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Erster Abschnitt: Die symbolische Kunstform
Einleitung: Vom Symbol überhaupt
Das Symbol in der Bedeutung, in welcher wir das Wort hier gebrauchen, macht dem Begriffe wie der historischen Erscheinung nach den Anfang der Kunst und ist deshalb gleichsam nur als Vorkunst zu betrachten, welche hauptsächlich dem Morgenlande angehört und uns erst nach vielfachen Übergängen, Verwandlungen und Vermittlungen zu der echten Wirklichkeit des Ideals als der klassischen Kunstform hinüberführt. Wir müssen deshalb von vornherein sogleich das Symbol in seiner selbständigen Eigentümlichkeit, in welcher es den durchgreifenden Typus für die Kunstanschauung und Darstellung abgibt, von derjenigen Art des Symbolischen unterscheiden, das nur zu einer bloßen, für sich unselbständigen äußeren Form herabgesetzt ist. In dieser letzteren Weise nämlich finden wir das Symbol auch in der klassischen und romantischen Kunstform ganz ebenso wieder, wie einzelne Seiten auch im Symbolischen die Gestalt des klassischen Ideals annehmen oder den Beginn der romantischen Kunst hervorkehren können. Dergleichen Herüber- und Hinüberspielen betrifft dann aber nur immer Nebengebilde und einzelne Züge, ohne die eigentliche Seele und bestimmende Natur ganzer Kunstwerke auszumachen.
Wo das Symbol sich dagegen in seiner eigentümlichen Form selbständig ausbildet, hat es im allgemeinen den Charakter der Erhabenheit, weil zunächst überhaupt nur die in sich noch maßlose und nicht frei in sich bestimmte Idee zur Gestalt werden soll und deshalb in den konkreten Erscheinungen keine bestimmte Form zu finden imstande ist, welche vollständig dieser Abstraktion und Allgemeinheit entspricht. In diesem Nichtentsprechen aber überragt die Idee ihr äußerliches Dasein, statt darin aufgegangen oder vollkommen beschlossen zu sein. Dies Hinaussein über die Bestimmtheit der Erscheinung macht den allgemeinen Charakter des Erhabenen aus.
Was nun vorerst das Formelle betrifft, so haben wir jetzt nur ganz im allgemeinen eine Erklärung von dem zu geben, was unter Symbol verstanden wird.
Symbol überhaupt ist eine für die Anschauung unmittelbar vorhandene oder gegebene äußerliche Existenz, welche jedoch nicht so, wie sie unmittelbar vorliegt, ihrer selbst wegen genommen, sondern in einem weiteren und allgemeineren Sinne verstanden werden soll. Es ist daher beim Symbol sogleich zweierlei zu unterscheiden: erstens die Bedeutung und sodann der Ausdruck derselben. Jene ist eine Vorstellung oder ein Gegenstand, gleichgültig von welchem Inhalte, dieser ist eine sinnliche Existenz oder ein Bild irgendeiner Art.
1. Das Symbol ist nun zunächst ein Zeichen. Bei der bloßen Bezeichnung aber ist der Zusammenhang, den die Bedeutung und deren Ausdruck miteinander haben, nur eine ganz willkürliche Verknüpfung. Dieser Ausdruck, dies sinnliche Ding oder Bild stellt dann so wenig sich selber vor, daß es vielmehr einen ihm fremden Inhalt, mit dem es in gar keiner eigentümlichen Gemeinschaft zu stehen braucht, vor die Vorstellung bringt. So sind in den Sprachen z. B. die Töne Zeichen von irgendeiner Vorstellung, Empfindung usw. Der überwiegende Teil der Töne einer Sprache ist aber mit den Vorstellungen, die dadurch ausgedrückt werden, auf eine dem Gehalte nach zufällige Weise verknüpft, wenn sich auch durch eine geschichtliche Entwicklung zeigen ließe, daß der ursprüngliche Zusammenhang von anderer Beschaffenheit war; und die Verschiedenheit der Sprachen besteht vornehmlich darin, daß dieselbe Vorstellung durch ein verschiedenes Tönen ausgedrückt ist. Ein anderes Beispiel solcher Zeichen sind die Farben (les couleurs), welche in den Kokarden und Flaggen gebraucht werden, um auszudrücken, zu welcher Nation ein Individuum oder Schiff gehört. Eine solche Farbe enthält gleichfalls in ihr selber keine Qualität, welche ihr gemeinschaftlich wäre mit ihrer Bedeutung - der Nation nämlich, welche durch sie vorgestellt wird. In dem Sinne einer solchen Gleichgültigkeit von Bedeutung und Bezeichnung derselben dürfen wir deshalb in betreff auf die Kunst das Symbol nicht nehmen, indem die Kunst überhaupt gerade in der Beziehung, Verwandtschaft und dem konkreten Ineinander von Bedeutung und Gestalt besteht.
