b. Das Gemüt
Näher nun hat dieser Inhalt als Liebe die Form der in sich konzentrierten Empfindung, welche, statt sich ihren Gehalt zu explizieren, ihn seiner Bestimmtheit und Allgemeinheit nach zum Bewußtsein zu bringen, die Weite und Unermeßlichkeit desselben vielmehr unmittelbar zu der einfachen Tiefe des Gemüts zusammenzieht, ohne den Reichtum, den er in sich faßt, für die Vorstellung nach allen seinen Richtungen zu entfalten. Dadurch wird der gleiche Inhalt, der in seiner rein geistig ausgeprägten Allgemeinheit sich der Kunstdarstellung verweigern würde, in dieser subjektiven Existenz als Empfindung für die Kunst wieder ergreifbar, indem er auf der einen Seite bei der noch unaufgeschlossenen Tiefe, welche das Charakteristische des Gemüts ausmacht, sich nicht zu vollständiger Klarheit auseinanderzulegen nötig hat, während er auf der anderen Seite aus dieser Form zugleich ein Element erhält, das der Kunst gemäß ist. Denn Gemüt, Herz, Empfindung, wie geistig und innerlich sie auch bleiben, haben dennoch immer einen Zusammenhang noch mit dem Sinnlichen und Leiblichen, so daß sie nun auch nach außen hin durch die Leiblichkeit selbst, durch Blick, Gesichtszüge oder, vergeistigter, durch Ton und Wort das innerste Leben und Dasein des Geistes kundzugeben vermögen. Das Äußere aber wird hier nur so auftreten können, daß es dies Innerlichste selbst in seiner Innerlichkeit des Gemüts auszusprechen berufen ist.
c. Die Liebe als das romantische Ideal
Stellten wir nun als Begriff des Ideals die Versöhnung des Inneren mit seiner Realität auf, so können wir die Liebe als das Ideal der romantischen Kunst in ihrem religiösen Kreise bezeichnen. Sie ist die geistige Schönheit als solche. Das klassische Ideal zeigte auch die Vermittlung und Versöhnung des Geistes mit seinem Anderen. Hier aber war das Andere des Geistes das von ihm durchdrungene Äußere, sein leiblicher Organismus. In der Liebe dagegen ist das Andere des Geistigen nicht das Natürliche, sondern selber ein geistiges Bewußtsein, ein anderes Subjekt und der Geist dadurch in seinem Eigentum, in seinem eigensten Elemente für sich selber realisiert. So ist die Liebe in dieser affirmativen Befriedigung und in sich beruhigten seligen Realität ideale, aber schlechthin geistige Schönheit, welche sich ihrer Innerlichkeit wegen auch nur in der Innigkeit und als die Innigkeit des Gemüts ausdrücken kann. Denn der Geist, der im Geist sich präsent und seiner unmittelbar gewiß ist und damit zum Material und Boden seines Daseins selbst das Geistige hat, ist in sich, innig, und näher die Innigkeit der Liebe.
α) Gott ist die Liebe, und daher auch sein tiefstes Wesen in dieser der Kunst gemäßen Form in Christus aufzufassen und darzustellen. Christus ist aber die göttliche Liebe, als deren Objekt sich auf der einen Seite Gott selber, seinem erscheinungslosen Wesen nach, auf der anderen Seite die zu erlösende Menschheit kundgibt, und so kann denn in ihm weniger das Aufgehen eines Subjekts in ein bestimmtes anderes Subjekt zum Vorschein kommen, sondern die Idee der Liebe in ihrer Allgemeinheit, das Absolute, der Geist der Wahrheit im Elemente und in der Form der Empfindung. - Mit der Allgemeinheit ihres Gegenstandes verallgemeinert sich auch der Ausdruck der Liebe, in welchem sodann die subjektive Konzentration des Herzens und Gemüts nicht zur Hauptsache wird; wie sich auch bei den Griechen in dem alten titanischen Eros und der Venus Urania, obschon in durchaus anderer Beziehung, die allgemeine Idee und nicht die subjektive Seite individueller Gestalt und Empfindung geltend macht. Nur wenn Christus in Darstellungen der romantischen Kunst mehr als zugleich einzelnes, in sich vertieftes Subjekt gefaßt ist, tut sich auch der Ausdruck der Liebe in der Form subjektiver Innigkeit, wennzwar immer von der Allgemeinheit ihres Inhalts gehoben und getragen, hervor.
