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2. Das Kunstwerk als für den Sinn des Menschen dem Sinnlichen entnommen
Betrachteten wir nun bisher am Kunstwerk die Seite, daß es vom Menschen gemacht sei, so haben wir jetzt zu der zweiten Bestimmung überzugehen, daß es für den Sinn des Menschen produziert und deshalb auch aus dem Sinnlichen mehr oder weniger hergenommen werde.
a) Diese Reflexion hat zu der Betrachtung Veranlassung gegeben, daß die schöne Kunst die Empfindung, und näher zwar die Empfindung, die wir uns gemäß finden - die angenehme -, zu erregen bestimmt sei. Man hat in dieser Rücksicht die Untersuchung der schönen Kunst zu einer Untersuchung der Empfindungen gemacht und gefragt, welche Empfindungen denn nun wohl durch die Kunst zu erregen seien: Furcht z. B. und Mitleid - wie diese aber angenehm sein, wie die Betrachtung eines Unglücks Befriedigung gewähren könne. Diese Richtung der Reflexion schreibt sich besonders aus Moses Mendelssohns Zeiten her, und man kann in seinen Schriften viele solcher Betrachtungen finden. Doch führte solche Untersuchung nicht weit, denn die Empfindung ist die unbestimmte dumpfe Region des Geistes; was empfunden wird, bleibt eingehüllt in der Form abstraktester einzelner Subjektivität, und deshalb sind auch die Unterschiede der Empfindung ganz abstrakte, keine Unterschiede der Sache selbst. Furcht z. B., Angst, Besorgnis, Schreck sind freilich weitere Modifikationen ein und derselben Empfindungsweise, aber teils nur quantitative Steigerungen, teils Formen, welche ihren Inhalt selbst nichts angehen, sondern demselben gleichgültig sind. Bei der Furcht z. B. ist eine Existenz vorhanden, für welche das Subjekt Interesse hat, zugleich aber das Negative nahen sieht, das diese Existenz zu zerstören droht, und nun beides, dies Interesse und jenes Negative, als widersprechende Affektion seiner Subjektivität unmittelbar in sich findet. Solche Furcht bedingt aber für sich noch keinen Gehalt, sondern kann das Verschiedenste und Entgegengesetzteste in sich aufnehmen. Die Empfindung als solche ist eine durchaus leere Form der subjektiven Affektion. Zwar kann diese Form teils in sich selbst mannigfach sein, wie Hoffnung, Schmerz, Freude, Vergnügen, teils in dieser Verschiedenheit unterschiedenen Inhalt befassen, wie es denn Rechtsgefühl, sittliches Gefühl, erhabenes religiöses Gefühl usf. gibt; aber dadurch, daß solcher Inhalt in unterschiedenen Formen des Gefühls vorhanden ist, kommt noch seine wesentliche und bestimmte Natur nicht zum Vorschein, sondern bleibt eine bloß subjektive Affektion meiner, in welcher die konkrete Sache, als in den abstraktesten Kreis zusammengezogen, verschwindet. Deshalb bleibt die Untersuchung der Empfindungen, welche die Kunst erregt oder erregen soll, ganz im Unbestimmten stehen und ist eine Betrachtung, welche gerade vom eigentlichen Inhalt und dessen konkretem Wesen und Begriff abstrahiert. Denn die Reflexion auf die Empfindung begnügt sich mit der Beobachtung der subjektiven Affektion und deren Besonderheit, statt sich in die Sache, das Kunstwerk zu versenken und zu vertiefen und darüber die bloße Subjektivität und deren Zustände fahrenzulassen. Bei der Empfindung jedoch ist gerade diese inhaltslose Subjektivität nicht nur erhalten, sondern die Hauptsache, und darum fühlen die Menschen so gern. Deshalb wird aber auch solche Betrachtung ihrer Unbestimmtheit und Leerheit wegen langweilig und durch die Aufmerksamkeit auf die kleinen subjektiven Besonderheiten widrig.