2. Anders ist es daher bei einem Zeichen, welches ein Symbol sein soll. Der Löwe z. B. wird als ein Symbol der Großmut, der Fuchs als Symbol der List, der Kreis als Symbol der Ewigkeit, das Dreieck als Symbol der Dreieinigkeit genommen. Der Löwe nun aber, der Fuchs besitzen für sich die Eigenschaften selbst, deren Bedeutung sie ausdrücken sollen. Ebenso zeigt der Kreis nicht das Unbeendigte oder willkürlich Begrenzte einer geraden oder anderen nicht in sich zurückkehrenden Linie, welches gleichfalls irgendeinem beschränkten Zeitabschnitte zukommt; und das Dreieck hat als ein Ganzes dieselbe Anzahl von Seiten und Winkeln, als sich an der Idee Gottes ergeben, wenn die Bestimmungen, welche die Religion in Gott auffaßt, dem Zählen unterworfen werden.
In diesen Arten des Symbols daher haben die sinnlichen vorhandenen Existenzen schon in ihrem eigenen Dasein diejenige Bedeutung, zu deren Darstellung und Ausdruck sie verwendet werden; und das Symbol, in diesem weiteren Sinne genommen, ist deshalb kein bloßes gleichgültiges Zeichen, sondern ein Zeichen, welches in seiner Äußerlichkeit zugleich den Inhalt der Vorstellung in sich selbst befaßt, die es erscheinen macht. Zugleich aber soll es nicht sich selbst als dies konkrete einzelne Ding, sondern in sich nur eben jene allgemeine Qualität der Bedeutung vor das Bewußtsein bringen.
3. Weiter ist drittens zu bemerken, daß das Symbol, obschon es seiner Bedeutung, nicht wie das bloß äußerliche und formelle Zeichen, gar nicht adäquat sein darf, sich ihr dennoch umgekehrt, um Symbol zu bleiben, auch nicht ganz angemessen machen muß. Denn wenn einerseits auch der Inhalt, welcher die Bedeutung ist, und die Gestalt, welche zu deren Bezeichnung gebraucht wird, in einer Eigenschaft übereinstimmen, so enthält die symbolische Gestalt andererseits dennoch auch für sich noch andere, von jener gemeinschaftlichen Qualität, welche sie das eine Mal bedeutete, durchaus unabhängige Bestimmungen; ebenso wie der Inhalt nicht bloß ein abstrakter, wie die Stärke, die List, zu sein braucht, sondern ein konkreter sein kann, der nun auch seinerseits wieder eigentümliche - von der ersteren Eigenschaft, welche die Bedeutung seines Symbols ausmacht, und ebenso noch mehr von den übrigen eigentümlichen Beschaffenheiten dieser Gestalt verschiedene - Qualitäten enthalten kann. - So ist der Löwe z. B. nicht nur stark, der Fuchs nicht nur listig, besonders aber hat Gott noch ganz andere Eigenschaften als diejenigen, welche in einer Zahl, einer mathematischen Figur oder Tiergestalt können aufgefaßt werden. Der Inhalt bleibt daher gegen die Gestalt, welche ihn vorstellt, auch gleichgültig, und die abstrakte Bestimmtheit, welche er ausmacht, kann ebensogut in unendlich vielen anderen Existenzen und Gestaltungen vorhanden sein. Gleichfalls hat ein konkreter Inhalt viele Bestimmungen an ihm, zu deren Ausdruck andere Gestaltungen, in denen dieselbe Bestimmung liegt, dienen können. Für die äußere Existenz, in welcher sich irgendein Inhalt symbolisch ausdrückt, gilt ganz dasselbe. Auch sie hat als konkretes Dasein ebenso mehrere Bestimmungen in ihr, deren Symbol sie sein kann. So ist etwa das nächstbeste Symbol der Stärke allerdings der Löwe, ebensosehr aber auch der Stier, das Horn, und umgekehrt hat wieder der Stier eine Menge anderer symbolischer Bedeutungen. Vollends unendlich aber ist die Menge von Gestaltungen und Gebilden, welche, um Gott vorzustellen, als Symbole gebraucht worden sind
Hieraus folgt nun, daß das Symbol seinem eigenen Begriff nach wesentlich zweideutig bleibt.
