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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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1. Die Kantische Philosophie

Es ist schon die Kantische Philosophie, welche diesen Vereinigungspunkt nicht nur seinem Bedürfnisse nach gefühlt, sondern denselben auch bestimmt erkannt und vor die Vorstellung  gebracht hat.
Überhaupt machte Kant, für die Intelligenz wie für den Willen, die sich auf sich beziehende Vernünftigkeit, die Freiheit, das sich in sich als unendlich findende und wissende Selbstbewußtsein zur Grundlage;
und diese Erkenntnis der Absolutheit der Vernunft in sich selbst, welche den Wendepunkt der Philosophie in der neueren Zeit herbeigeführt hat, dieser absolute Ausgangspunkt, mag man auch die Kantische Philosophie für ungenügend erklären, ist anzuerkennen und an ihr nicht zu widerlegen.
Indem aber Kant in den festen Gegensatz von subjektivem Denken und objektiven Gegenständen,
von abstrakter Allgemeinheit und sinnlicher Einzelheit des Willens wieder zurückfiel, ward er es vornehmlich, welcher den vorhin berührten Gegensatz der Moralität als das Höchste hervortrieb,
da er außerdem die praktische Seite des Geistes über die theoretische hinaushob.
Bei dieser durch das verständige Denken erkannten Festigkeit des Gegensatzes war für ihn deshalb nichts übrig, als die Einheit nur in Form subjektiver Ideen der Vernunft auszusprechen, für welche eine adäquate Wirklichkeit nicht könnte nachgewiesen werden, sowie als Postulate, welche aus der praktischen Vernunft zwar zu deduzieren seien, deren wesentliches Ansich aber für ihn durch das Denken nicht erkennbar und deren praktische Erfüllung ein bloßes, stets in die Unendlichkeit hinausgeschobenes Sollen blieb.
Und so hat denn Kant den versöhnten Widerspruch wohl in die Vorstellung gebracht,
doch dessen wahrhaftes Wesen weder wissenschaftlich entwickeln noch als das wahrhaft und allein Wirkliche dartun können. Weiter drang freilich Kant noch vorwärts, insoweit er die geforderte Einheit in dem wiederfand, was er den intuitiven Verstand nannte;
aber auch hier bleibt er wieder beim Gegensatz des Subjektiven und der Objektivität stehen,
so daß er wohl die abstrakte Auflösung des Gegensatzes von Begriff und Realität, Allgemeinheit und Besonderheit, Verstand und Sinnlichkeit und somit die Idee angibt,
aber diese Auflösung und Versöhnung selber wiederum zu einer nur  subjektiven macht,
nicht zu einer an und für sich wahren und wirklichen.
In dieser Beziehung ist seine Kritik der Urteilskraft,
in welcher er die ästhetische und die teleologische Urteilskraft betrachtet, belehrend und merkwürdig.
Die schönen Gegenstände der Natur und Kunst, die zweckmäßigen Naturprodukte,
durch welche Kant näher auf den Begriff des Organischen und Lebendigen kommt,
betrachtet er nur von seiten der subjektiv sie beurteilenden Reflexion.
Und zwar definiert Kant die Urteilskraft überhaupt als "das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken", und nennt die Urteilskraft reflektierend,
"wenn ihr nur das Besondere gegeben ist, wozu sie das Allgemeine finden soll"1)
Dazu bedarf sie eines Gesetzes, eines Prinzipes, das sie sich selbst zu geben hat,
und als dieses Gesetz stellt Kant die Zweckmäßigkeit auf. Beim Freiheitsbegriff der praktischen Vernunft bleibt die Erfüllung des Zwecks im bloßen Sollen stehen; im teleologischen Urteil nun aber über das Lebendige kommt Kant darauf, den lebendigen Organismus so zu betrachten,
daß der Begriff, das Allgemeine, hier noch das Besondere enthalte und als Zweck das Besondere und Äußere, die Beschaffenheit der Glieder, nicht von außen her, sondern von innen heraus und in der Weise bestimme, daß das Besondere von selbst dem Zweck entspreche.
Doch soll mit solchem Urteil wieder nicht die objektive Natur des Gegenstandes erkannt,
sondern nur eine subjektive Reflexionsweise ausgesprochen werden.
Ähnlich faßt Kant das ästhetische Urteil so auf, daß es weder hervorgehe aus dem Verstande als solchem, als dem Vermögen der Begriffe, noch aus der sinnlichen Anschauung und deren bunter Mannigfaltigkeit als solcher, sondern aus dem freien Spiele des Verstandes und der Einbildungskraft.
In dieser Einhelligkeit der Erkenntnisvermögen wird der Gegenstand auf das Subjekt und dessen Gefühl der Lust und des Wohlgefallens bezogen.

