t_lab

Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

sampea84b4b190df19da

      ABCphilDE   Hegel -Philosophen   Religion  .    Kunst&Wahn   .   Hegel Texte .  Grundbegriffe   .   Herok-Info             

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

   Inhalt - Übersicht       

 < >

<<<Verhältnis des dramatischen Kunstwerks zum Publikum
[Der dramatische Dichter im Verhältnis zum Publikum]

γ) Eine letzte Seite, welche an dieser Stelle noch kann in Betracht gezogen werden, betrifft den dramatischen Dichter im Verhältnis zum Publikum. Die epische Poesie in ihrer echten Ursprünglichkeit verlangt, daß sich der Dichter gegen sein objektiv dastehendes Werk als Subjekt aufhebe und uns nur die Sache gebe; der lyrische Sänger dagegen spricht sein eigenes Gemüt und seine subjektive Weltanschauung aus.

αα) Insofern nun das Drama die Handlung in sinnlicher Gegenwärtigkeit an uns vorüberführt und die Individuen in ihrem eigenen Namen reden und tätig sind, könnte es scheinen, daß sich in diesem Gebiete der Dichter, mehr noch als im Epos, in welchem er wenigstens als Erzähler der Begebenheiten auftritt, ganz zurückziehen müsse.
Mit diesem Anschein hat es jedoch nur relativ seine Richtigkeit. Denn wie ich schon anfangs sagte, verdankt das Drama nur solchen Epochen seinen Ursprung, in denen das subjektive Selbstbewußtsein sowohl in betreff der Weltanschauung als auch der künstlerischen Ausbildung bereits eine hohe Entwicklungsstufe erreicht hat. Das dramatische Werk darf deshalb nicht wie das epische den Schein an sich tragen, als sei es aus dem Volksbewußtsein als solchem hervorgegangen, für dessen Sache der Dichter nur das gleichsam subjektivitätslose Organ gewesen sei; sondern wir wollen in dem vollendeten Werke zugleich das Produkt des selbstbewußten und originalen Schaffens und deshalb auch die Kunst und Virtuosität eines individuellen Dichters erkennen. Erst hierdurch gewinnen dramatische Erzeugnisse, im Unterschiede unmittelbar wirklicher Handlungen und Ereignisse, ihre eigentliche Spitze künstlerischer Lebendigkeit und Bestimmtheit. Über die Dichter dramatischer Werke ist daher auch niemals soviel Streit entstanden als über die Urheber der ursprünglichen Epopöen.

ββ) Nach der anderen Seite hin aber will das Publikum, wenn es selber noch den echten Sinn und Geist der Kunst in sich bewahrt hat, in einem Drama nicht etwa die zufälligeren Launen und Stimmungen, die individuellen Richtungen und die einseitige Weltanschauung dieses oder jenes Subjekts vor sich haben, deren Äußerung dem lyrischen Dichter mehr oder weniger muß gestattet bleiben, sondern es hat das Recht, zu verlangen, daß sich in dem Verlaufe und Ausgang der dramatischen Handlung tragisch oder komisch die Realisation des an und für sich Vernünftigen und Wahren vollbracht erweise. In diesem Sinne stellte ich schon früher vor allem an den dramatischen Dichter die Forderung, daß er am tiefsten die Einsicht in das Wesen des menschlichen Handelns und der göttlichen Weltregierung sowie in die ebenso klare als lebensvolle Darstellung dieser ewigen Substanz aller menschlichen Charaktere, Leidenschaften und Schicksale zu gewinnen habe. Mit dieser in der Tat erlangten Einsicht und individuell lebendigen Macht der Kunst kann der Dichter freilich unter gewissen Umständen hin und wieder mit den beschränkten und kunstwidrigen Vorstellungen seiner Zeit und Nation in Konflikt geraten; in diesem Falle aber ist die Schuld des Zwiespalts nicht ihm, sondern dem Publikum aufzubürden. Er selbst hat keine andere Pflicht, als der Wahrheit und dem Genius zu folgen, der ihn treibt und welchem, wenn er nur rechter Art ist, der Sieg, wie überall, wo es sich um Wahrheit handelt, in letzter Instanz nicht fehlen wird.