a) Erstens führt der Anblick eines Symbols überhaupt sogleich den Zweifel herbei, ob eine Gestalt als Symbol zu nehmen ist oder nicht, wenn wir auch die weitere Zweideutigkeit in Rücksicht auf den bestimmten Inhalt beiseite lassen, welchen eine Gestalt unter mehreren Bedeutungen, als deren Symbol sie oft durch entferntere Zusammenhänge gebraucht werden kann, bezeichnen solle.
Was wir zunächst vor uns haben, ist überhaupt eine Gestalt, ein Bild, die für sich nur die Vorstellung einer unmittelbaren Existenz geben. Ein Löwe z. B., ein Adler, eine Farbe stellt sich selbst vor und kann als für sich genügend gelten. Deshalb entsteht die Frage, ob ein Löwe, dessen Bild vor uns gebracht ist, nur sich selbst ausdrücken und bedeuten oder ob er außerdem auch noch etwas Weiteres, den abstrakteren Inhalt der bloßen Stärke oder den konkreteren eines Helden oder einer Jahreszeit, des Ackerbaus vorstellen und bezeichnen soll; ob solches Bild, wie man es nennt, eigentlich oder zugleich uneigentlich oder auch etwa nur uneigentlich genommen werden soll. - Letzteres ist z. B. bei symbolischen Ausdrücken der Sprache, bei Wörtern wie begreifen, schließen usf. der Fall. Wenn sie geistige Tätigkeiten bezeichnen, haben wir nur unmittelbar diese ihre Bedeutung einer geistigen Tätigkeit vor uns, ohne uns etwa zugleich auch der sinnlichen Handlungen des Begreifens, Schließens zu erinnern. Aber bei dem Bilde eines Löwen steht uns nicht nur die Bedeutung, die er als Symbol haben kann, sondern auch diese sinnliche Gestalt und Existenz selber vor Augen.
Eine solche Zweifelhaftigkeit hört deshalb nur dadurch auf, daß jede der beiden Seiten, die Bedeutung und deren Gestalt, ausdrücklich genannt und dabei zugleich ihre Beziehung ausgesprochen ist. Dann ist aber auch die vorgestellte konkrete Existenz nicht mehr ein Symbol im eigentlichen Sinne des Worts, sondern ein bloßes Bild, und die Beziehun von Bild und Bedeutung erhält die bekannte Form der Vergleichung, des Gleichnisses. In dem Gleichnis nämlich muß uns beides vorschweben: die allgemeine Vorstellung einmal und dann ihr konkretes Bild. Ist dagegen die Reflexion noch nicht so weit gekommen, allgemeine Vorstellungen selbständig festzuhalten und deshalb auch für sich herauszustellen, so ist auch die sinnliche verwandte Gestalt, in welcher eine allgemeinere Bedeutung ihren Ausdruck finden soll, noch nicht von dieser Bedeutung getrennt gemeint, sondern beides noch unmittelbar in einem. Dies macht, wie wir noch später sehen werden, den Unterschied von Symbol und Vergleich. So ruft z. B. Karl Moor beim Anblick der untergehenden Sonne aus: "So stirbt ein Held!" Hier ist die Bedeutung von der sinnlichen Darstellung ausdrücklich geschieden und dem Bilde zugleich die Bedeutung hinzugefügt. In anderen Fällen wird zwar bei Gleichnissen diese Scheidung und Beziehung nicht so deutlich hervorgehoben, sondern der Zusammenhang bleibt unmittelbarer; dann aber muß sonst schon aus dem anderweitigen Zusammenhange der Rede, aus der Stellung und anderen Umständen erhellen, daß das Bild nicht für sich befriedigen solle, sondern daß diese oder jene bestimmte Bedeutung, welche nicht zweifelhaft bleiben kann, damit gemeint sei. Wenn z. B. Luther sagt:
Ein' feste Burg ist unser Gott,
oder wenn es heißt:
In den Ozean schifft mit tausend Masten der Jüngling, Still auf gerettetem Boot treibt in den Hafen der Greis -
ist über die Bedeutung von Schutz bei der Burg, von Welt der Hoffnungen und Pläne bei dem Bilde des Ozeans und der tausend Masten, von dem beschränkten Zwecke und Besitz, dem kleinen sicheren Flecke beim Bilde des Bootes, des Hafens kein Zweifel. Ebenso wenn im Alten Testament gesagt wird: "Gott, zerbrich ihre Zähne in ihrem Maul, zerstoße, Herr, die Backzähne der jungen Löwen!" - so erkennt man sogleich, die Zähne, das Maul, die Backzähne der jungen Löwen seien nicht für sich gemeint, sondern nur Bilder und sinnliche Anschauungen, die uneigentlich zu verstehen seien und bei denen es sich nur um ihre Bedeutung handle.