a) Dies Wohlgefallen nun aber soll erstens ohne alles Interesse, d. h. ohne Beziehung auf unser Begehrungsvermögen sein. Wenn wir ein Interesse der Neugier z. B. oder ein sinnliches für unser sinnliches Bedürfnis, eine Begierde des Besitzes und Gebrauchs haben, so sind uns die Gegenstände wichtig nicht um ihrer selbst, sondern um unseres Bedürfnisses willen.
Dann hat das Daseiende einen Wert nur in Rücksicht auf solch eine Bedürftigkeit,
und das Verhältnis ist von der Art, daß auf der einen Seite der Gegenstand, auf der anderen eine Bestimmung steht, die von ihm verschieden ist, worauf wir ihn aber beziehen.
Wenn ich den Gegenstand z. B., um mich davon zu ernähren, verzehre,
so liegt dieses Interesse nur in mir und bleibt dem Objekte selber fremd.
Das Verhältnis zum Schönen nun, behauptet Kant, sei nicht von dieser Art.
Das ästhetische Urteil läßt das äußerlich Vorhandene frei für sich bestehen und geht aus einer Lust hervor, der das Objekt seiner selbst wegen zusagt, indem sie dem Gegenstande seinen Zweck in sich selber zu haben vergönnt. Dies ist, wie wir bereits oben sahen, eine wichtige Betrachtung.

b) Das Schöne zweitens, sagt Kant, soll dasjenige sein, was ohne Begriff,
d. h. ohne Kategorie des Verstandes, als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt wird.
Um das Schöne zu würdigen, bedarf es eines gebildeten Geistes; der Mensch,
wie er geht und steht, hat kein Urteil über das Schöne, indem dies Urteil auf allgemeine Gültigkeit Anspruch macht.
Das Allgemeine zunächst ist zwar als solches ein Abstraktum;
das aber, was an und für sich wahr ist, trägt die Bestimmung und Forderung in sich,
auch allgemein zu gelten.
In diesem Sinne soll auch das Schöne allgemein anerkannt sein, obschon den bloßen Verstandesbegriffen kein Urteil darüber zusteht.
Das Gute, das Rechte z. B. in einzelnen Handlungen wird unter allgemeine Begriffe subsumiert,
und die Handlung gilt für gut, wenn sie diesen Begriffen zu entsprechen vermag.
Das Schöne dagegen soll ohne dergleichen Beziehung unmittelbar ein allgemeines Wohlgefallen erwecken.
Dies heißt nichts anderes, als daß wir uns bei Betrachtung des Schönen des Begriffs und der Subsumtion unter denselben nicht bewußt werden und die Trennung des einzelnen Gegenstandes und allgemeinen Begriffs, welche im Urteil sonst vorhanden ist, nicht vor sich gehen lassen.

c) Drittens soll das Schöne die Form der Zweckmäßigkeit insofern haben, als die Zweckmäßigkeit an dem Gegenstande ohne Vorstellung eines Zwecks wahrgenommen wird.
Im Grunde ist damit nur das eben Erörterte wiederholt. Irgendein Naturprodukt, z. B. eine Pflanze,
ein Tier, ist zweckmäßig organisiert und ist in dieser Zweckmäßigkeit unmittelbar so für uns da,
daß wir keine Vorstellung des Zwecks für sich abgetrennt und verschieden von der gegenwärtigen Realität desselben haben.
In dieser Weise soll uns auch das Schöne als Zweckmäßigkeit erscheinen.
In der endlichen Zweckmäßigkeit bleiben Zweck und Mittel einander äußerlich,
indem der Zweck zum Material seiner Ausführung in keiner wesentlichen inneren Beziehung steht.
In diesem Falle unterscheidet sich die Vorstellung des Zwecks für sich von dem Gegenstande,
in welchem der Zweck als realisiert erscheint.
Das Schöne dagegen existiert als zweckmäßig in sich selbst, ohne daß Mittel und Zweck sich als verschiedene Seiten getrennt zeigen.
Der Zweck der Glieder, z. B. des Organismus, ist die Lebendigkeit, die in den Gliedern selber als wirklich existiert; abgelöst hören sie auf, Glieder zu sein.
Denn im Lebendigen sind Zweck und Materiatur des Zwecks so unmittelbar vereinigt,
daß die Existenz nur insofern ist, als ihr Zweck ihr einwohnt.
Von dieser Seite her betrachtet, soll das Schöne die Zweckmäßigkeit nicht als eine äußere Form an sich tragen, sondern das zweckmäßige Entsprechen des Inneren und Äußeren soll die immanente Natur des schönen Gegenstandes sein.

