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Inhalt - Übersicht

Einleitung

Erster Teil.
Die Idee des Kunstschönen oder das Ideal

Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie

Zweiter Teil. Entwicklung des Ideals zu den besonderen Formen des Kunstschönen

Dritter Teil.
Das System der einzelnen Künste

Vom “Ende der Kunst” >

Wie nun aber die Kunst in der Natur und den endlichen Gebieten des Lebens ihr Vor hat, ebenso hat sie auch ein Nach, ...  >>>

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Vorlesungen über die Ästhetik
                          
(1835-1838)                                                              

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3. Betrachtungsweisen der natürlichen Lebendigkeit

So wäre denn also die Natur überhaupt als sinnliche Darstellung des konkreten Begriffs und der Idee schön zu nennen, insofern nämlich bei Anschauung der begriffsmäßigen Naturgestalten ein solches Entsprechen geahnt ist und bei sinnlicher Betrachtung dem Sinne zugleich die innere Notwendigkeit und das Zusammenstimmen der totalen Gliederung aufgeht. Weiter als bis zu dieser Ahnung des Begriffs dringt die Anschauung der Natur als schöner nicht vorwärts.
Dann bleibt aber dies Auffassen, für welches die Teile, obschon sie als frei für sich selber hervorgegangen erscheinen, dennoch ihr Zusammenstimmen in Gestalt, Umrissen, Bewegung usf. sichtbar machen, nur unbestimmt und abstrakt.
Die innere Einheit bleibt innerlich, sie tritt für die Anschauung nicht in konkret ideeller Form heraus, und die Betrachtung läßt es bei der Allgemeinheit eines notwendigen beseelenden Zusammenstimmens überhaupt bewenden.

a) Jetzt also haben wir zunächst nur den in sich beseelten Zusammenhang in der begriffsmäßigen Gegenständlichkeit der Naturgebilde als die Schönheit der Natur vor uns.
Mit diesem Zusammenhang ist die Materie unmittelbar identisch, die Form wohnt der Materie, als deren wahrhaftes Wesen und gestaltende Macht, unmittelbar ein.
Dies gibt die allgemeine Bestimmung für die Schönheit auf dieser Stufe.
So verwundert uns z. B. der natürliche Kristall durch seine regelmäßige Gestalt,
welche durch keine nur äußerlich mechanische Einwirkung, sondern durch innere eigentümliche Bestimmung und freie Kraft hervorgebracht ist, frei von seiten des Gegenstandes selbst.
Denn eine demselben äußere Tätigkeit könnte als solche zwar ebenfalls frei sein, in den Kristallen aber ist die gestaltende Tätigkeit keine dem Objekt fremdartige, sondern eine tätige Form, die diesem Mineral seiner eigenen Natur nach angehört; es ist die freie Kraft der Materie selbst, welche durch immanente Tätigkeit sich formt und nicht passiv ihre Bestimmtheit von außen erhält. Und so bleibt die Materie in ihrer realisierten Form als ihrer eigenen frei bei sich selber. In noch höherer konkreterer Weise zeigt sich die ähnliche Tätigkeit der immanenten Form in dem lebendigen Organismus und dessen Umrissen, Gestalt der Glieder und vor allem in der Bewegung und dem Ausdruck der Empfindungen. Denn hier ist es die innere Regsamkeit selbst, welche lebendig hervorspringt.

b) Doch auch bei dieser Unbestimmtheit der Naturschönheit als innerer Beseelung machen wir

α) nach der Vorstellung der Lebendigkeit sowie nach der Ahnung ihres wahren Begriffs und den gewohnten Typen ihrer gemäßen Erscheinung wesentliche Unterschiede,
nach welchen wir Tiere schön oder häßlich nennen, wie das Faultier z. B., das sich nur mühsam schleppt und dessen ganzer Habitus die Unfähigkeit zu rascher Bewegung und Tätigkeit dartut, durch diese schläfrige Trägheit mißfällt. Denn Tätigkeit, Beweglichkeit bekunden gerade die höhere Idealität  des Lebens. Ebenso können wir Amphibien, manche Fischarten, Krokodile, Kröten, so viele Insektenarten usf. nicht schön finden; besonders aber werden Zwitterwesen, welche den Übergang von einer bestimmten Form zur anderen bilden und deren Gestalt vermischen, uns wohl auffallen, aber unschön erscheinen, wie das Schnabeltier, das ein Gemisch von Vogel und vierfüßigem Tiere ist.
Auch dies kann uns zunächst als bloße Gewohnheit vorkommen, indem wir einen festen Typus der Tiergattungen in der Vorstellung haben.
Aber in dieser Gewohnheit ist zugleich die Ahnung nicht untätig, daß die Bildung z. B. eines Vogels in notwendiger Weise zusammengehört und ihrem Wesen nach Formen, welche anderen Gattungen eigen sind, nicht aufnehmen kann, ohne nicht Zwittergeschöpfe hervorzubringen. Solche Vermischungen erweisen sich deshalb als fremdartig und widersprechend. Weder die einseitige Beschränktheit der Organisation, welche mangelhaft und unbedeutend erscheint und nur auf äußerliche begrenzte Bedürftigkeit hindeutet, noch solche Vermischungen und Übergänge, die, obschon sie in sich nicht so einseitig sind, doch aber die Bestimmtheiten der Unterschiede nicht festzuhalten vermögen, gehören dem Gebiete der lebendigen Naturschönheit an.