Diese Zweifelhaftigkeit nun aber tritt um so mehr bei dem Symbol als solchem ein, als ein Bild, das eine Bedeutung hat, vornehmlich nur dann Symbol genannt wird, wenn diese Bedeutung nicht wie bei der Vergleichung für sich ausgedrückt oder sonst schon klar ist. Zwar wird auch dem eigentlichen Symbol seine Zweideutigkeit dadurch genommen, daß sich um dieser Ungewißheit selbst willen die Verbindung des sinnlichen Bildes und der Bedeutung zu einer Gewohnheit macht und etwas mehr oder weniger Konventionelles wird - wie dies in Ansehung auf bloße Zeichen unumgänglich erforderlich ist -, wohingegen das Gleichnis sich als etwas nur zu augenblicklichem Behufe Erfundenes, Einzelnes gibt, das für sich klar ist, weil es seine Bedeutung selbst mit sich führt. Doch wenn auch denjenigen, die sich in solchem konventionellen Kreise des Vorstellens befinden, das bestimmte Symbol durch Gewohnheit deutlich ist, so verhält es sich mit allen übrigen dagegen, die sich nicht in dem gleichen Kreise bewegen oder für welche derselbe eine Vergangenheit ist, durchaus in anderer Weise. Ihnen ist zunächst nur die unmittelbare sinnliche Darstellung gegeben, und es bleibt für sie jedesmal zweifelhaft, ob sie sich mit dem, was vor ihnen liegt, zu begnügen haben oder damit auf noch andere Vorstellungen und Gedanken angewiesen sind. Wenn wir z. B. in christlichen Kirchen das Dreieck an einer ausgezeichneten Stelle der Wand erblicken, so erkennen wir daraus gleich, daß hier nicht die sinnliche Anschauung dieser Figur als eines bloßen Dreiecks gemeint, sondern daß es um eine Bedeutung derselben zu tun sei. In einem anderen Lokal dagegen ist es uns ebenso klar, daß dieselbe Figur nicht solle als Symbol oder Zeichen der Dreieinigkeit genommen werden. Andere, nichtchristliche Völker aber, welchen die gleiche Gewohnheit und Kenntnis abgeht, werden in dieser Beziehung in Zweifel schweben, und auch wir selbst können nicht überall mit gleicher Sicherheit bestimmen, ob ein Dreieck als eigentliches Dreieck oder ob es symbolisch zu fassen sei.