d) Endlich stellt die Kantische Betrachtung das Schöne viertens in der Weise fest,
daß es ohne Begriff als Gegenstand eines notwendigen Wohlgefallens anerkannt werde. Notwendigkeit ist eine abstrakte Kategorie und deutet ein innerlich wesentliches Verhältnis zweier Seiten an; wenn das Eine ist und weil das Eine ist, ist auch das Andere.
Das Eine enthält in seiner Bestimmung zugleich das Andere, wie Ursache z. B. keinen Sinn hat ohne Wirkung. Solch eine Notwendigkeit des Wohlgefallens hat das Schöne ganz ohne Beziehung auf Begriffe, d. h. auf Kategorien des Verstandes in sich.
So gefällt uns z. B. das Regelmäßige wohl, das nach einem Verstandesbegriff gemacht ist, obschon Kant für das Gefallen noch mehr fordert als die Einheit und Gleichheit solches Verstandesbegriffes.

Was wir nun in allen diesen Kantischen Sätzen finden, ist eine Ungetrenntheit dessen,
was sonst in unserem Bewußtsein als geschieden vorausgesetzt ist.
Diese Trennung findet sich im Schönen aufgehoben, indem sich Allgemeines und Besonderes, Zweck und Mittel, Begriff und Gegenstand vollkommen durchdringen.
So sieht Kant denn auch das Kunstschöne als eine Zusammenstimmung an, in welcher das Besondere selber dem Begriffe gemäß ist.
Das Besondere als solches ist zunächst gegeneinander sowohl als auch gegen das Allgemeine zufällig; und dies Zufällige gerade, Sinn, Gefühl, Gemüt, Neigung, wird nun im Kunstschönen nicht nur unter allgemeine Verstandeskategorien subsumiert und von dem Freiheitsbegriff in seiner abstrakten Allgemeinheit beherrscht, sondern so mit dem Allgemeinen verbunden,
daß es sich demselben innerlich und an und für sich adäquat zeigt.
Dadurch ist im Kunstschönen der Gedanke verkörpert und die Materie von ihm nicht äußerlich bestimmt, sondern existiert selber frei, indem das Natürliche, Sinnliche, Gemüt usf. in sich selbst Maß, Zweck und Übereinstimmung hat und die Anschauung und Empfindung ebenso in geistige Allgemeinheit erhoben ist,
als der Gedanke seiner Feindschaft gegen die Natur nicht nur entsagt, sondern sich in ihr erheitert und Empfindung, Lust und Genuß berechtigt und geheiligt ist;
so daß Natur und Freiheit, Sinnlichkeit und Begriff in Einem ihr Recht und Befriedigung finden.
Aber auch diese anscheinend vollendete Aussöhnung soll schließlich dennoch nur subjektiv in Rücksicht auf die Beurteilung wie auf das Hervorbringen, nicht aber das an und für sich Wahre und Wirkliche selbst sein.

Dies wären die Hauptresultate der Kantischen Kritik, insoweit sie uns hier interessieren kann.
Sie macht den Ausgangspunkt für das wahre Begreifen des Kunstschönen, doch konnte dieses Begreifen sich nur durch die Überwindung der Kantischen Mängel als das höhere Erfassen der wahren Einheit von Notwendigkeit und Freiheit, Besonderem und Allgemeinem, Sinnlichem und Vernünftigem geltend machen.

 

1) Einleitung, IV

 kant103Immanuel Kant

 

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