b) Da nun aber das Kunstwerk nicht nur etwa überhaupt Empfindungen erregen soll - denn diesen Zweck hätte es dann ohne spezifischen Unterschied mit Beredsamkeit, Geschichtsschreibung, religiöser Erbauung usf. gemeinschaftlich -, sondern nur, insofern es schön ist, so verfiel die Reflexion darauf, für das Schöne nun auch eine eigentümliche Empfindung des Schönen aufzusuchen und einen bestimmten Sinn für dasselbe herauszufinden. Hierbei zeigte sich bald, daß ein solcher Sinn kein durch die Natur fest bestimmter und blinder Instinkt sei, der schon an und für sich das Schöne unterscheide, und so ward dann für diesen Sinn Bildung gefordert und der gebildete Schönheitssinn Geschmack genannt, der, obschon ein gebildetes Auffassen und Ausfinden des Schönen, doch in der Weise unmittelbaren Empfindens bleiben solle. Wie abstrakte Theorien solchen Geschmackssinn zu bilden unternahmen und wie er selbst äußerlich und einseitig blieb, haben wir bereits berührt. Einerseits in den allgemeinen Grundsätzen mangelhaft, hatte andererseits auch die besondere Kritik einzelner Werke der Kunst zur Zeit jener Standpunkte weniger die Richtung, ein bestimmteres Urteil zu begründen - denn hierzu war das Zeug noch nicht vorhanden -, als vielmehr den Geschmack überhaupt in seiner Bildung zu fördern. Diese Bildung blieb deshalb gleichfalls im Unbestimmteren stehen und bemühte sich nur, die Empfindung als Schönheitssinn durch Reflexion so auszustatten, daß nun unmittelbar das Schöne, wo und wie es vorhanden wäre, sollte gefunden werden können. Doch die Tiefe der Sache blieb dem Geschmack verschlossen, denn eine solche Tiefe nimmt nicht nur den Sinn und abstrakte Reflexionen, sondern die volle Vernunft und den gediegenen Geist in Anspruch, während der Geschmack nur auf die äußerliche Oberfläche, um welche die Empfindungen herspielen und woran einseitige Grundsätze sich geltend machen können, angewiesen war. Deshalb aber fürchtet sich der sogenannte gute Geschmack vor allen tieferen Wirkungen und schweigt, wo die Sache zur Sprache kommt und die Äußerlichkeiten und Nebensachen verschwinden. Denn wo große Leidenschaften und Bewegungen einer tiefen Seele sich auftun, handelt es sich nicht mehr um die feineren Unterschiede des Geschmacks und seine Kleinigkeitskrämerei mit Einzelheiten; er fühlt den Genius über solchen Boden wegschreiten, und vor der Macht desselben zurücktretend, ist es ihm nicht mehr geheuer und weiß er sich nicht mehr zu lassen.
c) Man ist deshalb auch davon zurückgekommen, bei Betrachtung von Kunstwerken nur die Bildung des Geschmacks im Auge zu behalten und nur Geschmack zeigen zu wollen; an die Stelle des Mannes oder Kunstrichters von Geschmack ist der Kenner getreten. Die positive Seite der Kunstkennerschaft, insoweit sie die gründliche Bekanntschaft mit dem ganzen Umkreis des Individuellen in einem Kunstwerk betrifft, haben wir schon als für die Kunstbetrachtung notwendig ausgesprochen. Denn das Kunstwerk, um seiner zugleich materiellen und individuellen Natur willen, geht wesentlich aus besonderen Bedingungen der mannigfachsten Art, wozu vorzüglich Zeit und Ort der Entstehung, dann die bestimmte Individualität des Künstlers und hauptsächlich die technische Ausbildung der Kunst gehören, hervor. Zur bestimmten, gründlichen Anschauung und Kenntnis, ja selbst zum Genusse eines Kunstprodukts ist die Beachtung aller dieser Seiten unerläßlich, mit welchen sich die Kennerschaft vornehmlich beschäftigt, und was sie auf ihre Weise leistet, ist mit Dank anzunehmen. Indem nun zwar solche Gelehrsamkeit als etwas Wesentliches zu gelten berechtigt ist, darf sie jedoch nicht für das Einzige und Höchste des Verhältnisses gehalten werden, welches sich der Geist zu einem Kunstwerke und zur Kunst überhaupt gibt. Denn die Kennerschaft, und dies ist sodann ihre mangelhafte Seite, kann bei der Kenntnis bloß äußerlicher Seiten, des Technischen, Historischen usf., stehenbleiben und von der wahrhaften Natur des Kunstwerks etwa nicht viel ahnen oder gar nichts wissen; ja sie kann selbst von dem Werte tieferer Betrachtungen in Vergleich mit den rein positiven, technischen und historischen Kenntnissen geringschätzig urteilen; doch auch dann selbst geht die Kennerschaft, wenn sie nur echter Art ist, wenigstens auf bestimmte Gründe und Kenntnisse und verständiges Urteil, womit denn auch die genauere Unterscheidung der verschiedenen, wenn auch zum Teil äußeren Seiten an einem Kunstwerke und die Wertschätzung derselben verbunden ist.
