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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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2. Die schöne Skulpturgestalt

Bei solch einem Inhalte nun fragt es sich zweitens nach den Formen der leiblichen Gestalt, welche berufen sind, denselben auszuprägen.

Wie bei der klassischen Architektur das Haus gleichsam das vorgefundene anatomische Knochengerüst ist, das die Kunst näher zu formieren hat, so findet die Skulptur ihrerseits die menschliche Gestalt als den Grundtypus für ihre Gebilde vor. Ist nun aber das Haus selber schon eine menschliche, wenn auch noch nicht künstlerische Erfindung, so erscheint dagegen die Struktur der menschlichen Gestalt als ein vom Menschen unabhängiges Naturprodukt. Der Grundtypus ist deshalb der Skulptur gegeben und nicht von ihr ausgesonnen. Daß die menschliche Gestalt der Natur angehöre, ist jedoch ein sehr unbestimmter Ausdruck, über den wir uns näher verständigen müssen.

In der Natur ist es die Idee, welche sich, wie wir schon beim Naturschönen sahen, ihr erstes unmittelbares Dasein gibt und in der tierischen Lebendigkeit und deren vollständigem Organismus die ihr gemäße Naturexistenz erhält. So ist also die Organisation des tierischen Körpers ein Erzeugnis des in sich totalen Begriffs, der in diesem leiblichen Dasein als die Seele existiert, doch als bloße tierische Lebendigkeit den tierischen Körper zu höchst mannigfaltiger Besonderheit modifiziert, wenn auch jeder bestimmte Typus immer durch den Begriff geregelt bleibt.
Daß nun aber der Begriff und die leibliche Gestalt, oder näher, daß Seele und Leib einander entsprechen, dies zu begreifen ist die Sache der Naturphilosophie. In ihr wäre zu zeigen, daß die verschiedenen Systeme des animalischen Körpers in ihrer inneren Struktur und Gestalt wie in ihrem Zusammenhange miteinander und die bestimmteren Organe, zu denen sich das leibliche Dasein unterscheidet, mit den Begriffsmomenten zusammenstimmen, so daß klar würde, inwiefern es nur die notwendigen besonderen Seiten der Seele selbst sind, welche hier real werden. Dies Zusammenstimmen jedoch zu erweisen ist unseres Amtes an dieser Stelle nicht.

Die menschliche Gestalt nun aber ist nicht wie die tierische die Leiblichkeit nur der Seele, sondern des Geistes.
Geist und Seele nämlich sind wesentlich zu unterscheiden. Denn die Seele ist nur dieses ideelle einfache Fürsichsein des Leiblichen als Leiblichen, der Geist aber das Fürsichsein des bewußten und selbstbewußten Lebens mit allen Empfindungen, Vorstellungen und Zwecken dieses bewußten Daseins. Bei diesem enormen Unterschiede von bloß tierischer Lebendigkeit und von geistigem Bewußtsein kann es befremdlich erscheinen, daß sich die geistige Leiblichkeit, der menschliche Körper, dennoch dem tierischen so homogen erweist. Der Verwunderung über solche Gleichartigkeit können wir dadurch begegnen, daß wir an die Bestimmung erinnern, welche den Geist, seinem eigenen Begriffe nach, sich entschließen läßt, lebendig und an sich selbst deshalb zugleich Seele und Naturexistenz zu sein. Als lebendige Seele nun gibt sich die Geistigkeit durch denselben Begriff, welcher der tierischen Seele innewohnt, einen Körper, der, dem Grundcharakter nach, dem lebendigen tierischen Organismus überhaupt gleichkommt.
Wie hoch deshalb der Geist auch über dem bloß Lebendigen steht, so macht er sich doch seinen Leib, welcher mit dem tierischen durch ein und denselben Begriff gegliedert und beseelt erscheint. Indem nun aber ferner der Geist nicht nur die daseiende Idee, die Idee als Natürlichkeit und tierisches Leben ist, sondern die Idee, die für sich selbst in ihrem eigenen freien Elemente des Inneren als Idee ist, so erarbeitet sich die Geistigkeit auch jenseits des sinnlich Lebendigen ihre eigentümliche Objektivität - die Wissenschaft, die keine andere Realität als die des Denkens selber an ihr hat.
Außer dem Denken und dessen philosophischer systematischer Tätigkeit führt der Geist jedoch noch ein volles Leben der Empfindung, Neigung, Vorstellung, Phantasie usf., das in näherem oder weiterem Zusammenhange mit seinem Dasein als Seele und Leiblichkeit steht und daher auch am menschlichen Körper eine Realität hat. In dieser ihm selber angehörigen Realität macht sich der Geist gleichfalls lebendig, scheint in sie hinein, durchdringt sie und wird durch sie für andere offenbar. Insofern bleibt daher der menschliche Körper keine bloße Naturexistenz, sondern hat sich in seiner Gestalt und Struktur gleichfalls als das sinnliche und natürliche Dasein des Geistes kundzugeben, doch als Ausdruck eines höheren Inneren sich dennoch von der tierischen Leiblichkeit, wie sehr auch der menschliche Körper im allgemeinen mit derselben übereinstimmt, ebensosehr zu unterscheiden. Indem aber der Geist selber Seele und Leben, animalischer Leib ist, sind es und können es nur Modifikationen sein, welche der einem lebendigen Leibe innewohnende Geist in diese Leiblichkeit bringt. Als Erscheinung des Geistes daher ist die menschliche Gestalt diesen Modifikationen nach von der tierischen verschieden, obschon die Unterschiede des menschlichen Organismus vom tierischen ebenso dem bewußtlosen Schaffen des Geistes angehören, wie die animalische Seele sich in bewußtloser Tätigkeit ihren Leib bildet.