b) In Ansehung dieser Unsicherheit nun handelt es sich nicht etwa bloß um beschränkte Fälle, in denen sie uns begegnet, sondern um ganz ausgedehnte Kunstgebiete, um den Inhalt eines ungeheuren Stoffes, der vor uns liegt: um den Inhalt fast der gesamten morgenländischen Kunst. In der Welt der altpersischen, indischen, ägyptischen Gestalten und Gebilde ist uns deshalb, wenn wir zunächst hineintreten, nicht recht geheuer; wir fühlen, daß wir unter Aufgaben wandeln; für sich allein sagen uns diese Gebilde nicht zu und vergnügen und befriedigen nicht nach ihrer unmittelbaren Anschauung, sondern fordern uns durch sich selber auf, über sie hinaus zu ihrer Bedeutung fortzugehen, welche noch etwas Weiteres, Tieferes als diese Bilder sei. Anderen Produktionen hingegen sieht man es auf den ersten Blick an, daß sie, wie Kindermärchen z. B., ein bloßes Spiel mit Bildern und zufälligen seltsamen Verknüpfungen sein sollen. Denn Kinder begnügen sich mit solcher Oberflächlichkeit von Bildern und deren geistlosem, müßigem Spiel und taumelnder Zusammenstellung. Die Völker aber, wenn auch in ihrer Kindheit, forderten einen wesentlicheren Gehalt, und diesen finden wir in der Tat auch in den Kunstgestalten der Inder und Ägypter, obschon in den rätselhaften Gebilden derselben die Erklärung nur angedeutet und dem Erraten große Schwierigkeit in den Weg gelegt ist. Wieviel nun aber, bei solcher Unangemessenheit von Bedeutung und unmittelbarem Kunstausdruck, der Dürftigkeit der Kunst, der Unreinheit und Ideenlosigkeit der Phantasie selbst zuzuschreiben, wie vieles dagegen so beschaffen sei, weil die reinere, richtigere Gestaltung für sich nicht fähig wäre, die tiefere Bedeutung auszudrücken, und das Phantastische und Groteske eben vielmehr zum Behufe einer weiterreichenden Vorstellung gemacht worden sei - dies ist es eben, was zunächst in sehr weitem Umfange als zweifelhaft erscheinen kann.
Selbst bei dem klassischen Kunstgebiete tritt noch hin und wieder eine ähnliche Ungewißheit ein, obschon das Klassische der Kunst darin besteht, seiner Natur nach nicht symbolisch, sondern in sich selber durchweg deutlich und klar zu sein. Klar nämlich ist das klassische Ideal dadurch, daß es den wahren Inhalt der Kunst, d. i. die substantielle Subjektivität erfaßt und damit eben auch die wahre Gestalt findet, die an sich selbst nichts anderes ausspricht als jenen echten Inhalt, so daß also der Sinn, die Bedeutung keine andere ist als diejenige, welche in der äußeren Gestalt wirklich liegt, indem sich beide Seiten vollendet entsprechen; während im Symbolischen, im Gleichnis usf. das Bild immer noch etwas anderes vorstellt als nur die Bedeutung, für welche es das Bild abgibt. Aber auch die klassische Kunst hat noch eine Seite der Zweideutigkeit, indem es bei den mythologischen Gebilden der Alten zweifelhaft erscheinen kann, ob wir bei den Außengestalten als solchen stehenbleiben und sie nur als ein anmutreiches Spiel einer glücklichen Phantasie bewundern sollen, weil ja die Mythologie nur überhaupt ein müßiges Erfinden von Fabeln sei, oder ob wir noch nach einer weiteren tieferen Bedeutung zu fragen haben. Diese letztere Forderung kann hauptsächlich da bedenklich machen, wo der Inhalt jener Fabeln das Leben und Wirken des Göttlichen selbst betrifft, indem die Geschichten, die uns berichtet werden, sodann als des Absoluten schlechthin unwürdig und als bloß inadäquate, abgeschmackte Erfindung anzusehen wären. Wenn wir z. B. von den zwölf Arbeiten des Herkules lesen oder gar hören, daß Zeus den Hephaistos vom Olymp auf die Insel Lemnos herabgeworfen habe, so daß Vulkan hiervon sei hinkend geworden, so glauben wir nichts als ein märchenhaftes Bild der Phantasie zu vernehmen. Ebenso können uns die vielen Liebschaften des Jupiter als bloß willkürlich ersonnen erscheinen. Umgekehrt aber, weil solche Geschichten gerade von der obersten Gottheit erzählt werden, wird es ebensosehr wieder glaublich, daß noch eine andere, weitere Bedeutung, als sie die Mythe unmittelbar gibt, darunter verborgen liege.