d) Nach diesen Bemerkungen über die Betrachtungsweisen, zu welchen die Seite des Kunstwerks als selbst sinnliches Objekt auf den Menschen als sinnlichen eine wesentliche Beziehung zu haben Veranlassung gab, wollen wir jetzt diese Seite in ihrem wesentlicheren Verhältnis zur Kunst selbst betrachten, und zwar αa) teils in Rücksicht auf das Kunstwerk als Objekt, β) teils in Rücksicht auf die Subjektivität des Künstlers, sein Genie, Talent usf., ohne uns jedoch auf dasjenige einzulassen, was in dieser Beziehung nur aus der Erkenntnis der Kunst in ihrem allgemeinen Begriff hervorgehen kann. Denn wir befinden uns hier noch nicht wahrhaft auf wissenschaftlichem Grund und Boden, sondern stehen nur erst auf dem Gebiete äußerlicher Reflexionen.
αa) Das Kunstwerk bietet sich also allerdings für das sinnliche Auffassen dar. Es ist für die sinnliche Empfindung, äußerliche oder innerliche, für die sinnliche Anschauung und Vorstellung hingestellt, wie die äußere, uns umgebende oder wie unsere eigene innerliche empfindende Natur. Denn auch eine Rede z. B. kann für die sinnliche Vorstellung und Empfindung sein. Dessenungeachtet ist aber das Kunstwerk nicht nur für die sinnliche Auffassung, als sinnlicher Gegenstand, sondern seine Stellung ist von der Art, daß es als Sinnliches zugleich wesentlich für den Geist ist, der Geist davon affiziert werden und irgendeine Befriedigung darin finden soll.
Diese Bestimmung des Kunstwerks gibt nun sogleich Aufschluß darüber, daß dasselbe in keiner Weise ein Naturprodukt sein und seiner Naturseite nach Naturlebendigkeit haben soll, es möchte nun das Naturprodukt niedriger oder höher zu schätzen sein als ein bloßes Kunstwerk, wie man sich wohl etwa im Sinne der Geringschätzung auszudrücken pflegt.
Denn das Sinnliche des Kunstwerks soll nur Dasein haben, insofern es für den Geist des Menschen, nicht aber insofern es selbst als Sinnliches für sich selber existiert.
Betrachten wir näher, in welcher Weise das Sinnliche für den Menschen da ist, so finden wir: was sinnlich ist, kann auf verschiedene Weise zu dem Geiste sich verhalten.
αaαa) Die schlechteste, für den Geist am wenigsten geeignete Art ist die bloß sinnliche Auffassung. Sie besteht zunächst im bloßen Ansehen, Anhören, Anfühlen usf., wie es in Stunden geistiger Abspannung ja für manchen überhaupt eine Unterhaltung sein kann, gedankenlos umherzugehen und bloß hier zu hören, dort sich umzublicken usf. Bei dem bloßen Auffassen der Außendinge durch Gesicht und Gehör bleibt der Geist nicht stehen, er macht sie für sein Inneres, das zunächst selbst noch wieder in Form der Sinnlichkeit sich in den Dingen zu realisieren getrieben ist und sich zu ihnen als Begierde verhält. In dieser begierdevollen Beziehung auf die Außenwelt steht der Mensch als sinnlich Einzelner den Dingen als gleichfalls einzelnen gegenüber; er wendet sich nicht als Denkender mit allgemeinen Bestimmungen zu ihnen hinaus, sondern verhält sich nach einzelnen Trieben und Interessen zu den selbst einzelnen Objekten und erhält sich in ihnen, indem er sie gebraucht, verzehrt und durch ihre Aufopferung seine Selbstbefriedigung betätigt. In dieser negativen Beziehung verlangt die Begierde für sich nicht nur den oberflächlichen Schein der Außendinge, sondern sie selbst in ihrer sinnlich-konkreten Existenz. Mit bloßen Gemälden des Holzes, das sie gebrauchen, der Tiere, die sie aufzehren möchte, wäre der Begierde nicht gedient. Ebensowenig vermag die Begierde das Objekt in seiner Freiheit bestehen zu lassen, denn ihr Trieb drängt eben dahin, diese Selbständigkeit und Freiheit der Außendinge aufzuheben und zu zeigen, daß dieselben nur da seien, um zerstört und verbraucht zu werden. Zu gleicher Zeit aber ist auch das Subjekt, als von den einzelnen beschränkten und nichtigen Interessen seiner Begierden befangen, weder in sich selbst frei, denn es bestimmt sich nicht aus der wesentlichen Allgemeinheit und Vernünftigkeit seines Willens, noch frei in Rücksicht auf die Außenwelt, denn die Begierde bleibt wesentlich durch die Dinge bestimmt und auf sie bezogen.