γγ) Was nun das Maß betrifft, in welchem der dramatische Dichter als Individuum gegen sein Publikum heraustreten darf, so läßt sich hierüber wenig Bestimmtes feststellen. Ich will deshalb im allgemeinen nur daran erinnern, daß in manchen Epochen besonders auch die dramatische Poesie dazu gebraucht wird, um neuen Zeitvorstellungen in betreff auf Politik, Sittlichkeit, Poesie, Religion usf. einen lebendigen Eingang zu verschaffen. Schon Aristophanes polemisiert in seinen früheren Komödien gegen die inneren Zustände Athens und den Peloponnesischen Krieg; Voltaire wiederum sucht häufig auch durch dramatische Werke seine Aufklärungsprinzipien zu verbreiten; vor allem aber ist Lessing in seinem Nathan bemüht, seinen moralischen Glauben im Gegensatze religiös bornierter Orthodoxie zu rechtfertigen, und in neuerer Zeit hat auch Goethe in seinen ersten Produkten gegen die Prosa in der deutschen Lebens-und Kunstansicht anzukämpfen gestrebt, worin ihm dann Tieck vielfach gefolgt ist. Erweist sich solch eine individuelle Anschauung des Dichters als ein höherer Standpunkt und tritt sie nicht in selbständiger Absichtlichkeit aus der dargestellten Handlung heraus, so daß diese nicht zum Mittel herabgesetzt erscheint, so ist der Kunst kein Unrecht und Schaden angetan; leidet aber die poetische Freiheit des Werks darunter, so kann zwar der Dichter durch dieses Hinauswenden seiner wenn auch wahren, doch aber von dem künstlerischen Produkt unabhängigeren Tendenzen wohl einen großen Eindruck auf das Publikum hervorbringen; das Interesse jedoch, das er erregt, wird dann nur stoffartig und hat mit der Kunst selbst weniger zu schaffen. Der ähnliche, schlimmste Fall aber tritt dann ein, wenn der Dichter gar einer falschen Richtung, die im Publikum vorherrscht, der bloßen Gefälligkeit wegen in gleicher Absichtlichkeit schmeicheln will und sich damit doppelt, sowohl gegen die Wahrheit als gegen die Kunst, versündigt.
- Um endlich noch eine nähere Bemerkung anzufügen, so erlaubt unter den verschiedenen Arten der dramatischen Poesie die Tragödie einen geringeren Spielraum für das freie Vortreten der Subjektivität des Dichters als die Komödie, in welcher die Zufälligkeit und Willkür des Subjektiven überhaupt schon von Hause aus das Prinzip ist. So macht es sich z. B. Aristophanes in den Parabasen vielfach mit dem atheniensischen Publikum zu tun, indem er teils seine politischen Ansichten über die Begebenheiten und Zustände des Tages nicht zurückhält und seinen Mitbürgern kluge Ratschläge erteilt, teils seine Widersacher und Nebenbuhler in der Kunst abzuführen sucht, ja zuweilen auch seine eigene Person und deren Zufälligkeiten offen preisgibt.

2. Die äußere Exekution des dramatischen Kunstwerks >>>

   < >

Hegel
- Quellen und Volltexte

Site search Web search

powered by FreeFind

 

 <<<zurück blättern /  weiter blättern  >>>

 Vorlesungen über die Ästhetik:       Inhalt - Übersicht       

         ABCphilDE   Hegel -Philosophen   .   Religion  .    Kunst&Wahn   .    Texte   .  Grundbegriffe  . Herok-Info

Phil-Splitter

 

since Jan 2013  ABCphilDE//Phil-Splitter  >DETAILS

Flag Counter

 

Hegels Quelltexte:
- als Kontexte verbunden von:
>>>>>    ABCphilDE 
>>>>> Phil-Splitter.de
>>>>>   Herok.Info

manfred herok
©2000-14