In dieser Beziehung haben sich deshalb besonders zwei entgegengesetzte Vorstellungen geltend gemacht. Die eine nimmt die Mythologie als bloß äußerliche Geschichten, welche mit Gott verglichen unwürdig wären, wenn sie auch für sich betrachtet zierlich, lieblich, interessant, ja selbst von großer Schönheit sein könnten, aber zu weiterer Erklärung tieferer Bedeutungen keinen Anlaß geben dürften. Die Mythologie sei deshalb bloß historisch - nach der Gestalt, in welcher sie vorhanden ist - zu betrachten, indem sie sich einerseits von ihrer künstlerischen Seite her, in ihren Gestaltungen, Bildern, Göttern und deren Handlungen und Begebenheiten, für sich als hinreichend zeige, ja in sich selber schon durch das Herausheben von Bedeutungen die Erklärung abgebe, andererseits ihrer historischen Entstehung nach sich aus Lokalanfängen sowie aus der Willkür der Priester, Künstler und Dichter, aus historischen Begebenheiten, fremden Märchen und Traditionen hervorgebildet habe. Die andere Ansicht dagegen will sich nicht mit dem bloß Äußeren der mythologischen Gestalten und Erzählungen begnügen, sondern dringt darauf, daß ihnen ein allgemeiner tiefer Sinn einwohne, den in seiner Verhüllung dennoch zu erkennen das eigentliche Geschäft der Mythologie als wissenschaftliche Betrachtung der Mythen sei. Die Mythologie müsse deshalb symbolisch gefaßt werden. Denn symbolisch heißt hier nur, daß die Mythen, als aus dem Geiste erzeugt - wie bizarr, scherzhaft, grotesk usf. sie auch aussehen können, wie vieles auch von zufälligen äußerlichen Willkürlichkeiten der Phantasie eingemischt sein möge -, dennoch Bedeutungen, d. h. allgemeine Gedanken über die Natur Gottes, Philosopheme in sich fassen.
In diesem Sinne hat besonderes Creuzer in neuerer Zeit wieder angefangen, in seiner Symbolik1) die mythologischen Vorstellungen der alten Völker nicht in der gewöhnlichen Manier äußerlich und prosaisch oder nach ihrem künstlerischen Werte durchzunehmen, sondern er hat darin eine innere Vernünftigkeit der Bedeutungen gesucht. Er ließ sich dabei von der Voraussetzung leiten, daß die Mythen und sagenhaften Geschichten aus dem menschlichen Geiste ihren Ursprung gewonnen haben, der zwar mit seinen Vorstellungen von den Göttern zu spielen vermag, aber mit dem Interesse der Religion ein höheres Bereich betritt, in welchem die Vernunft die Gestaltenerfinderin wird, wenn sie auch mit dem Mangel behaftet bleibt, zunächst ihr Inneres noch nicht in adäquater Weise exponieren zu können. Diese Annahme ist wahr an und für sich: die Religion findet ihre Quelle in dem Geist, der seine Wahrheit sucht, sie ahnt und sich dieselbe in irgendeiner Gestalt, welche mit diesem Gehalt der Wahrheit engere oder weitere Verwandtschaft hat, zum Bewußtsein bringt. Wenn aber die Vernünftigkeit die Gestalten erfindet, dann entsteht auch das Bedürfnis, die Vernünftigkeit zu erkennen. Diese Erkenntnis allein ist des Menschen wahrhaft würdig. Wer sie beiseite läßt, erhält nichts als eine Masse äußerer Kenntnisse. Graben wir dagegen nach der inneren Wahrheit der mythologischen Vorstellungen, so können wir, ohne dabei die andere Seite, die Zufälligkeit nämlich und Willkür der Einbildungskraft, die Lokalität usf., von der Hand zu weisen, die verschiedenen Mythologien rechtfertigen. Den Menschen aber in seinem geistigen Bilden und Gestalten zu rechtfertigen, ist ein edles Geschäft, edler als das bloße Sammeln historischer Äußerlichkeiten. Nun ist man zwar über Creuzer mit dem Vorwurfe hergefallen, daß er nach dem Vorgange der Neuplatoniker dergleichen weitere Bedeutungen nur erst in die Mythen hineinerkläre und in ihnen Gedanken suche, von denen es nicht nur nicht historisch begründet sei, daß sie wirklich darin lägen, sondern von denen sich sogar historisch erweisen lasse, daß man sie, um sie zu finden, erst hineintragen müßte. Denn das Volk, die Dichter und Priester - obschon man nach