In solchem Verhältnis nun der Begierde steht der Mensch zum Kunstwerk nicht. Er läßt es als Gegenstand frei für sich existieren und bezieht sich begierdelos darauf, als auf ein Objekt, das nur für die theoretische Seite des Geistes ist. Deshalb bedarf das Kunstwerk, obschon es sinnliche Existenz hat, in dieser Rücksicht dennoch eines sinnlich-konkreten Daseins und einer Naturlebendigkeit nicht, ja es darf sogar auf diesem Boden nicht stehenbleiben, insofern es nur geistige Interessen befriedigen und alle Begierde von sich ausschließen soll. Weshalb denn freilich die praktische Begierde die organischen und unorganischen einzelnen Naturdinge, welche ihr dienen können, höher achtet als Kunstwerke, die sich ihrem Dienste unbrauchbar erweisen und nur für andere Formen des Geistes genießbar sind.
ββ) Eine zweite Weise, in welcher das äußerlich Vorhandene für den Geist sein kann, ist der einzelnen sinnlichen Anschauung und praktischen Begierde gegenüber das rein theoretische Verhältnis zur Intelligenz. Die theoretische Betrachtung der Dinge hat nicht das Interesse, dieselben in ihrer Einzelheit zu verzehren und sich sinnlich durch sie zu befriedigen und zu erhalten, sondern sie in ihrer Allgemeinheit kennenzulernen, ihr inneres Wesen und Gesetz zu finden und sie ihrem Begriff nach zu begreifen. Daher läßt das theoretische Interesse die einzelnen Dinge gewähren und tritt vor ihnen als sinnlich einzelnen zurück, da diese sinnliche Einzelheit nicht das ist, was die Betrachtung der Intelligenz sucht. Denn die vernünftige Intelligenz gehört nicht dem einzelnen Subjekt als solchem wie die Begierde an, sondern dem Einzelnen als zugleich in sich Allgemeinem. Indem sich der Mensch dieser Allgemeinheit nach zu den Dingen verhält, ist es seine allgemeine Vernunft, die in der Natur sich selber zu finden und dadurch das innere Wesen der Dinge wiederherzustellen strebt, welches die sinnliche Existenz, obschon dasselbe ihren Grund ausmacht, nicht unmittelbar zeigen kann. Dies theoretische Interesse, dessen Befriedigung die Arbeit der Wissenschaft ist, teilt die Kunst nun aber in dieser wissenschaftlichen Form ebensowenig, als sie mit den Trieben der nur praktischen Begierde gemeinschaftliche Sache macht. Denn die Wissenschaft kann zwar von dem Sinnlichen in seiner Einzelheit ausgehen und eine Vorstellung besitzen, wie dies Einzelne unmittelbar in seiner einzelnen Farbe, Gestalt, Größe usw. vorhanden ist. Doch hat dies vereinzelte Sinnliche als solches dann keine weitere Beziehung auf den Geist, insofern die Intelligenz auf das Allgemeine, das Gesetz, den Gedanken und Begriff des Gegenstandes losgeht und ihn deshalb nicht nur seiner unmittelbaren Einzelheit nach verläßt, sondern ihn innerlich verwandelt, aus einem sinnlich Konkreten ein Abstraktum, ein Gedachtes und somit etwas wesentlich anderes macht, als dasselbe Objekt in seiner sinnlichen Erscheinung war. Dies tut das Kunstinteresse in seinem Unterschiede von der Wissenschaft nicht. Wie das Kunstwerk sich als äußeres Objekt in unmittelbarer Bestimmtheit und sinnlicher Einzelheit nach seiten der Farbe, Gestalt, Klanges oder als einzelne Anschauung usf. kundgibt, so ist es auch für die Kunstbetrachtung, ohne daß dieselbe über die unmittelbare Gegenständlichkeit, die ihr dargeboten wird, so weit hinausginge, den Begriff dieser Objektivität als allgemeinen Begriff erfassen zu wollen, wie es die Wissenschaft tut.