β) In einem anderen Sinne sprechen wir ferner von der Schönheit der Natur, wenn wir keine organisch lebendigen Gebilde vor uns haben, wie z. B. bei Anschauung einer Landschaft. Hier ist keine organische Gliederung der Teile als durch den Begriff bestimmt und zu seiner ideellen Einheit sich belebend vorhanden, sondern einerseits nur eine reiche Mannigfaltigkeit der Gegenstände und äußerliche Verknüpfung verschiedener Gestaltungen, organischer oder unorganischer: Konturen von Bergen, Windungen der Flüsse, Baumgruppen, Hütten, Häuser, Städte, Paläste, Wege, Schiffe, Himmel und Meer, Täler und Klüfte; andererseits tritt innerhalb dieser Verschiedenheit eine gefällige oder imponierende äußere Zusammenstimmung hervor, die uns interessiert.

γ) Eine eigentümliche Beziehung endlich gewinnt die Naturschönheit durch das Erregen von Stimmungen des Gemüts und durch Zusammenstimmen mit denselben. Solche Bezüglichkeit z. B. erhält die Stille einer Mondnacht, die Ruhe eines Tales, durch welches ein Bach sich hinschlängelt, die Erhabenheit des unermeßlichen, aufgewühlten Meeres, die ruhige Größe des Sternenhimmels. Die Bedeutung gehört hier nicht mehr den Gegenständen als solchen an, sondern ist in der erweckten Gemütsstimmung zu suchen. Ebenso nennen wir Tiere schön, wenn sie einen Seelenausdruck zeigen, der mit menschlichen Eigenschaften einen Zusammenklang hat, wie Mut, Stärke, List, Gutmütigkeit usf. Es ist dies ein Ausdruck,
der einerseits allerdings den Gegenständen eigen ist und eine Seite des Tierlebens darstellt, andererseits aber in unserer Vorstellung und unserem eigenen Gemüte liegt.

c) Wie sehr nun aber auch das tierische Leben als Gipfel der Naturschönheit schon eine Beseelung ausdrückt, so ist doch jedes Tierleben durchaus beschränkt und an ganz bestimmte Qualitäten gebunden. Der Kreis seines Daseins ist eng und seine Interessen durch das Naturbedürfnis der Ernährung, des Geschlechtstriebes usf. beherrscht.
Sein Seelenleben als das Innere, das in der Gestalt Ausdruck gewinnt, ist arm, abstrakt und gehaltlos. - Ferner tritt dies Innere nicht als Inneres in die Erscheinung hinaus, das Natürlich-Lebendige offenbart seine Seele nicht an ihm selbst, denn das Natürliche ist eben dieses,
daß seine Seele nur innerlich bleibt, d. h. sich nicht selber als Ideelles äußert.
Die Seele des Tiers nämlich ist, wie wir schon andeuteten, nicht für sich selbst diese ideelle Einheit; wäre sie für sich, so manifestierte sie sich auch in diesem Fürsichsein für andere.
Erst das bewußte Ich ist das einfach Ideelle, welches, als für sich selber ideell, von sich als dieser einfachen Einheit weiß und sich deshalb eine Realität gibt, die keine nur äußerlich sinnliche und leibliche, sondern selbst ideeller Art ist.
Hier erst hat die Realität die Form des Begriffes selbst, der Begriff tritt sich gegenüber, 
hat sich zu seiner Objektivität und ist in derselben für sich.
Das tierische Leben dagegen ist nur an sich diese Einheit, in welcher die Realität als Leiblichkeit eine andere Form hat als die ideelle Einheit der Seele.
Das bewußte Ich aber ist für sich selbst diese Einheit,
deren Seiten die gleiche Idealität zu ihrem Elemente haben. Als diese bewußte Konkretion manifestiert sich das Ich auch für andere.
Das Tier jedoch läßt durch seine Gestalt für die Anschauung eine Seele nur ahnen,
denn es hat selber nur erst den trüben Schein einer Seele, als Hauch, Duft, der sich über das Ganze breitet, die Glieder zur Einheit bringt und im ganzen Habitus den ersten Beginn eines besonderen Charakters offenbar macht.
Dies ist der nächste Mangel des Naturschönen,
auch seiner höchsten Gestaltung nach betrachtet, ein Mangel, der uns auf die Notwendigkeit des Ideals als des Kunstschönen hinleiten wird.
Ehe wir aber zum Ideal gelangen, fallen zwei Bestimmungen dazwischen,
welche die nächsten Konsequenzen jenes Mangels aller Naturschönheit sind.

Wir sagten, die Seele erscheine in der tierischen Gestalt nur getrübt als Zusammenhang des Organismus, als Einheitspunkt der Beseelung, der es an gehaltvoller Erfüllung fehlt.
Nur eine unbestimmte und ganz beschränkte Seelenhaftigkeit kommt zum Vorschein.
Diese abstrakte Erscheinung haben wir kurz für sich zu betrachten.

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