Hiervon haben wir an dieser Stelle auszugehen. Die menschliche Gestalt als Ausdruck des Geistes ist dem Künstler gegeben, und zwar findet er sie nicht nur überhaupt vor, sondern auch im besonderen und einzelnen ist der Typus für die Abspiegelung des geistigen Inneren in der Gestalt, in den Zügen, der Stellung und dem Habitus des Körpers vorausgesetzt.

Was nun den näheren Zusammenhang des Geistes und Leibes in betreff auf die besonderen Empfindungen, Leidenschaften und Zustände des Geistes angeht, so ist derselbe auf feste Gedankenbestimmungen schwer zurückzuführen. Man hat zwar in der Pathognomik und Physiognomik diesen Zusammenhang wissenschaftlich darzustellen versucht, doch bis jetzt ohne den rechten Erfolg. Für uns kann die Physiognomik allein von Wichtigkeit werden, indem sich die Pathognomik nur mit der Art und Weise beschäftigt, wie bestimmte Gefühle und Leidenschaften sich in gewissen Organen leiblich machen. So heißt es z. B., der Zorn sitze in der Galle, der Mut im Blute. Dies ist, beiläufig gesagt, sogleich ein falscher Ausdruck. Denn wenn auch besonderen Leidenschaften die Tätigkeit besonderer Organe entspricht, so sitzt doch der Zorn nicht in der Galle, sondern insofern der Zorn leiblich wird, ist es vornehmlich die Galle, an welcher die Erscheinung seiner Wirksamkeit vor sich geht. Dies Pathognomische, wie gesagt, geht uns hier nichts an, da es die Skulptur nur mit dem zu tun hat, was von geistigem Inneren in das Äußere der Gestalt übergeht und dort den Geist leiblich und sichtbar werden läßt. Das sympathetische Mitoszillieren des inneren Organismus mit dem empfindenden Gemüt ist nicht Gegenstand der Skulptur, welche auch vieles, was in die äußere Gestalt hinaustritt, das Zittern z. B. der Hand und des ganzen Körpers beim Ausbruch der Wut, das Zucken der Lippen usf., nicht aufzunehmen vermag.

In Rücksicht auf die Physiognomik will ich hier nur so viel erwähnen, daß, wenn das Skulpturwerk, welches die menschliche Gestalt zu seiner Grundlage hat, zeigen soll, wie die Leiblichkeit schon ihrer leiblichen Form nach nicht nur das göttlich und menschlich Substantielle des Geistes überhaupt, sondern auch den besonderen Charakter bestimmter Individualität in dieser Göttlichkeit darstelle, so hätte man zu einer vollständigen Erörterung darzutun, welche Teile, Züge und Gestaltungen des Körpers einer bestimmten Innerlichkeit vollkommen gemäß sind.
Zu solchem Studium werden wir durch die Skulpturwerke der Alten veranlaßt, denen wir den Ausdruck des Göttlichen und der besonderen Göttercharaktere in der Tat zugestehen müssen, ohne daß sich behaupten läßt, das Zusammenstimmen des geistigen Ausdrucks mit der sinnlichen Form sei statt etwas Anundfürsichseiendes nur eine Sache der Zufälligkeit und Willkür.
Jedes Organ muß in dieser Beziehung überhaupt nach zwei Gesichtspunkten betrachtet werden, nach der bloß physischen und nach der Seite des geistigen Ausdrucks. Freilich darf dabei nicht in der Weise Galls *) verfahren werden, der den Geist zu einer bloßen Schädelstätte macht.

 *) Franz Joseph Gall, 1758-1828, Arzt und Anatom, Begründer der Phrenologie

 

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