Von dem praktischen Interesse der Begierde unterscheidet sich das Kunstinteresse dadurch, daß es seinen Gegenstand frei für sich bestehen läßt, während die Begierde ihn für ihren Nutzen zerstörend verwendet; von der theoretischen Betrachtung wissenschaftlicher Intelligenz dagegen scheidet die Kunstbetrachtung sich in umgekehrter Weise ab, indem sie für den Gegenstand in seiner einzelnen Existenz Interesse hegt und denselben nicht zu seinem allgemeinen Gedanken und Begriff zu verwandeln tätig ist.
γγ) Hieraus nun folgt, daß das Sinnliche im Kunstwerk freilich vorhanden sein müsse, aber nur als Oberfläche und Schein des Sinnlichen erscheinen dürfe. Denn der Geist sucht im Sinnlichen des Kunstwerks weder die konkrete Materiatur, die empirische innere Vollständigkeit und Ausbreitung des Organismus, welche die Begierde verlangt, noch den allgemeinen, nur ideellen Gedanken, sondern er will sinnliche Gegenwart, die zwar sinnlich bleiben, aber ebensosehr von dem Gerüste seiner bloßen Materialität befreit werden soll. Deshalb ist das Sinnliche im Kunstwerk im Vergleich mit dem unmittelbaren Dasein der Naturdinge zum bloßen Schein erhoben, und das Kunstwerk steht in der Mitte zwischen der unmittelbaren Sinnlichkeit und dem ideellen Gedanken. Es ist noch nicht reiner Gedanke, aber seiner Sinnlichkeit zum Trotz auch nicht mehr bloßes materielles Dasein, wie Steine, Pflanzen und organisches Leben, sondern das Sinnliche im Kunstwerk ist selbst ein ideelles, das aber, als nicht das Ideelle des Gedankens, zugleich als Ding noch äußerlich vorhanden ist. Dieser Schein des Sinnlichen nun tritt für den Geist, wenn er die Gegenstände frei sein läßt, ohne jedoch in ihr wesentliches Inneres hinabzusteigen (wodurch sie gänzlich aufhören würden, für ihn als einzelne äußerlich zu existieren), nach außen hin als die Gestalt, das Aussehen oder als Klingen der Dinge auf. Deshalb bezieht sich das Sinnliche der Kunst nur auf die beiden theoretischen Sinne des Gesichts und Gehörs, während Geruch, Geschmack und Gefühl vom Kunstgenuß ausgeschlossen bleiben. Denn Geruch, Geschmack und Gefühl haben es mit dem Materiellen als solchem und den unmittelbar sinnlichen Qualitäten desselben zu tun; Geruch mit der materiellen Verflüchtigung durch die Luft, Geschmack mit der materiellen Auflösung der Gegenstände, und Gefühl mit Wärme, Kälte, Glätte usf. Aus diesem Grunde können es diese Sinne nicht mit den Gegenständen der Kunst zu tun haben, welche sich in ihrer realen Selbständigkeit erhalten sollen und kein nur sinnliches Verhältnis zulassen. Das für diese Sinne Angenehme ist nicht das Schöne der Kunst. Die Kunst bringt deshalb von seiten des Sinnlichen her absichtlich nur eine Schattenwelt von Gestalten, Tönen und Anschauungen hervor, und es kann gar nicht die Rede davon sein, daß der Mensch, indem er Kunstwerke ins Dasein ruft, aus bloßer Ohnmacht und um seiner Beschränktheit willen nur eine Oberfläche des Sinnlichen, nur Schemen darzubieten wisse. Denn diese sinnlichen Gestalten und Töne treten in der Kunst nicht nur ihrer selbst und ihrer unmittelbaren Gestalt wegen auf, sondern mit dem Zweck, in dieser Gestalt höheren geistigen Interessen Befriedigung zu gewähren, da sie von allen Tiefen des Bewußtseins einen Anklang und Wiederklang im Geiste hervorzurufen mächtig sind. In dieser Weise ist das Sinnliche in der Kunst vergeistigt, da das Geistige in ihr als versinnlicht erscheint.
β) Deshalb gerade aber ist ein Kunstprodukt nur vorhanden, insofern es seinen Durchgangspunkt durch den Geist genommen hat und aus geistiger produzierender Tätigkeit entsprungen ist. Dies führt uns auf die andere Frage, die wir zu beantworten haben, wie nämlich die der Kunst notwendige sinnliche Seite in dem Künstler als hervorbringender Subjektivität wirksam ist. >>>
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