β) Am zugänglichsten aber für die Kunst ist in diesem Kreise die Liebe der Maria, die Mutterliebe, der gelungenste Gegenstand der religiösen romantischen Phantasie. Am meisten real, menschlich, ist sie doch ganz geistig, ohne Interesse und Bedürftigkeit der Begierde, nicht sinnlich und doch gegenwärtig: die absolut befriedigte selige Innigkeit. - Sie ist eine Liebe ohne Verlangen, aber nicht Freundschaft; denn Freundschaft, wenn sie auch noch so gemütreich ist, fordert doch einen Gehalt, eine wesentliche Sache als zusammenschließenden Zweck. Die Mutterliebe dagegen hat ohne alle Gleichheit des Zwecks und der Interessen einen unmittelbaren Halt in dem natürlichen Zusammenhange. Hier aber ist die Liebe der Mutter auf diese Naturseite ebensowenig beschränkt. Maria hat in dem Kinde, das sie unter ihrem Herzen getragen, das sie mit Schmerzen geboren, das vollkommene Wissen und Empfinden ihrer selbst; und dasselbe Kind, das Blut ihres Blutes, steht ebenso wieder hoch über ihr, und dennoch gehört dies Höhere ihr an und ist das Objekt, in dem sie sich selbst vergißt und erhält. Die Naturinnigkeit der Mutterliebe ist durchaus vergeistigt, sie hat das Göttliche zu ihrem eigentlichen Gehalt, aber dies Geistige bleibt leise und unbewußt, von natürlicher Einheit und menschlicher Empfindung wunderbar durchzogen. Es ist die selige Mutterliebe, und nur der einen Mutter, die ursprünglich in diesem Glücke ist. Zwar ist auch diese Liebe nicht ohne Schmerz, aber der Schmerz ist nur die Trauer des Verlustes, die Klage über den leidenden, sterbenden, gestorbenen Sohn und wird nicht, wie wir auf einer späteren Stufe sehen werden, zur Ungerechtigkeit und Marter von außen oder zum unendlichen Kampf der Sünde, zum Quälen und Peinigen durch sich selbst. Solche Innigkeit ist hier die geistige Schönheit, das Ideal, die menschliche Identifikation des Menschen mit Gott, dem Geist, der Wahrheit: ein reines Vergessen, ein volles Aufgeben seiner selbst, das in diesem Vergessen dennoch von Hause aus eins ist mit dem, in den es sich versenkt, und dieses Einssein nun in seliger Befriedigung fühlt.
In so schöner Weise tritt die Mutterliebe, dies Bild gleichsam des Geistes, in der romantischen Kunst an die Stelle des Geistes selber, weil der Geist sich nur in der Form der Empfindung für die Kunst faßbar macht und die Empfindung der Einheit des Einzelnen mit Gott am ursprünglichsten, realsten, lebendigsten nur in der Mutterliebe der Madonna vorhanden ist. Sie muß notwendig in die Kunst eintreten, wenn in der Darstellung dieses Kreises nicht das Ideale, die affirmative, befriedigte Versöhnung fehlen soll. Es hat deshalb auch eine Zeit gegeben, in welcher die Mutterliebe der gebenedeiten Jungfrau überhaupt zu dem Höchsten und Heiligsten gehört hat und als dies Höchste verehrt und dargestellt worden ist. Wenn aber der Geist sich in seinem eigenen Elemente, abgetrennt von aller Naturgrundlage der Empfindung, zum Bewußtsein seiner bringt, so kann auch nur die von solcher Grundlage freie geistige Vermittlung als der freie Weg zur Wahrheit betrachtet werden, und so ist denn auch im Protestantismus, diesem Mariendienste der Kunst und des Glaubens gegenüber, der Heilige Geist und die innere Vermittlung des Geistes die höhere Wahrheit geworden.
γ) Drittens endlich zeigt sich die affirmative Versöhnung des Geistes als Empfindung in den Jüngern Christi, den Weibern und Freunden, die ihm folgen. Dies sind zum größten Teil Charaktere, welche die Härte der Idee des Christentums an des göttlichen Freundes Hand durch die Freundschaft, Lehre, die Predigten Christi ohne die äußere und innere Qual der Konversion in sich durchgemacht, sie vollführt, sich derselben und ihrer selbst bemächtigt haben und tiefsinnig, kräftig in derselben bleiben. Ihnen geht zwar jene unmittelbare Einheit und Innigkeit der Mutterliebe ab, aber als das Verbindende ist doch noch die Gegenwart Christi, die Gewohnheit des Zusammenlebens und der unmittelbare Zug des Geistes übrig.
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