handelt sich deshalb auf dieser Stufe hauptsächlich darum, daß sich das Gemüt mit seiner Innigkeit, daß sich ein tiefer Geist und reiches Bewußtsein in die Zustände, Situation usf. ganz hineinlebe, darin verweile und aus dem Gegenstande dadurch etwas Neues, Schönes, in sich selbst Wertvolles mache.
Hierfür geben besonders die Perser und Araber in der morgenländischen Pracht ihrer Bilder, in der freien Seligkeit der Phantasie, welche sich ganz theoretisch mit ihren Gegenständen zu tun macht, ein glänzendes Vorbild selbst für die Gegenwart und die subjektive heutige Innigkeit ab. Auch die Spanier und Italiener haben hierin Vortreffliches geleistet. Klopstock sagt zwar von Petrarca:
Laura besang Petrarca in Liedern, Zwar dem Bewunderer schön, aber dem Liebenden nicht, doch Klopstocks Liebesoden sind selber nur voll moralischer Reflexionen, trübseliger Sehnsucht und heraufgeschrobener Leidenschaft für das Glück der Unsterblichkeit, während wir in Petrarca die Freiheit der in sich selbst geadelten Empfindung bewundern, welche, wie sehr sie auch das Verlangen nach der Geliebten ausdrückt, doch in sich selber befriedigt ist. Denn das Verlangen, die Begierde kann zwar bei dem Kreise dieser Gegenstände, wenn er sich auf Wein und Liebe, auf die Schenke und den Schenken beschränkt, nicht fehlen, wie denn auch die Perser z. B. von höchster Üppigkeit der Bilder sind; aber die Phantasie entfernt hier in ihrem subjektiven Interesse den Gegenstand ganz aus dem Kreise des praktischen Verlangens; sie hat ein Interesse nur in dieser phantasievollen Beschäftigung, welche sich in ihren hundert wechselnden Wendungen und Einfällen in freiester Weise genügt und mit den Freuden wie mit dem Grame aufs geistreichste spielt. Auf dem Standpunkte einer gleich geistreichen Freiheit, aber subjektiv innigeren Tiefe der Phantasie stehen unter neueren Dichtern hauptsächlich Goethe in seinem West-östlichen Divan und Rückert. Besonders unterscheiden sich Goethes Gedichte im Divan wesentlich von seinen früheren. In "Willkommen und Abschied" z. B. ist die Sprache, die Schilderung zwar schön, die Empfindung innig, aber sonst die Situation ganz gewöhnlich, der Ausgang trivial, und die Phantasie und ihre Freiheit hat nichts weiter hinzugetan. Ganz anders ist das Gedicht im West-östlichen Divan, "Wiederfinden" überschrieben. Hier ist die Liebe ganz in die Phantasie, deren Bewegung, Glück, Seligkeit herübergestellt. Überhaupt haben wir in den ähnlichen Produktionen dieser Art keine subjektive Sehnsucht, kein Verliebtsein, keine Begierde vor uns, sondern ein reines Gefallen an den Gegenständen, ein unerschöpfliches Sich-Ergehen der Phantasie, ein harmloses Spielen, eine Freiheit in den Tändeleien auch der Reime und künstlichen Versmaße, und dabei eine Innigkeit und Froheit des sich in sich selber bewegenden Gemütes, welche durch die Heiterkeit des Gestaltens die Seele hoch über alle peinliche Verflechtung in die Beschränkung der Wirklichkeit hinausheben.
Hiermit können wir die Betrachtung der besonderen Formen, zu welchen sich das Ideal der Kunst in seinem Entwicklungsgange auseinanderlegt, beschließen. Ich habe diese Formen zum Gegenstande einer weitläufigeren Untersuchung gemacht, um den Inhalt derselben, aus welchem sich auch die Darstellungsweise herleitet, anzugeben. Denn der Gehalt ist es, der, wie in allem Menschenwerk, so auch in der Kunst entscheidet. Die Kunst, ihrem Begriffe nach, hat nichts anderes zu ihrem Beruf, als das in sich selbst Gehaltvolle zu adäquater, sinnlicher Gegenwart herauszustellen, und die Philosophie der Kunst muß es sich deshalb zu ihrem Hauptgeschäft werden lassen, was dies Gehaltvolle und seine schöne Erscheinungsweise ist, denkend zu begreifen.
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