der anderen Seite wieder viel von großer geheimer Weisheit der Priester spricht - hätten nichts von solchen Gedanken gewußt, welche der ganzen Bildung ihrer Zeit unangemessen gewesen wären. Mit diesem letzteren Punkt hat es allerdings seine volle Richtigkeit. Die Völker, Dichter, Priester haben in der Tat die allgemeinen Gedanken, welche ihren mythologischen Vorstellungen zugrunde liegen, nicht in dieser Form der Allgemeinheit vor sich gehabt, so daß sie dieselben absichtlich erst in die symbolische Gestalt eingehüllt hätten. Dies wird aber auch von Creuzer nicht behauptet. Wenn sich jedoch die Alten das nicht bei ihrer Mythologie dachten, was wir jetzt darin sehen, so folgt daraus noch in keiner Weise, daß ihre Vorstellungen nicht dennoch an sich Symbole sind und deshalb so genommen werden müssen, indem die Völker zu der Zeit, als sie ihre Mythen dichteten, in selbst poetischen Zuständen lebten und deshalb ihr Innerstes und Tiefstes sich nicht in Form des Gedankens, sondern in Gestalten der Phantasie zum Bewußtsein brachten, ohne die allgemeinen abstrakten Vorstellungen von den konkreten Bildern zu trennen. Daß dies wirklich der Fall sei, haben wir hier wesentlich festzuhalten und anzunehmen, wenn es auch als möglich einzugestehen ist, daß sich bei solcher symbolischen Erklärungsweise häufig bloß künstliche, witzige Kombinationen wie beim Etymologisieren einschleichen können.
c) Wie sehr wir nun aber der Ansicht beipflichten mögen, daß die Mythologie mit ihren Göttergeschichten und weitläufigen Gebilden einer fort und fort dichtenden Phantasie einen vernünftigen Gehalt und tiefe religiöse Vorstellungen in sich schließe, so fragt es sich dennoch in betreff der symbolischen Kunstform, ob denn alle Mythologie und Kunst symbolisch zu fassen sei; wie Friedrich von Schlegel z. B. behauptete, daß in jeder Kunstdarstellung eine Allegorie zu suchen sei. Das Symbolische oder Allegorische wird dann so verstanden, daß jedem Kunstwerke und jeder mythologischen Gestalt ein allgemeiner Gedanke zur Basis diene, der dann für sich, in seiner Allgemeinheit hervorgehoben, die Erklärung dessen abgeben soll, was solch ein Werk, solche Vorstellung eigentlich bedeute. Diese Behandlungsweise ist gleichfalls in neuerer Zeit sehr gewöhnlich geworden. So hat man in neueren Ausgaben des Dante z. B., bei dem allerdings vielfache Allegorien vorkommen, jeden Gesang durchweg allegorisch erklären wollen, und auch die Heyneschen2) Ausgaben alter Dichter suchen in den Anmerkungen den allgemeinen Sinn jeder Metapher in abstrakten Verstandesbestimmungen klarzumachen. Denn besonders der Verstand eilt schnell zum Symbol und zur Allegorie, indem er Bild und Bedeutung trennt und dadurch die Kunstform zerstört, um welche es bei dieser symbolischen Erklärung, welche nur das Allgemeine als solches herausziehen will, nicht zu tun ist.
Solche Ausdehnung des Symbolischen auf alle Gebiete der Mythologie und Kunst ist keineswegs dasjenige, was wir hier bei der Betrachtung der symbolischen Kunstform vor Augen haben. Denn unser Bemühen geht nicht darauf, auszumitteln, inwiefern Kunstgestalten in diesem Sinne des Worts symbolisch oder allegorisch könnten gedeutet werden, sondern wir haben umgekehrt zu fragen, inwiefern das Symbolische selbst zur Kunstform zu rechnen sei. Wir wollen das Kunstverhältnis der Bedeutung zu ihrer Gestalt, insoweit dasselbe symbolisch im Unterschiede anderer Darstellungsweisen, vornehmlich der klassischen und romantischen ist, feststellen. Unsere Aufgabe muß deshalb darin bestehen, statt jener Verbreitung des Symbolischen über das gesamte Kunstgebiet umgekehrt den Kreis dessen, was an sich selbst als eigentliches Symbol dargestellt und deshalb als symbolisch zu betrachten ist, ausdrücklich zu beschränken. In diesem Sinne ist bereits oben die Einteilung des Kunstideals in die Form des Symbolischen, Klassischen und Romantischen angegeben.
