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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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3. Die Handlung

Die Handlung bildet dem Stufengange nach, dem wir bisher folgten, das dritte zu dem allgemeinen Weltzustande und der bestimmten Situation.

In ihrer äußerlichen Beziehung zu dem früheren Kapitel fanden wir bereits,
daß die Handlung sich Umstände voraussetze, welche zu Kollisionen, zur Aktion und Reaktion führen.
Wo nun in Rücksicht auf diese Voraussetzungen die Handlung ihren Anfang nehmen müsse,
ist nicht bestimmt festzustellen.
Denn was auf der einen Seite als Anfang erscheint, kann sich nach der anderen Seite wieder als Resultat früherer Verwicklungen erweisen, welche insofern den eigentlichen Beginn abgeben würden.
Doch diese sind selber wieder nur ein Ergebnis vorangehender Kollisionen usf.
In dem Hause Agamemnons z. B. versöhnt Iphigenie auf Tauris die Schuld und das Unglück des Hauses. Hier wäre der Anfang Iphigeniens Rettung durch Diana, welche sie nach Tauris bringt; dieser Umstand aber ist nur die Folge anderweitiger Ereignisse, nämlich des Opfers zu Aulis, das wieder bedingt ist durch Menelaos' Verletzung, dem Paris die Helena entführt, und so fort und fort bis zum berühmten Ei der Leda hin.
Ebenso enthält der Stoff, welcher in der Iphigenie auf Tauris behandelt ist, noch als Voraussetzung wieder den Mord des Agamemnon und die ganze Folge der Verbrechen im Hause des Tantalus.
Ähnlich verhält es sich in dem thebanischen Sagenkreise.
Sollte nun eine Handlung mit dieser ganzen Reihe ihrer Voraussetzungen zur Darstellung kommen, so könnte nur die Dichtkunst etwa diese Aufgabe lösen.
Doch schon dem Sprichworte zufolge ist solch eine Durchführung zu etwas Langweiligem geworden und als die Sache der Prosa angesehen, deren Ausführlichkeit gegenüber als Gesetz für die Poesie die Forderung aufgestellt wird, den Zuhörer sogleich in medias res zu führen. Daß es nun nicht das Interesse der Kunst ist, mit dem äußerlich ersten Anfang der bestimmten Handlung den Beginn zu machen, dies hat den tieferen Grund,
daß solch ein Anfang nur der Beginn in Rücksicht auf den natürlichen, äußerlichen Verlauf ist und der Zusammenhang der Handlung mit diesem Anfang nur die empirische Einheit der Erscheinung betrifft, dem eigentlichen Inhalte aber der Handlung selbst gleichgültig sein kann.
Die gleich äußerliche Einheit bleibt auch dann noch vorhanden, wenn nur ein und dasselbe Individuum den verknüpfenden Faden unterschiedener Begebenheiten abgeben soll.
Die Gesamtheit der Lebensumstände, Taten, Schicksale sind allerdings das Bildende für das Individuum, aber seine eigentliche Natur, der wahrhafte Kern seiner Gesinnung und Fähigkeit kommt ohnedies bei einer großen Situation und Handlung zum Vorschein,
in deren Verlauf es enthüllt, was es ist, während es vor derselben nur nach seinem Namen etwa und seiner Äußerlichkeit bekannt war.

Der Anfang der Handlung ist also nicht in jenem empirischen Beginn zu suchen,
sondern es müssen nur die Umstände aufgefaßt werden, welche, von dem individuellen Gemüt und dessen Bedürfnissen ergriffen, gerade die bestimmte Kollision hervorbringen,
deren Streit und Lösung die besondere Handlung ausmacht. Homer z. B. in der Ilias fängt sogleich bestimmt mit der Sache an, um welche es sich bei ihm handelt, mit dem Zorne des Achilles, und erzählt nicht etwa vorher die früheren Begebnisse oder die Lebensgeschichte Achills, sondern gibt uns sogleich den speziellen Konflikt, und zwar in der Weise,
daß ein großes Interesse den Hintergrund seines Gemäldes bildet.

Die Darstellung nun der Handlung als einer in sich totalen Bewegung von Aktion, Reaktion und Lösung ihres Kampfs gehört vorzüglich der Poesie an, denn den übrigen Künsten ist es nur vergönnt, ein Moment im Verlaufe der Handlung und ihres Sichbegebens festzuhalten.
Zwar scheinen sie auf der einen Seite durch den Reichtum ihrer Mittel die Poesie in dieser Beziehung zu überragen, indem ihnen nicht nur die ganze äußere Gestalt zu Gebote steht, sondern auch der Ausdruck durch Gebärden sowie deren Beziehung auf die umgebenden Gestalten und die Abspieglung in anderen, sonst noch sich umhergruppierenden Gegenständen. Doch dies alles sind Ausdrucksmittel, welche in Rücksicht auf Deutlichkeit der Rede nicht gleichkommen.
Die Handlung ist die klarste Enthüllung des Individuums, seiner Gesinnung sowohl als auch seiner Zwecke; was der Mensch im innersten Grunde ist, bringt sich erst durch sein Handeln zur Wirklichkeit, und das Handeln, um seines geistigen Ursprungs willen, gewinnt auch im geistigen Ausdruck, in der Rede allein seine größte Klarheit und Bestimmtheit.

Sprechen wir im allgemeinen vom Handeln, so hegt man gewöhnlich die Vorstellung,
als sei dasselbe von der unberechenbarsten Mannigfaltigkeit.
Für die Kunst jedoch bleibt der Kreis der für ihre Darstellung gemäßen Handlungen im ganzen begrenzt. Denn sie hat nur den durch die Idee notwendigen Kreis des Handelns zu durchschreiten.

In dieser Beziehung müssen wir an der Handlung, insoweit die Kunst deren Darstellung zu unternehmen hat, drei Hauptpunkte hervorheben, die sich aus folgendem herleiten.
Die Situation und ihr Konflikt sind das überhaupt Erregende; die Bewegung selber aber,
die Differenz des Ideals in seiner Tätigkeit kommt erst durch die Reaktion hervor.
Diese Bewegung nun enthält:

erstens die allgemeinen Mächte, welche den wesentlichen Gehalt und Zweck bilden,
für welchen gehandelt wird;

zweitens die Betätigung dieser Mächte durch die handelnden Individuen;

drittens haben sich diese beiden Seiten zu dem zu vereinigen, was wir im allgemeinen hier Charakter nennen wollen.

 

 

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