Das Symbolische in unserer Bedeutung des Worts nämlich hört da sogleich auf, wo statt unbestimmt allgemeiner, abstrakter Vorstellungen die freie Individualität den Gehalt und die Form der Darstellung ausmacht. Denn das Subjekt ist das Bedeutende für sich selbst und das sich selbst Erklärende. Was es empfindet, sinnt, tut, vollbringt, seine Eigenschaften, Handlungen, sein Charakter ist es selbst, und der ganze Kreis seines geistigen und sinnlichen Erscheinens hat keine andere Bedeutung als das Subjekt, das in dieser Ausbreitung und Entfaltung seiner nur sich selbst als Herrscher über seine gesamte Objektivität zur Anschauung bringt. Bedeutung und sinnliche Darstellung, Inneres und Äußeres, Sache und Bild sind dann nicht mehr voneinander unterschieden und geben sich nicht wie im eigentlich Symbolischen als bloß verwandt, sondern als ein Ganzes, in welchem die Erscheinung kein anderes Wesen, das Wesen keine andere Erscheinung mehr außer sich oder neben sich hat. Manifestierendes und Manifestiertes ist zu konkreter Einheit aufgehoben. In diesem Sinne sind die griechischen Götter, insoweit die griechische Kunst sie als freie, in sich selbständig beschlossene Individuen hinstellt, nicht symbolisch zu nehmen, sondern genügen für sich selbst. Die Handlungen des Zeus, des Apollo, der Athene gehören gerade für die Kunst nur diesen Individuen an und sollen nichts als deren Macht und Leidenschaft darstellen. Wird nun von solchen in sich freien Subjekten ein allgemeiner Begriff als deren Bedeutung abstrahiert und neben das Besondere als Erklärung der ganzen individuellen Erscheinung gestellt, so ist das unberücksichtigt gelassen und zerstört, was an diesen Gestalten das Kunstgemäße ist. Deshalb haben sich auch die Künstler mit solcher symbolischen Deutungsweise aller Kunstwerke und deren mythologischer Figuren nicht befreunden können. Denn was noch etwa als wirklich symbolische Andeutung oder als Allegorie bei der eben erwähnten Art der Kunstdarstellung übrigbleibt, betrifft Nebensachen und ist dann auch ausdrücklich zu einem bloßen Attribut und Zeichen herabgesetzt, wie z. B. der Adler neben Zeus steht und der Ochs den Evangelisten Lukas begleitet, während die Ägypter in dem Apis die Anschauung des Göttlichen selber hatten.
Der schwierige Punkt bei dieser kunstgemäßen Erscheinung der freien Subjektivität liegt nun aber darin, zu unterscheiden, ob das, was als Subjekt vorgestellt ist, auch wirkliche Individualität und Subjektivität hat oder nur den leeren Schein derselben als bloße Personifikation an sich trägt. In diesem letzteren Falle ist die Persönlichkeit nichts als eine oberflächliche Form, die in besonderen Handlungen und der leiblichen Gestalt nicht ihr eigenes Inneres ausdrückt und somit die gesamte Äußerlichkeit ihrer Erscheinung nicht als die ihrige durchdringt, sondern für die äußere Realität als deren Bedeutung noch ein anderes Inneres hat, das nicht diese Persönlichkeit und Subjektivität selber ist.
Dies macht den Hauptgesichtspunkt in betreff auf die Abgrenzung der symbolischen Kunst aus.
Unser Interesse nun also geht bei der Betrachtung des Symbolischen darauf, den inneren Entstehungsgang der Kunst, insoweit derselbe sich aus dem Begriff des sich zur wahren Kunst hin entwickelnden Ideals herleiten läßt, und somit die Stufenfolge des Symbolischen als die Stufen zur wahrhaften Kunst zu erkennen. In wie engem Zusammenhange nun auch Religion und Kunst stehen mögen, so haben wir dennoch nicht die Symbole selbst und die Religion als Umfang der im weiteren Sinne des Worts symbolischen oder sinnbildlichen Vorstellungen durchzunehmen, sondern das allein an ihnen zu betrachten, wonach sie der Kunst als solcher angehören. Die religiöse Seite müssen wir der Geschichte der Mythologie überlassen.
1) Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen, 4 Bde., 1810-12
2) Christian Gottlob Heyne, 1729-1812, klassischer Philologe
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